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Seite:Die Gartenlaube (1882) 251.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

allegorischen Figuren, Schildhaltern etc. besteht, zu einer hohen Blüthe gelangt. Diese sprechenden, bildlichen Monogrammzuthaten bieten den Künstlern ein reiches Feld für ihr Schaffen, und rechnet man hierzu noch das Beiwerk von den verschiedenartigsten Kronen aller Zeiten und Länder, von Kurhüten, von Dogen- und Bischofsmützen, sowie den Formenreichthum der Heraldik, so darf man in der That behaupten, daß hier dem Kunsthandwerker außerordentlich mannigfache Gelegenheit zu lohnender und ansprechender Thätigkeit gegeben ist.

Besonders das Gerlach’sche Werk, von dessen Abbildungen wir einen verschwindend kleinen Theil vorführen, um die Trefflichkeit der Technik zu zeigen, enthält – neben einzelnen Excentricitäten – einen wahren Formenschatz des Monogramms. Im Atelier und in der Kunstwerkstatt, sowie zum Studium ist es geradezu unentbehrlich, und mit Stolz darf man diese Leistung in artistischer und xylographischer Beziehung als eine der ersten hinstellen. Daß der höhere Kunstgewerbtreibende eine Menge neuer Anregungen daraus schöpfen kann, ist vom praktischen Standpunkte aus ein unbestreitbares Verdienst des Werkes, um so mehr, als die Entwürfe offenbar für die verschiedensten technischen Verwendungsarten und Materialien gedacht sind.

Schließlich noch ein Wort über die zahllosen Monogramme (Cirkel) der studentischen Verbindungen. Keines derselben hat eine solche historische und ethische Bedeutung, als das der Burschenschaft:

= „Freiheit, Ehre, Vaterland!“

einst und noch jetzt der Wahlspruch der jungen deutschen Patrioten. Dies Monogramm mag uns heut’ an die erhebenden Worte eines Burschenschaftsliedes vom Jahr 1823 gemahnen:

„Drum achtet’s klein, was draußen Euch bedroht;
Ihr standet hier für Freiheit und für Ehre,
So wollet steh’n dem Vaterland zu Schutz und Wehre!
Dies Euer Heil im Leben und im Tod.“

Allen denen aber, welche diesen Betrachtungen über das Monogramm mit Interesse gefolgt sind, wünsche ich, daß, wenn man ihnen einst das letzte Monogramm Α und Ω (Alpha und Omega) als Zeichen irdischer Vergänglichkeit und seelischer Dauer auf ihren Stein eingräbt, diese Zeichen für den Anfang und das Ende zugleich ein schönes und inhaltsreiches Leben einschließen mögen.

Livius Fürst.



Die Kettenschifffahrt auf der Elbe.
Von A. Woldt.

Viele Bewohner der Elbstädte erinnern sich gewiß noch mit leisem Schauder an die früheren Zustände der Elbschifffahrt, an jene gar nicht so fernen Zeiten, in denen ein merkwürdiges Menschengeschlecht an den Elbufern hauste, eine aus Tausenden von Personen bestehende Gesellschaft, welche sich der Aufgabe widmete, diejenigen Schiffe, welche stromaufwärts fahren mußten und in der gewaltigen Strömung weder durch Rudern noch durch Segeln vorwärts gebracht werden konnten, durch das sogenannte „Treideln“ stromaufwärts zu ziehen.

Diese Menschenclasse führte den Namen: „Die Bomätscher“. Schaarenweise spannten sie sich an die lange Leine, welche von einem derartigen Schiffe bis zum „Treidelsteg“ am Ufer reichte, und zogen das Fahrzeug, langsam im Tacte dahinschreitend, vorwärts. Wenn das Hochwasser des Frühjahrs den Beginn der Schifffahrt anzeigte und die aufgestaute gelbliche Fluth gegen das Schiff anstürmend in zahllosen Wirbeln mit Eilgeschwindigkeit vorüber tanzte, dann waren die „Bomätscher“ am thätigsten.

Unsere Illustration führt sie uns vor, wie sie, mit gewaltiger Kraft sich in die Gurte legend, den Kampf gegen das unbändige Element aufnehmen und in trotziger Energie vorwärts dringen. Wenn aber im Laufe der Sommermonate die Elbe um mehrere Fuß fiel, dann sahen sich die verwegenen Gesellen eines Theiles ihrer Einnahme beraubt, und in solchen Fällen kam es ihnen auf ein bischen Wegelagern nicht an.

Nun sind sie längst dahin geschwunden, diese Leute, und nur ein Andenken von ihnen ist der Nachwelt geblieben: der eigenthümlich originelle Gesang, welchen sie beim Ziehen der Schiffe erhoben, hat Richard Wagner Veranlassung zur Composition seines Matrosenchores im „Fliegenden Holländer“ gegeben.

