verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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Trotzdem nun die Asphaltindustrie erst während der letzten Jahrzehnte in großem Maße Beachtung gefunden hat, ist die Verwendung dieses trefflichen Materials doch schon den ältesten Culturvölkern bekannt gewesen. Die Bauten von Babylon, die Paläste Ninives waren nach Mittheilungen aller Schriftsteller mit Asphaltmörtel gemauert, und Untersuchungen von Reisenden haben jetzt diese Angaben bestätigt. Mit dem Verfall der assyrischen Herrschaft ging indessen die Technik der asiatischen Baumeister verloren; denn in den Bauten der Griechen und Römer hat man keine Verwendung von Asphalt gefunden.
So währte es bis zum Beginn des achtzehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, wo ein griechischer Arzt, Namens Eirinis, für das moderne Europa den Asphalt neu entdeckte. Bei einer Durchforschung des Val de Travers in der Schweiz fand Eirinis in den Kalkwänden des Jura große Lager von Asphaltstein und erkannte alsbald die Nützlichkeit desselben für Bauzwecke. Gestützt auf ein Privileg des Königs von Preußen, als des damaligen Fürsten von Neuenburg, begann Eirinis seine Arbeiten und stellte die Anwendung des Asphalts fest, ungefähr in der Weise, wie sie im Wesentlichen noch heute gebräuchlich ist. Die Früchte seiner Erfindung sollte der intelligente Grieche indessen nicht genießen. Der eidgenössische Schatzmeister de la Sablonière wußte ihm das gewinnbringende Unternehmen aus der Hand zu winden und zu seinem eigenen Vortheile auszunützen. Eirinis siedelte dann nach dem Elsaß über und entdeckte dort die Asphaltgruben von Lobsann, welche auch gegenwärtig wieder ausgebeutet werden. Inzwischen kamen die Werke des Val de Travers von einer Hand in die andere; die Production ging von Jahr zu Jahr zurück, und am Ende des vorigen Jahrhunderts war die Erfindung des griechischen Arztes in industriellen Kreisen bereits vollständig vergessen.
Da führten im Jahre 1802 die Theerbrunnen zu Seyssel, südlich von Genf an der französischen Grenze, zur Entdeckung eines Asphaltsteines und zu einer Reihe von selbstständigen Versuchsarbeiten, welche schließlich auf dieselben Ergebnisse, die einst Eirinis erzielte, hinausliefen. Auch die Seysseler Asphaltindustrie hatte anfangs in der Hand von Speculanten mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden, bis sich Graf Sassenay der Sache annahm, das junge Gewerbe durch rationelle Versuche vervollkommnete und zu voller Blüthe brachte. Jetzt nun erinnerte man sich auch wieder der lange vergessenen Gruben im Traversthale und begann 1838 sie von Neuem auszubeuten. Kurze Zeit darauf, im Jahre 1843, wurde, wie wir oben erzählten, mitten in Deutschland, zu Limmer bei Hannover, das erste Asphaltlager entdeckt, dem 1870 auch noch die Auffindung der bituminösen Kalksteinfelsen bei Vorwohle in Braunschweig folgte. Diesen deutschen Unternehmungen wollen wir jetzt unsere nähere Betrachtung widmen.
In sanfter Wellenform steigt das Land westlich von Limmer allmählich an und bildet mit dem Benther Berge die letzten Ausläufer des Deisters, dessen blaue Gebirgskette weiterhin den Horizont begrenzt. Bei einer Wanderung über die Limmer Hügel werden wir plötzlich durch einen unerwarteten Anblick überrascht; auf eine weite Strecke hin öffnet sich der Boden; steil fallen die Wände nach allen Seiten hin ab, und unten, in einer Tiefe von etwa 150 Fuß zeigt sich ein reges Leben. Schaaren von Arbeitern sind damit beschäftigt, den Felsen zu sprengen und die gelösten Blöcke zu zerkleinern: andere laden die Steine auf niedrige Wagen und führen sie auf Eisenbahnen den Förderschachten zu.
Das Gestein, von einer starken Schicht blauen Thones überdeckt, erscheint hier chocoladenbraun und nimmt nach der Tiefe zu eine immer dunklere bis in’s Schwarze gehende Färbung an.
Im Laufe der Jahrtausende drangen hier in den porösen Kalkstein je nach dessen Dichtigkeit größere oder geringere Mengen bituminöser Stoffe und unterlagen dann einem Oxydationsprocesse. Bitumen wird an verschiedenen Orten der Erde auch unvermischt gefunden und erscheint dann je nach seiner Flüssigkeit in Gestalt von Naphta, Petroleum und Erdpech (Asphalt). Die Verbindung von Asphalt mit Kalkstein hat man nun mit dem Namen „Asphaltstein“ belegt; noch häufiger aber nennt man sie – ziemlich unzutreffend – kurzweg „Asphalt“.
Auffälliger Weise hat sich eine gleich innige Verbindung zwischen gewöhnlichem Kalksteine und reinem Bitumen trotz vieler Versuche fabrikmäßig nicht herstellen lassen, während der auch nur in geringem Grade mit Bitumen geschwängerte Asphaltstein leicht zur Aufnahme eines größeren Zusatzes von Erdpech befähigt ist. In der richtigen Benutzung dieses Umstandes beruht der Schwerpunkt der ganzen Fabrikation. Hierbei mag erwähnt werden, daß sich eine der merkwürdigsten Erscheinungen von reinem Asphalt am Todten Meere zeigt. Dort steigt das Erdpech vom Grunde des Wassers auf und treibt, auf der Oberfläche schwimmend, an’s Ufer. Die Hauptbezugsquelle für Asphalt ist aber Trinidad, die südlichste Insel der kleinen Antillen. Daselbst bildet Asphalt die Oberfläche eines mitten in der üppigsten Vegetation liegenden Sees, welcher
verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_813.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2023)