Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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umschritten, ließ er den Schöpfer des Monuments, Bildhauer Schuler[WS 1], ersuchen, zu ihm zu kommen, und sprach ihm Dank und warme Anerkennung seines künstlerischen Werkes aus. Sodann begab der Prinz sich nach dem nahen Werfteingangsgebäude.
Kaum hatte er sich entfernt, als die Volksmenge rasch zu zerstäuben begann. In dichten Schaaren strömte Alles hinüber nach der Werft, wo im unmittelbaren Anschlusse an die Enthüllungsfeier die festliche Taufe und der Stapellauf eines neuerbauten Aviso stattfinden sollte. Hohe Flaggenstangen mit Laubgewinden und wehenden Standarten bildeten einen Triumphpfad um den Festplatz, in dessen Mitte, auf der Helling Nr. 1, der mächtige neue Aviso noch unbeweglich auf seinem Holzunterbau, dem schräg abwärts zum Wasser leitenden sogenannten „Schlitten“, ruhte.
Flaggen und Wimpel schmückten den gigantischen Täufling: sinnige Sprüche zierten seine Stützen, und auf dem noch mastenlosen Deck standen die Arbeiter und einige Beamte versammelt, bereit, mit ihm zugleich „abzulaufen“. Dicht vor seinem Bug aber erhob sich am Lande die ziemlich hohe, reich decorirte Tauftribüne, auf deren Brüstung, mittelst langer schwarz-weiß-rother Seidenbänder am obersten Schiffsrande befestigt, eine wohlgefüllte Flasche sich präsentirte. Das köstliche Naß, das solche Schiffstauf- Flaschen enthalten, wurde früher immer nur den sonnigen Thälern der Champagne entnommen, stammt aber jetzt bei derartigen festlichen Handlungen jederzeit von den Ufern des heimischen Vater Rhein, und wir haben uns also den edelsten Rauenthaler oder Johannisberger als Inhalt jener bändergeschmückten Flasche zu denken.
Zur rechten Seite des Schiffes, die Helling entlang, zog sich die lange Tribüne für die Zuschauer hin; in ihrer Mitte befand sich ein freigelassener Raum für den Prinzen und die Admirale. Links vom Aviso und um die Tauftribüne geschaart, standen die Officiere und Beamten, weiterhin die Musik, und in unabsehbarer Menge dehnten sich die Mannschaften und Zuschauer zu beiden Seiten der großen Binnenbassins aus. Einen imposanten Anblick gewährten aber die naheliegenden Docks, die, mit Wasser gefüllt, zu Ehren des Tages die beiden noch zu Zeiten des Prinzen Adalbert vom Stapel gelaufenen Panzerkolosse „Kaiser“ und „Deutschland“ trugen.
Kaum hatte Alles seine Plätze eingenommen und sich rangirt, als auch schon Prinz Heinrich mit seiner Suite, vom Werftgebäude kommend, erschien.
Weiland pflegte der Taufact eines Schiffes nur von Damen vollzogen zu werden, und erst unserer ehernen neuesten Zeit blieb es vorbehalten, dieses Vorrecht aus „schönen“ Händen zu nehmen und in „kräftigere“ zu legen. Seit dem Jahre 1871 hat kein zierlicher Frauenfuß mehr die Tribüne am Bug betreten, und wenn die zurückgesetzten Schönen bisher grollend behaupteten, daß mit der entschwundenen Poesie ihrer Erscheinung die Poesie des Taufacts überhaupt verloren gegangen – heute sollten sie eines Besseren belehrt werden.
Die schlanke, jugendliche Gestalt des Prinzen, die einen eigenthümlichen hübschen Gegensatz zu den sie umringenden, breitschulterigen, kräftigen Seemannsfiguren bildete, umgab unleugbar ein voller Hauch jener vielbeklagten, verlorengegebenen Poesie. Wehende Tücher in kleinen Händen und Zurufe von zarten Lippen zeigten auch deutlich die von diesem Eindruck voll ergriffene und – versöhnte Stimmung auf der Damentribüne. Doch nicht allein von dorther blickte man wohlgefällig dem Nahenden entgegen, auch die Augen der umstehenden See-Officiere blitzten heller auf, wenn sie ihrem jungen, fürstlichen Cameraden und dereinstigen Führer folgten, wie er nunmehr rasch ihre Reihen durchschritt und dann elastisch die Stufen zur kleinen Tribüne emporstieg.
Jetzt stand er oben, der Oberwerftdirector, Capitain zur See Stenzel neben ihm, das glänzende Gefolge dicht dahinter. Mit lauter, wohlklingender und Allen deutlich vernehmbarer Stimme sprach er kurze, kernige Worte. Er wünschte dem aus deutschem Stahl und Eisen und deutschem Fleiß hervorgegangenen Schiffe eine lange, glückliche, zu Ehre des Vaterlandes gesegnete Fahrt. Erfolgreich und ruhmvoll solle sie sein, wohin sie auch immer sich wenden; den Feind treffe sie mitten in’s Herz, den Freund beschütze sie nah und fern.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Schults. Gemeint ist Carl Schuler, siehe Berichtigung (Die Gartenlaube 1882/47).
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_701.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2023)