Welch ein anderes Bild bietet uns heute die Elbschifffahrt dar! Auf den Wellen des Stromes, die ungeduldig Hamburg, einem der größten Häfen der Welt, zutreiben, fährt ein Dampfer sicher und stolz zu Berg und zieht unaufhaltsam vorwärts eine lange Reihe schwerbelasteter Kähne. Aber es ist nicht allein die ungestüme Kraft des von Wasser und Feuer erzeugten Dampfes, welche hier über die zu Thal drängenden Wogen des Flusses den Sieg davonträgt. Unten im Bette des Stromes ruht eine schwere eiserne Kette, an welcher der Dampfer sozusagen Anhalt gewinnt und mit deren Hülfe er den Anprall der Gegenströmung zu überwinden vermag. Nach dieser Kette tragen nun die Fahrzeuge den Namen Kettendampfer, und nach ihr wird die gesammte, also betriebene Schifffahrt Kettenschifffahrt genannt.

Mit Hülfe der unserem Artikel beigegebenen, für die „Gartenlaube“ eigens gezeichneten Illustration von Paul Heydel, welche das Loschwitzer Elbufer mit der Villa Souchay,[WS 1] den prachtvollen Albrechtsschlössern, dem bekannten Saloppenschlößchen und den Dresdener Wasserwerken darstellt, werden unsere Leser die Einrichtung eines Kettendampfers und den Betrieb der Kettenschifffahrt sich leicht zu veranschaulichen vermögen.

Wir schicken zunächst voraus, daß mitten in der Fahrbahn in der ganzen Länge des Stromes eine Kette versenkt ist, welche nur an ihren beiden Enden fest verankert wurde. Diese Kette wird nun, aus dem Wasser emporgehoben, von einem an dem Vordertheil des Schiffes befindlichen Arme aufgenommen und von diesem vermittelst Leitrollen zu zwei auf dem Schiffsdeck befindlichen Trommeln geführt. Um diese Trommeln, welche mit Rinnen versehen sind, wickelt sich die Kette dreimal in der Art, daß sie von der ersten Rinne der ersten Trommel zu der ersten Rinne der zweiten Trommel übergeht, von dieser um die zweite Rinne der ersten Trommel sich schlingt und zu der zweiten Rinne der zweiten Trommel zurückkehrt etc. Zuletzt wird die Kette in einer schräg abfallenden Leitrinne an das hintere Ende des Schiffes geführt, wo sie wieder in das Wasser sinkt.

Der Kettendampfer bewegt sich nun vorwärts, indem seine Dampfmaschine die beiden Trommeln in Bewegung setzt, wobei alle von der Kette umschlungenen Trommelumfänge eine gleiche Länge der Kette auf- und wieder abwickeln und hierdurch das Schiff um dieses Stück vorwärts rücken. Der von dem letzten Umfange der zweiten Trommel abgewickelte Theil der Kette läuft nach dem Heck des Schiffes und versinkt dort wieder in der Tiefe des Stromes. So wie sich also der Zug der Rigibahn durch das Eingreifen des Zahnrades in die Zähne der Mittelschiene bergan bewegt, so rollt sich hier die Windevorrichtung des Kettenschiffes unter der Kette fort.

Durch ein sehr einfaches Experiment ist man im Stande, sich hiervon eine directe Anschauung zu schaffen. Man lege zwei runde Bleistifte oder Federhalter neben einander und wickele um sie gemeinschaftlich einen Faden drei- bis viermal herum; dann wird man, wenn die Enden des Fadens ein wenig festgehalten werden, durch gleichmäßige Achsendrehung beider Bleistifte den Faden auf- und abwickeln können.

Die auf dem Boden des Stromes liegende Kette, an welcher der Kettendampfer durch die beiden Trommeln befestigt ist, sodaß er nur vorwärts oder rückwärts fahren kann, wird je nach der Kraft des Anzuges und der Wassertiefe auf eine gewisse Länge vor dem Schiffe gehoben; der Punkt, an welchem sie ungehoben bleibt, ist gewissermaßen der Ankerpunkt des Schiffes, indem das Gewicht und die Reibung der fortlaufenden Kette den Anker ersetzen. Da sich nun auf diese Weise der Kettendampfer mit der ganzen hinter ihm angehängten Last der geschleppten Fahrzeuge während der Fahrt „zu Berg“ in jedem Augenblick gewissermaßen vor Anker befindet, so wird er sogar im wildesten Gefälle niemals auch nur einen Zoll breit von dem einmal zurückgelegten Wege rückwärts gedrängt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Villa Souchay: das nach Plänen Christian Friedrich Arnolds erbaute heutige Schloss Eckberg
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_251.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)