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Seite:Die Gartenlaube (1882) 354.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


in der Natur Thier- und Pflanzenleben gegenseitig ergänzen und fördern. Die Thiere erzeugen bei ihrer Athmung Kohlensäure und verbrauchen Sauerstoff, die Pflanzen verbrauchen Kohlensäure und erzeugen Sauerstoff. Die Thiere leben unmittelbar oder mittelbar gänzlich von Pflanzenstoffen, und die Pflanzen werden von den Auswurfstoffen und den abgestorbenen Leibern der Thiere gedüngt. Diese Gegenseitigkeit erprobt sich nun im allerengsten Kreise bei den hier besprochenen Gesellschaftswesen, welche einander alles das liefern, was sie zum Leben brauchen. Man kann kaum daran zweifeln, daß den im Körper eines Thieres lebenden Algen auch die Auswurfstoffe desselben, zumal die von den Geweben ausgeschiedene Kohlensäure, zu Gute kommen werden, sodaß sie, da das Thier sie auch seines eigenen Wohlseins wegen dem Lichte aussetzt, ein gleichsam üppiges Leben in seinem Innern führen, während dieses wieder sich nicht um seine Nahrung zu bemühen und gar nicht zu arbeiten braucht. Die ganze Plage des Algenwirths besteht darin, bald im Lichte umherzuflaniren, bald sich die warme Sonne auf den Leib scheinen zu lassen, um mit Allem versorgt zu werden, was er zu seines Leibes Nahrung und Nothdurft gebraucht. Es ist kaum zu bezweifeln, daß diese Thiere auch, abgesehen von der Verzehrung der absterbenden Algen, weitere Nahrung von ihren Gästen ziehen werden; denn die Stärke, welche diese erzeugen, dürfte leicht in einen löslichen Zustand übergeführt und von dem Thiere verdaut werden.

Auch der von den Algen im Lichte abgeschiedene Sauerstoff dürfte ohne Zweifel den Thieren theilweise zu Gute kommen, wie man schon daraus schließen kann, daß grüne Algen im Sonnenscheine ein Gas entwickeln, welches bis zu siebenzig Procent Sauerstoff enthält, während die grünen Thiere ein an Sauerstoff bedeutend ärmeres Gasgemenge ausscheiden. Nach den Bestimmungen von P. Geddes enthält das von grünen Strudelwürmern im Sonnenscheine ausgeschiedene Gas fünfundvierzig bis fünfzig Procent, bei der olivengrünen See-Anemone (Anthea Cereus), welche sehr zahlreiche Algen beherbergt, zweiunddreißig bis achtunddreißig Procent, bei der weißen Koralle (Gorgonia) und der blauen Qualle (Velella) circa vierundzwanzig Procent, und bei der orangerothen See-Anemone (Ceractis aurantica) gar nur einundzwanzig Procent.

Wenn nun auch das Thier den ausgeschiedenen Pflanzengasen seinerseits sauerstoffärmere Thiergase beimengen mag, so scheint doch soviel sicher, daß es einen Theil des von den Algen abgeschiedenen Sauerstoffs für sich verbraucht und sich dadurch wahrscheinlich angenehm erregt findet; wenigstens sah Geddes die sonst meist träge, dunkelgrüne See-Anemone im Sonnenschein ihre Arme lebhaft hin und her schwingen. Allerdings scheint ebenso wie den Algen, auch den Thieren ein allzu anhaltender Sonnenschein, vielleicht in Folge des andauernden Sauerstoffüberschusses, schädlich zu werden; die See-Anemonen nehmen, tagelang den directen Sonnenstrahlen ausgesetzt, bald ein ungesundes Aussehen an, und Radiolarien wurden sogar schon nach eintägiger Besonnung im beständig circulirenden Wasser getödtet. Diese größere Empfindlichkeit der Radiolarien gegen starkes Licht hängt vielleicht damit zusammen, daß sie nicht chlorophyllreiche grüne, sondern gelbe Algen enthalten, und dem entsprechend haben sie die Gewohnheit, nur bei schwachem Licht zur Meeresfläche emporzusteigen und bereits früh am Tage wieder in die Dämmerung der Tiefe zu versinken.

Man kann sich die Beziehungen zwischen Thier und Pflanze kaum idealer ausmalen, als sie in diesen niederen Wesen verwirklicht sind, welche ihre Nahrung in ihrem Innern cultiviren und hauptsächlich nur von dem Ueberschuß ihrer innerlichen Gärtnerei leben. Wie schön könnte es in der Welt sein, wenn alle Thiere ohne Streit und Kampf neben einander leben könnten, aber ohne Kampf kein Sieg des Besseren, also kein Fortschritt! Es ist daher wohl als Glück zu betrachten, daß ein solches Bündniß nur bei Thieren denkbar ist, welche keinen abgeschlossenen Magen haben und keine scharfen Magensäfte aussondern, vielmehr ihre Körperhöhlungen beständig von frischem Wasser durchströmen lassen und nur bei unmittelbarer Berührung an bestimmten Stellen verdauen. Vielleicht das Merkwürdigste bleibt hierbei aber, daß die betreffenden Thiere meist auf beiderlei Weisen zu leben im Stande sind, nämlich mit innerer Algenzucht und ohne dieselbe.

