Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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als Erfinder, welcher nur einige Gedanken zu Papier gebracht, die indeß niemals das Stadium des Projects verlassen hatten. War es doch Nicholson selbst gar nicht in den Sinn gekommen, Ansprüche auf die Erfindung der Druckmaschine zu erheben, da dieselbe als aus Koenig’s Geiste hervorgegangen durch die „Times“ der Welt verkündet wurde zu einer Zeit, wo Nicholson noch am Leben und als Patentagent thätig war, als welcher er sogar dem mit Erlangung seines vierten Patents beschäftigten Koenig seine Dienste angeboten hatte. Der wirkliche Erfinder aber wurde selbst von Bensley verleugnet, dem Manne, der während eines vollen Jahrzehnts täglich Gelegenheit gehabt hatte, das Entstehen und die Entwickelung des großen Werkes Koenig’s zu beobachten. Damit war indeß das Maß Bensley’scher Niedertracht noch nicht gefüllt. Als Koenig, empört durch solche Treulosigkeit und Undankbarkeit, auf eine Auseinandersetzung mit seinen beiden Gesellschaftern und auf eine Entschädigung für seinen Patentantheil drang, da antwortete ihm dieser in einem höhnischen Briefe, daß man jetzt seiner Dienste nicht mehr bedürfe. Koenig’s gerechten, contractlich begründeten Ansprüchen aber ist er niemals durch Zahlung auch nur des geringsten Betrages nachgekommen! –
Am 10. August 1817 verließ der betrogene und tief gekränkte Erfinder das undankbare England: eine Monatsgage von zehn Pfund Sterling, die er während der Dauer des Baues seiner Maschinen aus den Gesellschaftsmitteln bezogen hatte, sein aus dem Preise der beiden Timesmaschinen ihm zugekommener Antheil, sowie die geringfügige von Taylor gezahlte Summe von dreihundert Pfund Sterling für Patentbenutzung, die aber zur Hälfte Bauer zufiel, das war Alles, was ihm seine Erfindung in England eingebracht hatte; ein trübseliger Lohn in der That für das mit dem Aufwande seiner geistigen und körperlichen Kräfte geschaffene, im Laufe so vieler Jahre vollendete Werk! Sein Freund Bauer verblieb noch in London, um eine für Taylor angefangene Maschine, die fünfte und letzte der daselbst von Koenig gebauten, zu vollenden; im Mai des Jahres 1818 konnte auch er England verlassen.
Beide Freunde hatten nun als Schauplatz ihrer Thätigkeit die 1803 säcularisirte Prämonstratenserabtei Oberzell bei Würzburg erwählt; sie war Koenig von der baierischen Regierung unter sehr günstigen Bedingungen käuflich überlassen worden, da letztere wünschte, die neue Maschinenindustrie in ihrem Lande heimisch zu machen. Die erste Arbeit, welche Koenig und Bauer in ihrem neuen Heim ausführten, war eine Vervollkommnung der Timesmaschinen behufs Erzielung größerer Druckschnelligkeit; sodann aber ging man an die Ausführung eines vom Besitzer der Haude- und Spenerschen Zeitung in Berlin und von dem Oberhofbuchdrucker Georg Decker daselbst erhaltenen, zuerst auf zwei einfache, nach Decker’s Tode jedoch auf vier Completmaschinen erweiterten Auftrags, der nach unsäglichen Mühen im November 1822 zu Ende geführt wurde.
Das Zusammentreffen einer Menge ungünstiger Umstände machte die Lösung dieser Aufgabe zu einer in der Gegenwart fast unbegreiflich schwierigen; vor Allem war der Stand der Maschinenindustrie in Deutschland damals noch ein so niedriger, daß Koenig und Bauer, nachdem sie sich ein Jahr lang mit einer Anzahl Handwerksgesellen gemüht, zu dem Radicalmittel greifen mußten, Eisenarbeiter aus den Bauern und Weingärtnern der umliegenden Dörfer heranzubilden, ein Unternehmen, das zwar schließlich zum Ziele führte, aber selbst Koenig’s Energie und Bauer’s Geduld und Ausdauer mehr als einmal zu erschöpfen drohte. Dazu kam der gänzliche Mangel an vollkommenen Werkzeugen und zweckmäßigen Hülfsmaschinen in Deutschland, die entweder zu Oberzell selbst gebaut oder aus England bezogen werden mußten; ferner das Nichtvorhandensein von Etablissements, deren Mitarbeiterschaft man hätte heranziehen können zur Erleichterung des eigenen Betriebes. Die nächste Eisengießerei war acht Meilen entfernt, und für die eigene Gießerei, die man sodann einrichtete, mußte man den Coak aus England kommen lassen.
In einem Punkte trafen aber fast alle diese verschiedenartigen Uebelstände zusammen: sie verursachten schwere Unkosten und nahmen weit bedeutendere Summen in Anspruch, als Koenig dafür in seinen mit großer Regelmäßigkeit ausgestellten Budgets angesetzt hatte. Die Beschaffung der Mittel für Einrichtung und Betrieb war trotz der von den Berliner Bestellern bereitwillig gezahlten Vorschüsse ein nie versiegender Quell der Sorge für ihn, den selbst ein anderer unverzinslicher Vorschuß von 20,000 Gulden, welchen die baierische Regierung im Jahre 1821 auf fünf Jahre gewährte, nur unvollkommen zu heben vermochte, da dessen Gewährung zugleich die Ausführung eines weiteren Planes Koenig’s, die Anlage einer Papierfabrik mit den damals noch neuen Maschinen zur Herstellung von Papier ohne Ende einschloß.
