Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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und macht sie dadurch buchstäblich windelweich. Mit Befremden gewahrt man, wie sich nunmehr die strammsten Reckstangen gleich einem spanischen Rohr über jede Form legen lassen. Hier ist das Holz nicht mehr Holz, sondern eine Masse, von welcher man nicht mehr weiß, was man denken soll.
Freilich, lange währt diese Gefügigkeit auch nicht, und die Arbeiter müssen sehr rasch an’s Werk gehen, wenn sie diesen charakterlosen Zustand für ihre Zwecke ausnützen wollen: denn mit dem Erkalten kehrt auch die alte Zähigkeit und Festigkeit der Hölzer wieder zurück. In den Biegeräumen brütet aus diesem Grunde eine Wärme von circa 40° R., und die Leute sind gezwungen in dieser schier unerträglichen Temperatur auch noch mit großer Hast zu arbeiten. Ueberhaupt machen diese Räume einen höchst unheimlichen Eindruck. Man denke sich einige Dutzend halbnackte Männer, geschwärzte Wände, heiße Oefen und dazu eine Unzahl von eisernen Formen, daumschraubenähnlichen Zwingen und Marterbänken – und die Folterkammer ist fertig. Kein Wunder, daß sich das Holz hier so gefügig erweist; mir däucht, der Mensch wird hier in kurzer Zeit ebenso willenlos wie ein ausgekochtes Stuhlbein oder wie eine Stuhllehne, die sich cravattenähnlich um ihre Form wickeln läßt.
Die Trockenräume bilden nur eine weitere Instanz in dem hochnothpeinlichen Proceß. Die Hölzer müssen innerhalb der Formen wieder getrocket werden, und zwar bei einer Temperatur von 60 bis 70° R. Auch in dieser Gluth müssen noch Arbeiter thätig sein; denn sie speichern die feuchten Möbeltheile auf und tragen die getrockneten wieder ab. Anders als splitternackt können sie es hier nicht aushalten, auch währt die Schicht nur 30 Minuten. Auffälliger Weise sind diese Leute recht gesund; sie haben zwar kaum ein Loth Fett an sich, dafür sind sie aber muskulös; beim sie befinden sich eben in einer Art von Training, wie ihn die englischen Reitknechte zuweilen in Gesellschaft ihrer Pferde, sicher nicht zu ihrem Schaden, durchmachen.
Von den Trockenräumen wandern die Möbeltheile, wenn sie nicht auf’s Lager gehen, in die Raspelei und dann in die Montirsäle. Strenge Arbeitstheilung vereinfacht hier den Proceß des Zusammensetzens ungemein. Da steht ein Dutzend Männer, die jahraus jahrein nur Schrauben zwischen Sitz und Stuhlbein anbringen, dort dreht ein anderes Dutzend dieselbe Sorte Schrauben zwischen Rücklehne und Füllung hindurch, und wieder ein anderes bohrt ununterbrochen Löcher etc. Selbstverständlich helfen auch Maschinen. Abgesehen von anderen Möbelstücken verlassen täglich 500 Stühle diese Montirsäle, und das Rohrgeflecht dieser Stühle erfordert allein über 95,000 Bohrlöcher per Tag, die sämmtlich einzeln, wenn auch von Maschinen, gebohrt werden müssen.
Nach der Montage beginnt die eigentliche Toilette. Man beizt die rohen Holzflächen entweder nußbraun, mahagonibraun oder ebenholzschwarz und giebt ihnen hierauf in den Polirsälen die Politur. Kräftige Mädchen, zumeist aus dem nahen Böhmerland gebürtig, führen hier das Polirtuch mit großer Energie und Gewandtheit, ohne den Spiritus, der massenweise zur Verwendung gelangt, anders als nach Vorschrift zu gebrauchen. Die männlichen Polirer dagegen sollen nicht immer den Sprit in’s Polirtuch gießen – natürlich nur aus Versehen.
Verlassen wir die Polirsäle, wo man schon vom Dunst der vielgenannten Flüssigkeit angeheitert werden könnte, so thuen sich die Rohrflechtersäle vor uns auf, in denen abermals die weiblichen Arbeitskräfte in der Ueberzahl sind. Man darf diese Arbeit als bekannt voraussetzen; sie wird auch nur zum kleinsten Theil in der Fabrik selbst betrieben und ist in der Hauptsache noch immer Hausindustrie. Aus Ortschaften, drei bis vier Stunden weit von Rabenau entfernt, holen sich die Frauen eine Last Stuhlsitze oder Rücklehnen und fertigen das Geflecht je nach Zeit und Gelegenheit neben ihren häuslichen Beschäftigungen an. Der Verdienst ist leider nur ein sehr mäßiger.
