Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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No. 13. | 1882. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.
An der Spitze des nächsten Quartals wird die mit allseitigem Interesse erwartete vortreffliche Erzählung
ihren Platz finden, der sich mehrere kleinere Novellen, unter Anderm C. del Negro’s „Zwischen Vater und Sohn“, anschließen werden.
Außerdem liegen uns mannigfache werthvolle Aufsätze aus dem Leben der Zeit und der Wissenschaft vor, aus deren Zahl wir hier nur hervorheben: „Die deutschen Samariterschulen“ von Professor Esmarch (in Kiel), „Die Eröffnung der St. Gotthard-Bahn und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr“, „Der Canaltunnel zwischen England und Frankreich“, „Die Kettenschleppschifffahrt auf der Elbe“, „Die Magdeburger Börde“, sowie eine Reihe von Artikeln über die demnächst in Berlin zu eröffnende „Allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens“, für welche letzteren Beiträge wir eine Anzahl fachmännischer Autoren von hervorragender Bedeutung gewonnen haben. Auch werden wir in diesem Quartal eine Artikelreihe „Bilder von der deutschen Ostseeküste“ aus verschiedenen Federn, illustrirt von Robert Aßmus, eröffnen, wobei das Leben und die Wohnstätten der Deutschen in den russischen Ostseeprovinzen besondere Berücksichtigung finden werden.
Wir benutzen diese Gelegenheit zu der erfreulichen Mittheilung, daß unsere gefeiertesten Erzählerinnen: E. Marlitt und E. Werner, rüstig an der Arbeit sind. Jede von ihnen hat einen neuen Roman für die „Gartenlaube“ unter der Feder, und dürfen wir voraussichtlich noch in diesem Jahre auf die Fertigstellung dieser mit Spannung erwarteten Beiträge rechnen.
„Seltsam,“ meinte der Gutsherr, „da fällt mir ein, daß mir der Ortsvorsteher gestern von einem verdächtigen Subjecte sprach, das sich in der letzten Zeit hier in der Gegend umhergetrieben und allerlei Betrügereien und Spitzbübereien ausgeführt haben soll. Eine Art Taschenspieler, Bauchredner, was weiß ich, der unter anderem auch dem geizigen Hollerbauer drüben in Großdorf einen Schatz zu heben versprach, für den er ihm eine hübsche Summe ablockte. Der Aberglaube geht eben immer wieder auf dieselben Leimruthen, mit denen schon seit Jahrhunderten schlaue Vogelsteller ihre Gimpel fangen. Seit ein paar Tagen ist der Mann verschwunden und doch meint man, er könne noch nicht weit fort sein. Wäre er am Ende erkrankt und wäre er es –“
„O nein, o nein, Papa! Den kenne ich gut; der sieht ganz anders aus als der heimliche Gast – alt, dick und häßlich – nein, dem fällt man nicht so ohne Weiteres in die Arme – in die Arme, sage ich; denn ich hab’s mit meinen eigenen Augen gesehen, Papa.“
„Wie meinst Du das?“
„Heute kam Trine abermals durch den Garten an’s Fenster und pochte, Papa. Nach einer Weile trat die Tante mit ihr wieder heraus, und dann gingen sie dem Walde zu – und ich – ja es war eben nur Neugierde – ich wollte doch sehen – ich habe dann freilich nur durch den Nebel und ganz flüchtig gesehen, was vorging – und wenn auch nicht die Züge, so sah ich doch die Gestalt, die schon an der Thür wartete; ich hörte ganz deutlich, wie er sie ‚einen Engel‘ nannte und – nun ja, dann umarmten sie sich, Papa. Es ist doch nun einmal die Wahrheit – und warum sollte ich die nicht sagen?“
„Du spionirtest also?“ fragte ihr Vater, der ihr mit Befremden zugehört hatte, sehr ernst.
Sie schlug vor seinem Blicke die Augen nieder; sie sah auch nicht zu Edwin hinüber, dessen verlegene Winke den Strom so wenig einzudämmen vermocht hatten. Beschämt und doch trotzig, dem Weinen nahe, brach sie endlich in die entrüstete Anklage aus:
„Weil es abscheulich ist von der Tante, es mit zweien zugleich zu halten. Abscheulich! – Und weil ich nicht begreife, wie man selbst absichtlich die Augen schließen kann, um sich täuschen und verrathen zu lassen. Ich habe es Edwin schon heute Mittag gesagt, und jetzt ist sie ganz gewiß wieder dort – ganz gewiß! Wo wäre sie denn anders als bei ihrem heimlichen Gaste? O, das ist grundhäßlich von der Tante! Es empört sich alles in mir über solche Schlechtigkeit.“
„Geht nur zu den Dohnen und seht nach, ob sich etwas gefangen hat!“ sagte Franz finsteren Blickes und in einem Tone, der jeden Einwurf abschnitt. „Ich habe noch etwas in’s Reine zu bringen. Geht also! Geht!“
Damit schwenkte er ab und ließ die Beiden allein mit einander
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_201.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)