Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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allen physischen und moralischen Schmutz, die neben der stolzen Männlichkeit einen ganz hervorragenden Charakterzug unseres Künstlers bilden, auf dessen Bildern man darum alle möglichen komischen Figuren, aber nie einen eigentlich gemeinen und schlechten Charakter findet. Selbst die, über welche wir lachen müssen, daß uns die Thränen über die Backen rinnen, wie der dicke Liebhaber in der „Brautwerbung“ oder der „Salontiroler“ in Defregger’s neuestem Bilde, erscheinen nie verächtlich, sondern der Maler weiß uns sogar mit einem gewissen Wohlwollen für dieselben zu erfüllen.
Dadurch, daß er uns aber mit einer in der eigenen tiefen Anhänglichkeit an die schöne Heimath wurzelnden Vorliebe vor Allem das Tüchtige und Brave dieses ohnehin schon von der Natur ungewöhnlich begünstigten südtirolischen Menschenschlages zeigt, führt Defregger uns in eine Art von idealer Welt, deren Anblick uns um so mehr beglückt, als sie so schlagend wahr ist, daß uns an ihrer wirklichen Existenz auch nicht der geringste Zweifel auftaucht. In dieser Feinheit der Charakteristik, in ihrem so viel reicher und edler entwickelten Seelenleben übertreffen die Defregger’schen Bauern auch weitaus die ähnlichen Schilderungen der alten Niederländer, eines Teniers, Ostade und Brouwer. Speciell seine oft entzückend frischen und nie von Sentimentalität angekränkelten Frauen stehen an sittlichem Werthe hoch selbst über denen eines Rubens.
Damit berühren wir einen großen Vorzug, den unsere moderne deutsche Kunst nur mit der englischen theilt. Welcher Abgrund trennt die verlogenen und geschminkten Schäfer und Schäferinnen der deutschen Kunst des vorigen Jahrhunderts mit ihrer süßlichen Lüsternheit von diesen Defregger’schen Landleuten, Hirten und Jägern, denen so gesundes Blut in den Adern fließt! Defregger’s Mädchen sind alle nicht nur hübsch, sondern auch ehrbar, seine Bursche mindestens brave Kerle. Damit gewinnt man aber noch mehr als selbst in Gottfried Keller’s oder Fritz Reuter’s Schilderungen jenes freudige Vertrauen auf den gesunden Kern unseres Volksthums und damit das Vertrauen auf die menschliche Natur überhaupt wieder, welches Einem in den religiösen und socialen oder politischen Parteikämpfen unserer Tage oder bei nur zu vielen literarischen Erzeugnissen derselben so oft abhanden zu kommen droht. Und dieses Vertrauen wird um so fester, als man fühlt, daß der Künstler selber in all diesen so wahren wie biedern und tüchtigen Menschen im Grunde nur jene Lauterkeit und schöne Männlichkeit der eigenen Natur wiedergiebt, die seine Werke rasch zu Lieblingen der deutschen Nation, zum Stolz derselben gemacht haben.
Die Kautschuksammler am Amazonenstrom.
In deutschen Landen kennt Jedermann die Wolfsmilch und den Löwenzahn, Pflanzen, welche in ihren die Rinde und zum Theil das Mark durchziehenden Gefäßen einen milchartigen Saft führen. Sie bleiben bei uns unbeachtet, weil ihr Milchsaft werthlos ist. Ganz anders verhält es sich aber mit den unter den Tropen gedeihenden ähnlichen Pflanzen. Unter dem südlichen Himmel ist die Zahl solcher Gewächse viel bedeutender als bei uns, und auch die Eigenschaften ihres Milchsaftes sind viel mannigfaltiger. Der Saft dieser Tropenpflanzen ist in der Regel weiß, doch zuweilen auch leicht gefärbt, und enthält je nach der Gattung, welcher die Pflanze angehört, sehr verschiedene Bestandtheile. Bald ist er giftig, bald genießbar und selbst wohlschmeckend; ja Gift und Nahrung finden sich in ihm nicht selten auf’s engste vereint, wie in der Juca amarga, einer wildwachsenden Maniokart, deren Wurzeln zerstampft, ausgepreßt und gedörrt eine genießbare Tapiocca geben, während der ausgepreßte Saft dem Indianer zum Vergiften seiner Pfeile dient (vergl. Abbildung S. 8).
Die furchtbarsten Pflanzengifte, das Weorareo der Orinocoländer, das Upas-Radja Javas, entstammen dem Milchsaft dort wachsender Bäume. Dagegen wird der Saft der Tabayda dolce auf den canarischen Inseln, zu Gelée eingedickt, als Leckerbissen verspeist, und der Kuhbaum auf Ceylon, sowie die Hya-Hya im englischen Guyana liefern in ihrem Milchsafte ein erfrischendes, wohlschmeckendes und nahrhaftes Getränk, welches in seiner Zusammensetzung der Kuhmilch ähnlich ist.
Immer aber enthält der Milchsaft, sei er giftig oder genießbar, wenigstens Spuren eines harzigen Stoffes in Form mikroskopischer Kügelchen, die durch eine eiweißartige Umhüllung am Ineinanderfließen gehindert werden, wie z. B. die Butter in der Milch. Wenn frischer harzreicher Saft einige Zeit an der Luft steht, so wird er dick und kleberig, wie stark gezuckerte Milch. Streicht man ihn alsdann aus einander, so trocknet er rasch und sieht dann ungefähr wie ein Aufstrich von Fischleim aus. Die mattweiße Färbung geht aber bald in’s Gelbe und Braune über.
Bei längerem Stehen setzen sich die Harzkügelchen zum Theil auf dem Boden und an den Wänden des Gefäßes ab und bilden eine Haut, die sich mit dem Rahm der Milch vergleichen läßt. In der heißen Tagesluft der Tropen gerinnt der Saft nach fünf bis sechs Stunden zu einer schwammigen, schmutzig gelben Masse, in deren Höhlungen sich ein übelriechendes Wasser befindet, und nach einigen Tagen ist die Masse schwarz und die Flüssigkeit verdorbener Tinte ähnlich geworden – beides hat allen Werth verloren.
Ein solches Milchsaftharz ist nun das Kautschuk, welches sich in ganz besonders reichen Mengen in der Hevea, der Siphonia cahucha oder elastica der Botaniker (vergl. das Initial), findet, die namentlich im Gebiete des Amazonenstroms in ausgedehntestem Maße zu seiner Gewinnung ausgebeutet wird.
Die Hevea wächst vorzugsweise gern an Stellen, welche der Ueberschwemmung durch süßes Wasser ausgesetzt sind, und diese Bedingung findet sich in dem genannten Gebiete allenthalben erfüllt. Verdient doch der ganze untere Theil des Beckens des Amazonas nicht sowohl ein reichlich von Wasser durchzogenes Landgebiet, als vielmehr ein von häufigen Landerhebungen durchsetzter Süßwasserocean genannt zu werden; denn es erfolgt in jenem gewaltigen Stromgebiete jährlich ein regelmäßiges Steigen der Gewässer, das vier Monate anhält und den Wasserspiegel um zehn, ja sechszehn Meter emporstaut, sodaß nur die Kronen der Bäume darüber emporragen.
Dabei ist die ganze Gegend mit dem üppigsten Urwald bedeckt, in einer Ausdehnung, die auf 600 Meilen in der Länge geschätzt wird, bei einer wechselnden Breite von 100 bis 400 Meilen. Dies ist der Schauplatz, auf dem wir das Kautschuk in den ersten Stadien seines Werdens beobachten wollen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_007.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2023)