Neben dieser Fabrikation gebogener Möbel blüht noch eine ausgedehnte Hausindustrie mit über 150 wohlgelernten „zünftigen“ Tischlergesellen innerhalb der Fabrikräume. Dieselbe verdiente eine eigene kunstgewerbliche Abhandlung, doch wir müssen uns leider mit der dürftigen Angabe begnügen, daß die anmuthigen überaus formenschönen Rabenauer Renaissancemöbel gleich den gebogenen auf den Weltausstellungen die höchsten Auszeichnungen erlangt haben.
Die Lager der Rabenauer Fabrik sind schon allein durch ihre erstaunlichen Waarenmassen interessant. Man will auf jeden Fall gerüstet sein, und wird irgendwo ein neues Hôtel ausstaffirt, ein Bazar, ein Wiener Café eröffnet, läuft ein neues Auswandererschiff von Stapel, etablirt sich ein Theater, ein großes Gartenrestaurant oder kommen ein halbes Dutzend Brautpaare zu gleicher Zeit angefahren – sie alle können sofort befriedigt werden.
In den Verpackungsräumen wüßte ich nicht, was den Leser interessiren könnte, wenn es nicht die für den Export bestimmten Möbelstücke vermögen. Man zerlegt sie wieder in einzelne Theile und reiht sie in großen Kisten eng und gleichmäßig an einander, wie Kieler Sprotten.
So hätten wir die lärm- und menschenerfüllte Fabrik mit ihren vielfenstrigen, hellen Werkstätten, ihren Hobelspähngebirgen und ihren kreischenden und schreienden Maschinen hinter uns; es bleibt nur noch ein neuangelegter Trockenraum für Hölzer zu erwähnen, der vielleicht für die ganze nutzholzconsumirende Menschheit von Tragweite werden kann. Harte Hölzer trocknen nämlich in der Luft überaus schwer, und erst nach zwei bis drei Jahren geben sie einige Garantie, daß sich die daraus gefertigten Möbelstücke nicht mehr werfen und ihre Flächen nicht mehr zerspringen. Dadurch werden für den Möbelfabrikanten große Holzlager nothwendig, die wiederum große Capitalien bedingen und Zins- und Zeitverluste fordern. Man hat zwar mit der künstlichen Wärme Versuche angestellt, aber sie wollten bis jetzt nicht recht glücken. Die neue Trockenanlage der Rabenauer Fabrik bezweckt nun, die künstliche Wärme doch heranzuziehen, ohne ihre Schattenseiten mit in den Kauf nehmen zu müssen. Die Einrichtung selbst ist noch Geheimniß; nur so viel sei verrathen: die Hölzer spüren’s gar nicht, wie sanft sie trocknen.
Im Jahre 1881 verließen 129,984 Möbelstücke die Fabrik. Mit etwa zwanzig solcher Stücke läßt sich ein großer Salon schon überreich ausstatten, und mag der Leser an dieser Bemerkung ermessen, wie weit verbreitet die Rabenauer Möbel sind. Sechseinhalbtausend Salons könnten ja mit einer einzigen Jahresproduction dieser Fabrik complet möblirt werden.
Große Gewinne haben trotzdem weder die Fabrik noch die Rabenauer Hausindustrie zu verzeichnen, aber die Arbeit ist eine constante, und die Löhne sind auskömmlich. Die Beschäftigung ist eine gesunde, und so trifft man hier auf einen heiteren Menschenschlag, der in freundlichen, höchst behaglichen Wohnungen haust, der sich eines gesicherten Brodes erfreut, kurz, der trotz bescheidener Existenzgrundlagen ein glücklicher genannt werden kann.
Gewiß, auch die romantischen Naturen werden, wie ich Eingangs hoffte, mit der Wandlung einer Raubritterburg in eine Möbelfabrik nicht unzufrieden sein. Lassen wir die Romantik in Frieden fahren! Dafür weht uns der Hauch einer gesünderen Poesie entgegen; es ist die Poesie der Arbeit, die aus den hellen Fensterreihen der „Sächsischen Holzindustriegesellschaft“ und aus den blanken Rabenauer Tischlerwohnstätten frohmüthig herauslacht.
Friedrich Koenig, der Erfinder der „Schnellpresse“.
Am 17. Januar 1833 starb zu Oberzell bei Würzburg Johann Friedrich Gottlob Koenig, der Erfinder der Buchdruckschnellpresse, nachdem er ein echtes Erfinderleben gelebt, reich an Sorgen und Enttäuschungen – zwar von Erfolg gekrönt durch das über Erwarten großartige Gelingen seiner Erfindung, aber des so schwer verdienten Genusses dieses Erfolgs viel zu früh durch den Tod beraubt.
Die Verdienste, welche Friedrich Koenig sich durch die Erfindung der „Schnellpresse“ um das geistige, gesellschaftliche und geschäftliche Leben der ganzen civilisirten Welt erworben hat, sind jedoch bis jetzt nur in dem Kreise der Drucker gewürdigt worden, während dem größten Theil unseres Volks die eigentliche Bedeutung und Tragweite dieser Erfindung noch völlig unbekannt geblieben ist. Man weiß nicht, wie schwerfällig vorher die Herstellung
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_030.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2023)