Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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der Trüb’schen Buchhandlung (Th. Schröter) in Zürich erschienene „Cultur- und Literaturgeschichte der Französischen Schweiz und Savoyens“. Der Verfasser hat zwanzig Jahre in Frankreich, darunter zwei in Savoyen, zugebracht und namentlich die französische Sprache und Literatur zum Gegenstand eingehender Studien gemacht. Bisher galt Frankreich, das um Paris concentrirte Frankreich, für den ausschließlichen Herd französischer Sprache und Literatur, während es doch nur eine, wenn auch die größte Pflanzstätte des französischen Sprach- und Schriftthums ist. Man hat dabei aber ganz übersehen, daß es in Frankreich solcher Pflanzstätten noch mehrere giebt und daß die sogenannte französische Schweiz unter ihnen einen hervorragenden Rang einnimmt; denn in ihr ist aus einer eigenen selbstständigen Civilisation und auf einem selbstständigen geschichtlichen Boden eine eigene Literatur erwachsen, und zwar mit dem sechszehnten Jahrhundert – eine Literatur, deren Einwirkung auf die französische eine größere gewesen ist, als umgekehrt. Das Semmig’sche Buch weist dies nun überzeugend nach und giebt dabei so zahlreiche Auszüge aus den Werken der einheimischen Schriftsteller, daß man daraus die moderne französische Sprache verstehen und beherrschen lernt. Er widmet sein Werk den Familien und Schulen und stellt ihm die Aufgabe, die Erziehung der Jugend vollenden zu helfen – er hat vollkommen Recht darin; denn die ganze Literatur der protestantischen romanischen Schweiz ist mit dem Boden der Reformation verwachsen und von tief religiösem Geiste durchdrungen; sie athmet aber auch treue, aufopfernde Vaterlandsliebe und belebt und pflegt den Sinn für Naturschönheit in einer idealen Weise, die an die Innigkeit und Wärme erinnert, in der einst Klopstock den Zürichsee besungen hat. So sei denn das Werk allen Freunden der französischen Literatur auf’s Beste empfohlen!
Schriftstellerische Leichtfertigkeit – wenn nicht mehr! – Durch mehrere Blätter ging ein Feuilleton-Artikel von Albert Lindner unter dem Titel „Drei Verkommene – Verschollene“. Er stellt in demselben zwei Thüringer, Louis Böhner und Alexander Rost, und einen Sachsen, Adolf Böttger, als warnende Beispiele von begabten Männern auf, die „alle Drei weniger geleistet, als die Natur mit ihnen versprochen hatte“, und zwar, weil alle Drei an der „Trunksucht“ zu Grunde gegangen. Ein tactvoller Schriftsteller wird schon schwer an die Wahl eines solchen Stoffs für ein Volksblatt-Feuilleton gehen, um die Hülle von dem Privatleben trotz alledem verdienter Männer, deren Wittwen noch um sie trauern, schonungslos wegzureißen. Thut er dies aber, dann könnte nur der Beweis der strengsten Wahrheitsliebe mit einem solchen Schritte versöhnen. Nun höre man was Herr Albert Lindner über Adolf Böttger vorbringt:
„Von Böttger,“ sagt er, „kann ich wenig berichten. Er domicilirte in den vierziger Jahren in Leipzig, dichtete nichts Originales mehr und ließ von Zeit zu Zeit eine Uebersetzung, gewöhnlich das Werk eines großen Engländers, erscheinen. Als ich mit meiner Mutter einmal von der Naumburger Messe zu Fuß zurückkehrte, fanden wir einen betrunkenen Menschen im Chausseegraben schnarchend. Ein hinzugekommener Dorfschulmeister erzählte uns, wer das wäre. Der Mann schien große Stücke von diesem unglücklichen Dichter zu halten. Regelmäßig alle acht Wochen mache er sich von Leipzig aus zu Fuß auf den Weg, um Weimar zu erreichen, aber er sei bis jetzt nie weiter, als bis Naumburg gekommen und werde dann in dem Zustande, wie wir ihn fanden, sei es durch die Behörde oder durch mitleidige Menschen, nach Leipzig zurückgeschafft. Er starb ungefähr an derselben Stelle, wo ich ihn als Knabe zuerst getroffen: im Chausseegraben bei Naumburg vom Schlage gerührt, und abermals auf einer Mekkatour nach Weimar begriffen!
