Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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letzteren ist übrigens nicht blos eine Forderung der natürlichen Bequemlichkeit des Seringueiros, sondern auch eine Bedingung des lohnenden Betriebs. Wir sahen ja schon, daß die Seringa sehr empfindlich für den Einfluß der Luft ist und deshalb möglichst rasch verarbeitet werden muß.
Sehen wir uns zunächst den Bau der Hütte an! Auf einem Kreis von größerem oder kleinerem Durchmesser, je nach den Ansprüchen der Familie oder auch der Cameradschaft, die zusammen arbeiten will, werden die Bäume bis auf etwa einen Meter über dem Boden abgehauen. Der echte Mestize wird von vornherein möglichst Rücksicht darauf nehmen, daß er nicht zu harte und zu dicke Bäume umzuhauen braucht. Einige der stärkeren läßt man in ungefähr gleichen Zwischenräumen stehen als Stützen für das Dach. Auf den Stümpfen wird nun der Boden angebracht. Er muß meist erhöht werden wegen der Fluth, die sich bis weit in das Stromgebiet hinein bemerkbar macht, zuweilen wird aber auch im bleibenden Wasser gebaut, wenn irgend welche Vortheile die damit verbundenen Unbequemlichkeiten des Verkehrs ausgleichen. Das Bodengebälk liefern die gefällten Bäume, die Dielen aber werden aus der Rinde der Murutipalme hergestellt, die in langen Stücken vom Stamm geschält und in schmale Streifen gespalten wird. An den stehen gebliebenen Stämmen oder, wenn es sich gar nicht anders machen ließ, an besonders zu diesem Zwecke aufgerichteten Pfosten wird ein flachkegelförmiges Dach befestigt, wozu leichte, schlanke Stämme die Balken liefern, während die Bedeckung aus zähen Zweigen und Blättern beschafft wird; hundert große Palmblätter reichen aus für ein Dach, unter dem zwanzig Personen bequemes Unterkommen finden.
Ist zwischen Dach und Boden ringsum eine wagerechte Stange angebracht worden, damit man im Nothfall einige Bastmatten daran hängen könne, so sind die Wände dicht genug. Kälte braucht nicht abgehalten zu werden, und gegen einen tropischen Regenguß kann man sich mit den vorhandenen Mitteln überhaupt nicht schützen. Uebrigens trocknet die tropische Sonne auch den stärksten Regen sehr bald auf. Zimmereintheilung durch Binnenwände ist nicht dringendes Bedürfniß. Höchstens wird in der Mitte durch rundum aufgehängte, einige Fuß hohe Matten ein Damenzimmer hergestellt. Die Treppe ist schnell beschafft: entweder thürmt man einige Blöcke Rundholz über einander bis zur erforderlichen Höhe, oder man legt einen Stamm mit roh eingehauenen Stufen schräg gegen das Bodengebälk der Hütte.
Die erste Sorge gilt nun der Speisekammer. Am Fuße des nächsten Baumriesen wird ein Kreis von ein bis einundeinhalb Quadratmeter mit Pflöcken umzäunt und im Innern die Erde zwei bis drei Fuß ausgeworfen. Die nächste Fluth füllt den kleinen Teich mit Wasser, der nun aufnimmt, was jedes Familienglied an Fischen und Schildkröten fängt. Der Zaun läßt jede Fluth durch, sodaß das Wasser frisch bleibt, er setzt aber den Fluchtversuchen der armen Gefangenen ein gebieterisches Halt entgegen. Dies ist die nasse Speisekammer; für die trockene sorgt die Flinte; denn was man über den täglichen Bedarf hinaus an Wild erlegt, das wird an der Sonne gedörrt oder gesalzen und an schattigen Stellen aufbewahrt.
Inzwischen rückt die Zeit der Ernte heran. Für die letzten Tage vor ihrem Beginne steht die Vermehrung des mitgebrachten Vorraths an Gefäßen durch Muscheln und selbstgeformte Thonschalen auf der Tagesordnung; daneben wird zäher Thon zum Ankleben der Gefäße an die Stämme in Vorrath gesammelt.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_009.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)