Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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eines Tages auf den Gedanken gerieth, die Malerei lieber auf eigene Faust zu erlernen; er kaufte sich frischweg Farben und fing ohne jede Anleitung an, kleine Landschaften auf Brettchen und Buchdeckel zu malen. Diese Erzeugnisse, die er an seine Cameraden verschenkte oder „verklopfte“, um sich Taschengeld zu machen, erregten indeß bald solche Aufmerksamkeit, daß sie den inzwischen 1826 an Cornelius’ Stelle getretenen Schadow bewogen, unsern jungen Musensohn wieder aufzunehmen und, mit Uebergehung der verhaßten Gypsclasse, gleich in die von Schirmer geleitete Landschafterschule zu geben. Schadow producirte gern solche phänomenale Talente, durch die er die Aufmerksamkeit der Welt auf die Schule lenken konnte, wie er denn um dieselbe Zeit auch den gleichalterigen Alfred Rethel herausfand, der bald unseres Achenbach’s intimster Freund werden sollte.
Unter Schirmer’s Leitung entwickelte sich nun des Knaben Talent, wenn auch ganz im Widerspruch mit der stilisirenden Richtung des Lehrers, so rasch, daß er schon mit fünfzehn Jahren sein erstes Bild malte. Es war eine angeblich schwedische, in Wahrheit ganz componirte felsige Seeküste, die solches Aufsehen machte, daß sie der gerade durchreisende bekannte Kunstliebhaber Graf Raczynski kaufte, in dessen Sammlung sie sich noch heute befindet. – Schon hier bethätigte Achenbach also, was er später immer festhielt, daß er trotz alles Realismus des Details niemals ein bloßer Abschreiber der Natur, ein Vedutenmaler, sondern immer ein freier Dichter blieb. Jener erste glänzende Erfolg steigerte natürlich sein Selbstgefühl sehr; jetzt kam dazu auch eine Reise seines Vaters nach Schweden, auf die ihn dieser mitnahm. Die neue Welt entzückte ihn so, daß er, zeichnend und malend, noch blieb, als der Vater abreiste, und dann sechszehnjährig, wie er es war, mit früher Selbstständigkeit allein über Holland zurückkehrte, wo er endlich die Werke der alten niederländischen Meister mit Entzücken kennen lernte, um sie fortan zu seinen Leitsternen zu machen. – Unter ihrem Einfluß malte er noch dort einen Strand von Malmö, der bei seiner Rückkehr alle Welt entzückte. Dann begann er gleich ein großes Bild „Schwedische Strandscene bei heftigem Sturme“, das solchen Beifall fand, daß es der in Düsseldorf residirende Prinz Friedrich kaufte und er nunmehr bereits als eines der ersten Talente der Schule zu gelten anfing.
Mit dem ganzen Uebermuthe des Genies, mit dem schärfsten Witze und der Unduldsamkeit der Jugend ausgestattet, trat er jetzt an die Spitze einer rheinländischen Opposition gegen die Akademie, die unter den jungen Künstlern schon lange im Geheimen gährte, ja verließ mit Rethel und einigen anderen Anhängern ostentativ die Anstalt, von der sich Lessing schon vor längerer Zeit getrennt hatte. Das Ganze war eine Kinderei, die aber damals viel mehr von sich reden machte, als solche ewig wiederkehrende Auflehnung der Jugend gegen die Alten werth war. Indeß veranlaßte sie doch den jetzt zwanzig Jahre alt gewordenen Künstler, 1835 nach München zu gehen, wo er durch seine Genialität, seine grenzenlose Schaffenslust wie seinen sprudelnden Humor ein Aufsehen machte, dessen sich die Zeitgenossen heute noch erinnern, obwohl Rottmann damals gerade auf der Höhe seines Ruhmes stand. – König Ludwig, der große Freude an Achenbach hatte, erwarb damals einen Seesturm von ihm, der noch, in der neuen Pinakothek hängend, uns einen deutlichen Begriff von des Künstlers damaligen Leistungen giebt. Kommen sie seinen jetzigen an Gediegenheit nicht im Entferntesten gleich, so erscheinen sie doch immer noch bedeutend durch die seltene Feinheit der Naturbeobachtung, die aus ihnen spricht.
Nach seiner Rückkehr von einem Besuche in Tirol wurde er im Sommer 1836 von der Cholera befallen, was ihn veranlaßte, München mit Frankfurt zu vertauschen, wohin sich auch Rethel inzwischen gewandt hatte. Dort blieb er ein halbes Jahr, malte jenen großen Seesturm, der noch im Städel’schen Institute zu sehen, kehrte dann aber doch wieder nach Düsseldorf zurück, wo er als die wahre Incarnation eines Rheinländers, mit all dem leichten Blute und dem gesunden Mutterwitze eines solchen, sich auch am wohlsten fühlen mußte. Als ein schon weitberühmter Künstler richtete er sich jetzt ein großes Atelier ein und entfaltete wie immer die unglaublichste Thätigkeit, was ihn aber nicht hinderte, England und Frankreich wie die Niederlande zu besuchen und dort die alte wie die zeitgenössische Kunst zu studiren, indeß ohne daß irgend ein Moderner auf ihn gewirkt hätte. Dagegen zahlte er jetzt der in Düsseldorf noch immer herrschenden Romantik seinen Tribut dadurch, daß er, der arge Spötter und ein anscheinend so unverwüstliches Weltkind, 1843 zum Katholicismus überging.