Ich bitte nicht zu vergessen, auch bei den folgenden Ausführungen (über Böhner und A. Rost) nicht, daß eine thüringische Eisenbahn damals noch nicht existirte.“
An dieser ganzen Geschichte ist kein wahres Wort. Der Verfasser verwechselt ganz einfach Adolf Böttger mit dem unglücklichen Ernst Ortlepp. Dieser hochbegabte Mann, 1800 in Droyßing bei Zeitz geboren, war Zögling von Schulpforta; es spricht gewiß für seinen Fleiß, daß er noch als Schüler eine Uebersetzung von Goethe’s „Iphigenie“ in’s Griechische wagen und vollenden konnte. Später zeichnete er sich in Leipzig als einer der ersten politischen Dichter aus. Sein „Osterlied für Europa“ begründete seinen Ruf. Seiner politischen Richtung wegen aus Leipzig ausgewiesen, suchte er in Stuttgart neuen Boden für seine literarische Wirksamkeit, aber ohne ihn zu finden. Arm und niedergedrückt kehrte er in die Heimath zurück. Das Glück hatte ihn ganz verlassen, und so verlor er sich selbst. Das Elend trieb ihn zur Trunksucht. Ob verunglückt, ob freiwillig in den Tod gegangen, – er war’s, den man als vierundsechszigjährigen Greis todt in einem Wassergraben bei Schulpforta gefunden. – Daß bei Adolf Böttger ebensowenig wie bei Alexander Rost der Zustand der Trunkenheit „ein permanenter“ gewesen, wie der Verfasser behauptet, widerlegt ein Blick auf ihre Werke. Rost’s Dramen athmen in der That einen anderen Geist, als von welchem Herr Albert Lindner ihn „permanent“ erfüllt sein läßt, und wenn Adolf Böttger nur seine deutsche Bearbeitung der Werke Lord Byron’s und nicht noch sechs Bände eigener lyrischer, epischer und dramatischer Dichtungen hinterlassen hätte, so müßte einem Kinde es einleuchten, daß solche umfassende Arbeiten auch lange Zeiten der Klarheit und Ruhe des Geistes erfordert hatten. Böttger ist nicht im Chausseegraben bei Naumburg, sondern in seinem Bette zu Gohlis bei Leipzig gestorben; er ist mit großem Ehrengeleite zu Grabe getragen worden; sein Grab schmückt ein schönes Denkmal mit seinem Medaillonbild und sein Geburtshaus eine Gedenktafel.
Auch dem alten Louis Böhner geschieht Unrecht; der geniale Mann war in der nicht leichten Kunst des Lebens ein Kind geblieben; er ergab sich wohl einem fröhlichen Genuß, wenn er ihm geboten war, aber ein „Trunkenbold“ erreicht schwerlich das dreiundsiebenzigste Jahr, wie er.
Mit welcher Gedankenlosigkeit Herr A. Lindner sein „Feuilleton“ hinwarf, dafür zeugt seine Schlußbehauptung, die das Leben seiner drei „Verschollenen“ noch vor die Eisenbahnzeit setzt. Böhner ist am 28. März 1860, Böttger am 16. November 1870, Rost am 15. Mai 1875 gestorben, und selbst Ortlepp entgeht jener Behauptung; denn ihn hat man am 14. Juni 1864 todt gefunden.
Ein Blick in das erste beste Conversationslexicon hätte den Verfasser und die Redactionen, welche das traurige Schriftstück zum Abdruck brachten, vor diesen – Irrthümern warnen können. Es geschah nicht, und so ist es Pflicht der Presse, die Wahrheit an das Licht zu stellen.