Die erwähnte Hornkoralle (Gorgonia) kommt in einer weißen und in einer rothen Varietät vor, von denen nur die erstere Algen enthält, während die letztere zu undurchsichtig wäre, um ihnen das nöthige Licht zukommen zu lassen, und sich deshalb auf dem gewöhnlichen Wege ernähren muß. Auch dürfen keineswegs alle grünen Thiere der niederen Classen als Algenzüchter betrachtet werden. Es giebt vielmehr zahlreiche grüngefärbte Würmer, See-Anemonen und andere Thiere, die nicht dem Chlorophyll, sondern einem andern sich im Spectroskope ganz verschieden verhaltenden Farbstoffe ihre Färbung verdanken.

Selbst von der mehrerwähnten olivengrünen See-Anemone (Anthea Cereus) giebt es eine smaragdgrüne Abart, welche keine Algen enthält. Aber die olivengrüne, algenreiche Form ist die bei Weitem häufigere und eine der im mittelländischen Meere am massenhaftesten vorkommenden Arten, ein Beweis dafür, daß sie sich bei ihrer Gemüsezucht sehr vortrefflich befindet und nichts weniger als eine Belästigung von ihren Miethern erfährt. Im Uebrigen bereiten, wie zum Schlusse noch hervorgehoben werden mag, diese höchst überraschenden Entdeckungen auch dem Naturforscher in soweit eine Erleichterung, als er nun wieder das Chlorophyll, respective seine farblosen Begleiter, als einen wirklich den Pflanzen – wenn auch nicht allen unter ihnen – allein zukommenden und den Thieren durchweg fehlenden Stoff ansehen darf.




Recht und Liebe.

Novelle von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


„Setzen Sie sich da an’s Fenster, Dora,“ sagte Regine, „und dann reden Sie! Ich höre!“

„Sehen Sie, Fräulein Regine,“ hub Dora, abwechselnd bleich und roth werdend und zu Regine, die vor ihr stehen geblieben, schüchtern aufblickend, an, „sehen Sie, da Sie nun unsere Cousine Regine Horstmar sind – nicht wahr, Sie sind es?“

„So ist es – ich bin Regine Horstmar. Und nun?“

„So sind Sie auch die Erbin hier und werden am Ende doch wohl Alles erhalten – ich bin nur ein dummes Ding, aber was die Mutter und was die Generalin reden, daß man Sie schon zwingen werde, und was auch Damian und Sergius meinen, das will mir nicht einleuchten; denn wenn man Sie gezwungen hat …“

„Also man glaubt mich wirklich zwingen zu können?“ fiel Regine bitter ein. „Wie will man das anfangen? Mich schlagen, einsperren, hungern lassen, mit dem Tode bedrohen? Das Alles ist ja so aberwitzig …“

„Ich weiß nicht,“ unterbrach Dora sie, „ich bin nur ganz voll Schrecken von all den bösen Dingen, die man wider Sie vorhat. Aber sehen Sie, ich fürchte, es hilft uns das Alles am Ende doch nichts, denn hernach sagen Sie: man hat mich mit Gewalt gezwungen, und dann …“

„Dann gilt es nichts,“ sagte Regine mit bitterem Spott. „Nein, dann gilt es nichts; wie klug Sie sind, Dora, noch ein wenig klüger als der ganze Kriegsrath, den man, scheint es, bei Ihnen drüben gehalten hat! Aber beruhigen Sie sich. Man wird mich nicht zwingen …“

„O, glauben Sie das nicht, und –“

„Weil man mich gar nicht zu zwingen brauchen wird. Ich will von der ganzen Erbschaftsgeschichte, von der ganzen Verwandtschaft nichts wissen, nichts hören, will Dortenbach niemals wiedersehen –“

Dora sah sie sehr überrascht an. Dann schüttelte sie mit einem schlauen Lächeln den Kopf.

„Glauben Sie mir nicht?“ fragte Regine.

„Nein,“ antwortete Dora mit Bestimmtheit. „Wer wird Ihnen das glauben? Kein Mensch! Auf so etwas verzichtet man nicht. Weshalb wären Sie denn sonst hierher gekommen? Und weshalb wollen Sie denn jetzt augenblicklich abreisen? Wenn Sie wirklich nichts verlangten, thäte Ihnen ja Niemand etwas hier, im Gegentheil –“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_354.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2023)