Bald darauf besuchte er zum ersten Mal Italien, was seiner Kunst eine ganz neue Wendung gab. Rom entzückte ihn, und er blieb dort ein volles Jahr, hauptsächlich die pontinischen Sümpfe und das Tyrrhenermeer schildernd, ohne indeß die von Düsseldorf mitgebrachte noch immer etwas kleinliche und magere Art der Malerei ganz los werden zu können. Eine neue Seite gewann er der südlichen Natur erst in Sicilien ab, wo es ihm nunmehr gelang, den ganzen ernsten Zauber des Südens mit seinen einfachen und großartigen Farbencontrasten in einer Landschaft am Strand von Catania wiederzugeben.
Leider verfolgte er diesen durchaus neuen Weg nicht, sondern ließ sich von Freunden verleiten, in’s Innere zu gehen, wo er wohl den Thalkessel von Corleone in der Mittagsgluth mit großer Bravour malte, aber die durch das erwähnte Strandbild errungene ideale Höhe nicht wieder erreichte. So ist denn seine italienische Reise eine glänzende Episode ohne weitere Folgen geblieben; denn als er im Jahre 1846 endlich zurückkehrte, gab er die Darstellung südlicher Natur bald wieder auf, um sich der des Nordens zuzuwenden. Es blieb seinem zwölf Jahre jüngeren Bruder Oswald überlassen, den so fruchtbaren Weg, den er einst eingeschlagen, weiter zu verfolgen und Italien ebenso erfolgreich und ausschließlich zu cultiviren als er fortan die Heimath. Sie fesselte ihn jetzt um so mehr, als er sich 1848 mit einem ebenso schönen wie reichen Mädchen verheirathete und sich so bald den glücklichsten Familienkreis schuf.
Es ist das Privilegium solch reicher Talente, daß Alles das, was Andere gar leicht abhält, ihre Fruchtbarkeit nur steigert. So entfaltete er gerade von jetzt an eine immer erhöhte, nur durch zahlreiche Reisen unterbrochene Thätigkeit. Sah ihn fast jeder Sommer in Ostende oder Scheveningen, in Norwegen oder am Canal, um der Nordsee immer neue Seiten abzugewinnen, so hielt ihn dies nicht ab, den stillen westfälischen Thälern seine Aufmerksamkeit zuzuwenden oder mit vortrefflichen Figuren reich staffirte Städtescenen in großer Zahl zu malen, wozu ihm die so malerischen niederländischen Orte reichen Stoff boten. Immer aber blieb es seine Stärke, mit blitzschneller Auffassung, grenzenlosem Gedächtniß, die rasch vorübergehende Flucht der Erscheinungen und elementaren Vorgänge festzuhalten. Er ist darum von allen deutschen Landschaftsmalern der dramatischste; Luft und Wasser mit ihrem ewigen Wechsel gelingen ihm am besten, obwohl er alles Andere mit nicht geringerer Virtuosität malt; sein proteusartiges Talent schreibt heute mit ebenso unendlicher Liebe und spitzem Pinsel all das tausendfache Detail eines niederländischen Bauernhofs hin, wie es morgen mit breiter Meisterschaft den Sturm wiedergiebt, der die felsigen Küsten Norwegens peitscht.
Nur eigentliche Stimmungslandschaften, das heißt solche, in denen der Künstler die Vorgänge des eigenen Innern im Bilde widerspiegelte, kennt er nicht; ganz wie die alten Meister, verhält er sich der Natur gegenüber durchaus objectiv; er lauscht ihr all ihre Geheimnisse ab, ohne deswegen die seinigen der Leinwand anzuvertrauen. Rückschlüsse von seinen Bildern auf seinen Charakter zu machen, ist daher bei ihm fast unmöglich, schon weil sie so ungleich sind, ihre Behandlung immer dem Gegenstande angepaßt ist. Sie würden oft nüchtern erscheinen bei diesem Mangel an Subjectivität und ihrem Realismus, wenn dieser letztere nicht stets von jeder Trivialität frei wäre. Eine edle Vornehmheit sichert den Gemälden Achenbach’s schon ihr classischer Ton, in dem unser Künstler den alten Meistern näher gekommen ist, als irgend ein anderer deutscher Landschafter.
Dabei ist Achenbach’s künstlerische Constitution von unverwüstlicher Frische; ihm ist das Malen weder eine Beichte noch ein Fieber, sondern eine so natürliche Function wie Athmen und Sprechen. Indeß sieht man der mittelgroßen, festen und untersetzten Gestalt, die einen mächtigen blonden Kopf auf starkem Nacken trägt, den Künstler keineswegs sofort an, den auch die blauen Augen mit ihrem ruhig durchdringenden Blick, die vollen Wangen mit ihrer kerngesunden Farbe kaum verrathen würden, den nur die edle Stirn mit der Adlernase allenfalls ahnen läßt. Mit Auszeichnungen, Orden und Medaillen auf allen Ausstellungen wurde er ebenso überhäuft wie mit Reichthümern; indeß bei aller Lebenslust hat ihn weder diese Auszeichnung noch sein großes geselliges Talent jemals der Kunst abtrünnig machen können. Nach fünfzig Jahren
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_378.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2023)