Pfänderspiele. (Mit Abbildung S. 232 und 233.) Der Satz, daß ein wahres Kunstwerk keiner Erläuterung bedarf, sondern durch sich selbst die Idee des Künstlers am deutlichsten wiedergiebt, trifft vor Allem bei Genrebildern zu, welche, wie das von uns heute im Holzschnitte reproducirte anmuthige von der Beek’sche Gemälde, mitten aus dem Volksleben der Gegenwart herausgegriffen sind. Wir brauchen uns ja nur an Selbsterlebtes zu erinnern, um die frohe Stimmung der im Schulzenhofe bei regnerischem Wetter versammelten Dorfjugend zu begreifen. Meister Theodor von der Beek hat schon mehrere derartiger trefflicher Volksscenen dem deutschen Publicum geschenkt. Wir erinnern nur an seine Gemälde: „Wallfahrer an der Fähre“, „Auf dem Heimweg“, „In Gedanken“ etc., die allgemeinen Beifall gefunden haben. Der Künstler, am 20. April 1838 zu Kaiserswerth als Sohn eines Bierbrauers geboren, wurde anfänglich zum Eintritt in das Geschäft des Vaters bestimmt, bezog erst in den Jahren 1856 bis 1866 die Akademie zu Düsseldorf und machte dann Studienreisen in ganz Süddeutschland, sowie in den Rheingegenden. Daß er aber beim Wechsel seines Berufes den richtigen Weg eingeschlagen, davon zeugt sicherlich unser heutiges Bild, welches unseren Lesern ohne Zweifel einen wirklichen Kunstgenuß bereiten wird.
W. H. in M. Gl. Sie lesen der Druckerei der „Gartenlaube“ energisch die Leviten, indem Sie sich darüber beklagen, daß dieselbe regelmäßig in unserem Blatte die Linien, welche die Columnen in zwei Spalten theilen, auf mindestens zwei, „sogar aber oft auch (!) auf drei bis vier Seiten“ fortläßt. Sie gerathen in eine gelinde Entrüstung über diese vermeintliche Nachlässigkeit unserer Druckerei. Das ist aber doch etwas vorschnell, Verehrtester; denn wenn Sie sich die Mühe genommen hätten, die Sache genauer in’s Auge zu fassen, so würden Sie gefunden haben, daß diese Linie stets auf der Rückseite einer Illustration – und zwar einzig und allein an solcher Stelle – fehlt; bei genauerem Nachdenken würden Sie ferner zu dem Schlusse gekommen sein, daß sie hier fehlen muß, und zwar, um den Bilderdruck durch ein störendes Durchschimmern nicht zu beeinträchtigen. Sie finden dieselbe Einrichtung bei sämmtlichen illustrirten Blättern. Also nicht so hitzig!
Amalie von W. Ihr Wunsch ist ja bereits in schönster Weise erfüllt: Zur häuslichen belehrenden und belustigenden Unterhaltung können Sie Kindern von zehn bis vierzehn Jahren nichts Besseres in die Hand geben, als J. Jentzsch’s „Kleines Experimentirbuch“, eine Sammlung physikalischer Experimente, Kunststückchen und Spiele, die ohne besondere Apparate, mit dem gewöhnlichen Haus- und Küchengeschirre auszuführen sind. Das Büchlein ist in Alfr. Oehmigke’s Verlag in Leipzig erschienen.
Abonnentin in Mähren (Oesterreich). Der Fall ist schlimm. Sie können nur durch sorgfältigste Ueberwachung des Knaben etwas erreichen. Suchen Sie sich sein vollstes Vertrauen zu erwerben, setzen Sie ihn daher nicht den andern Kindern gegenüber zurück, entziehen Sie ihm auch nicht erlaubte Genüsse, wohl aber beobachten Sie genau seinen Umgang, seine Neigungen, sein ganzes Thun und Treiben, und drohen Sie ihm bei einem etwaigen Rückfalle mit Entfernung aus dem elterlichen Hause! Der beschränkte Raum erlaubt uns hier nicht weiter auf den Fall einzugehen; wünschen Sie dies, so bitten wir um Ihre genaue Adresse.
Abonnent W. in Glauchau. Den Artikel „Der weiße Schrecken“ von Johannes Scherr finden Sie in Nr. 18 von 1866 der „Gartenlaube“.
H. G. in Rochester. In Köln a. Rh. giebt es drei täglich, also auch Sonntags, erscheinende Zeitungen.
Abonnent in L. Eingezogenen Erkundigungen zufolge finden sich in den Provinzen Sachsen und Brandenburg keine Findelhäuser.
B. L. in Danzig. Das in unserem Artikel „Institute für Körperwägungen“ erwähnte „Lebensbuch“ ist bei Theodor Fischer in Kassel erschienen.
Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist erschienen:
Der bekanntlich soeben verstorbene beliebte Mitarbeiter der „Gartenlaube“ bietet mit diesem Werke dem Publicum höchst interessante Mittheilungen aus dem altjüdischen Leben, welche in allen Kreisen ungetheilten Beifall gefunden haben und hiermit der Beachtung auf’s Neue empfohlen werden mögen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_240.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2024)