Nach der durch Bauer erfolgten Aufstellung und Inbetriebsetzung der nach Berlin gelieferten vier Maschinen reiste Koenig im Sommer 1823 nach England, um sich daselbst über alle in der Papierfabrikation gemachten Fortschritte zu unterrichten; die seiner Rückkehr folgenden Monate aber gehörten zur trübsten Zeit seines Lebens; denn nicht nur blieben die aus Deutschland erhofften Bestellungen auf Druckmaschinen aus, sondern es fehlte auch an Mitteln zur Fortsetzung der weiteren Einrichtungen von Oberzell und namentlich zur Inangriffnahme der Papierfabrik, sodaß eine tiefe Niedergeschlagenheit sich des in allen seinen Plänen eingeengten und gehemmten Erfinders bemächtigt hatte. Erst als Freiherr von Cotta, beeinflußt durch den Kronprinzen von Baiern, den nachmaligen König Ludwig den Ersten, für die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ eine Maschine bestellte und in der Folge auch Koenig und Bauer’s Compagnon für die Errichtung der Papierfabrik wurde, faßte ersterer neuen Lebensmuth und entschloß sich jetzt auch zu einem Schritte, der ihm das lange vermißte und ersehnte traute Familienheim gründen sollte: er verheirathete sich, und zwar als einundfünfzigjähriger Mann, mit einem siebenzehnjährigen Mädchen. Trotz der Ungleichheit der Jahre der beiden Gatten wurde diese Ehe eine der glücklichsten, nicht minder durch die trefflichen Eigenschaften des Herzens und Gemüths der jungen Frau, wie durch den geraden, liebenswürdigen und um die Seinen – die Ehe war von zwei Knaben und einer Tochter gesegnet – liebend besorgten Gatten.
Zur Erhöhung seines Wohlbehagens trug es auch bei, daß die Buchdrucker, namentlich die von Zeitungen, endlich ihre Vorurtheile gegen die Schnellpressen aufzugeben begannen und zu deren Anschaffung schritten, sowie daß ihre Einführung in Frankreich mit besserem Erfolg gelungen war, sodaß sich in den so lange nur dürftig benutzten weiten Sälen der Abtei Oberzell jetzt das regste Leben entwickelte, und die Arbeiterzahl auf 120 stieg. Neben Paris und anderen bedeutenden Städten Frankreichs erhielten nun auch fast alle größeren deutschen Städte Koenig’sche Schnellpressen, und sogar Kopenhagen und Petersburg sahen Erzeugnisse ihrer Thätigkeit.
Da kam die französische Julirevolutron, freudig begrüßt von dem allem Fortschritt huldigenden Koenig, der in ihr auch eine bessere Zeit erblicken zu sollen meinte für die Buch- und Zeitungsdrucker. Die Arbeiter in Paris benutzten jedoch die neue Freiheit, um in verblendetem Wahne die Druckmaschinen, sowohl die Koenig’schen, wie die aus England gekommenen, zu zerschlagen, und daß nicht auch in Leipzig Gleiches geschah, verdankte man nur der Ruhe und Geistesgegenwart des Chefs der Firma F. A. Brockhaus, Herrn Friedrich Brockhaus, welcher damals der einzige Besitzer von Schnellpressen in der Metropole des deutschen Buchhandels war.
Damit war der Aufschwung, den die Druckmaschinenfabrikation in Deutschland genommen, mit einem Schlage vernichtet; Niemand wollte noch fernerhin ein Werkzeug anschaffen, hinsichtlich dessen man in Bezug auf den von ihm gewährten Vortheil noch nicht alle Zweifel überwunden hatte, dessen Besitz jedoch zu Collisionen mit aufgeregten Arbeitermassen führen konnte. Die Bestellungen blieben in Oberzell aus, und Koenig blieb, fast am Schlusse seiner Laufbahn, der schwere Kummer nicht erspart, von seinen 120 Arbeitern schließlich nur noch einen Stamm von 14 erhalten zu können.
Der lebendige Unternehmungsgeist des Erfinders rastete indeß selbst in dieser schweren Prüfungsperiode nicht. Koenig hatte auf weitere Vervollkommnung seines Werkes gesonnen und diese in einer Schnellpresse für gleichzeitigen Druck von zwei Farben gefunden; ja er wollte sogar eine Maschine zum Druck von Rollen- oder sogenannten endlosem Papier (die jetzt in der großen Presse herrschende Rotationsmaschine) bauen, wenn dafür ein Bedürfniß vorhanden wäre. Aber wenn auch Koenig’s Geist mit voller Frische fortschuf an seinem Werke, den in Folge des Darniederliegens des Geschäfts auf ihn abermals hereinbrechenden Sorgen war sein durch Mühen und Anstrengungen erschöpfter Körper nicht mehr gewachsen. Am 15. Januar 1833 brach ein Schlagfluß die erschöpften und überreizten Kräfte, und am 17. Januar verstarb, ohne nochmals die Besinnung erlangt zu haben, der Erfinder der Schnellpresse.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_034.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2023)