Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Myrthe und Lorbeer.
Vor fünfundzwanzig Jahren! – Damals wurde es nicht nur als ein Familienereigniß – mehr vielleicht noch als ein Bund von politischer Tragweite angesehen, als Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, einziger Sohn des Prinzen Wilhelm von Preußen und seiner Gemahlin geb. Herzogin zu Sachsen, sich mit Victoria, Princeß Royal von Großbritannien und Irland, ältester Tochter der Königin Victoria von Großbritannien und Irland und ihres Gemahls des Prinzen Albert, Herzog zu Sachsen, am 25. Januar zu London vermählte. In dem voraussichtlichen Thronerben eines der größten deutschen Staaten und der Kronprinzessin von Großbritannien und Irland einten sich in Herz und Hand die Interessen der zwei größten evangelisch-germanischen Staaten Europas. Mit dieser Heirath wurde die alte Allianz zwischen Brandenburg und dem großen Oranier auf Großbritanniens Throne, die Allianz zwischen Friedrich dem Großen und Georg dem Zweiten, zwischen Friedrich Wilhelm dem Dritten und Georg dem Dritten wieder neu besiegelt, der Kriegslorbeer vergangener Zeiten durch die bräutliche Myrthe wieder aufgefrischt.
Derjenige, der diese Zeilen schrieb, erinnert sich noch aus seiner Kindheit des hochgespannten Interesses, mit welchem die damalige europäische Welt die jungfräuliche Königin auf Englands Thron verfolgte. Die Wahl eines Gatten wurde als eine internationale Frage behandelt. Die Botschafter und Gesandten, so am Hofe von St. James beglaubigt waren, berichteten darüber an ihre Höfe als über einen schwebenden politischen Fall, bis dann das Herz der jungen Königin durch all diese Combination einen Strich machte und die Fragen nach allen Möglichkeiten und Consequenzen durch die Wahl ihres Vetters, des Prinzen Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, entschieden waren.
Die Thronfolge in England stand auf zwei Augen. Daher neue Spannung – erhöhte Erwartung, als die Stunde des Ereignisses heranrückte. Das junge Ehepaar und mit ihm das englische Volk hatten auf einen Thronerben gehofft, auf einen Prinzen von Wales, und siehe es kam eine Kronprinzessin zur Welt. Denn die Erstgeborene behielt für immer diesen Titel, wenn auch später ein Prinz folgte. Dieser Titel ist ein Recht, das ihren Kindern und Kindeskindern die Nachfolge auf Englands Thron sichert für den Fall, daß die männliche Descendenz ausstirbt.
Wir geben hier ein Bild der Erstgeborenen der Königin und ihres Gemahls, des Prince-Consort – Winterhalter hat das Baby gemalt, wie er später die meisten der königlichen Kinder von deren frühester Jugend an conterfeit hat.
Alle charakteristischen Merkmale in der Erscheinung der späteren Kronprinzessin von Deutschland sind schon hier, wenn auch in den feinsten Linien, angedeutet. Neben dem großen, braunen, lichten, klugen Auge und der geistigen Lebendigkeit, welche diese kindlichen Züge beseelt, fesselt den Beschauer bei der Betrachtung diesem Bildes auch der nationale Typus. Abgesehen davon, daß wir ein engelhaftes Kind vor uns sehen, erkennen wir auf den ersten Anblick auch ein englisches Kind.
Zu jener Zeit, in welcher uns das erste englische Königskind vorgestellt ist, war der Knabe, welchen unsere zweite Illustration bringt, neun Jahre alt. Die „Gartenlaube“ ließ den Holzschnitt nach einem Oelgemälde von Professor Schoppe anfertigen. Das Original gehört dem Kaiser und befindet sich auf seinem Schreibtische. Das Bildniß stellt den Prinzen Friedrich Wilhelm, einzigen Sohn des Prinzen Wilhelm von Preußen, den Erben von Preußens Thron, in seinem vierten Jahr
dar. Damals, als dieses Bildchen entstand, waren die Hoffnungen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_064.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)