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Seite:Die Gartenlaube (1881) 763.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Drohung galt, stand blutroth und innerlich geärgert da und setzte in ihrer Verlegenheit und Beklommenheit eine ganz unnahbare Miene auf.

Sie hatte nicht vermeiden können, daß der Wagen sie neben Curt von Boddin zurückließ, und wie peinlich war es, so allein mit einem Gegner zu sein, den man am liebsten als nicht auf der Welt vorhanden betrachtete! Endlich raffte sie sich auf und ging unter stummer Verneigung gegen ihn, der mit verschränkten Armen dastand, zur Hausthür, um ihr Zimmer aufzusuchen. Sie fürchtete in diesem Augenblicke, er möchte sie ansprechen.

Curt folgte ihr mit den Augen, bis sich die Hausthür hinter ihr geschlossen hatte, dann wandte er sich kopfschüttelnd herum.

„Thörichtes Kind!“ sagte er zwischen den Zähnen.

(Fortsetzung folgt.)


Das Diamantengeschäft.

Die Diamanten-Fundstätten in Brasilien und die südafrikanischen Diamantfelder. – Das Steingraben. – Bodenpreise. – Arbeiterverhältnisse. – Der Diamant in Handel und Wandel. – Schleifereien in Amsterdam und London. – Die erste deutsche Diamantschleiferei zu Pforzheim. – Schleifoperationen. – Der Diamantenstaub. – Letzter Schliff. – Der Diamant in den Händen des Goldschmieds und des Händlers.

Liebe ist bekanntlich immer von Neugierde begleitet. Selbst Elsa im „Lohengrin“ kann sich nicht enthalten, den Geliebten nach dem Geburtsschein zu fragen. Auf Grund dieses alten Erfahrungssatzes von der Neugierde der Liebe dürfte man mit der Vermuthung nicht irre gehen, der von zahllosen Schönen feurig geliebte Diamant sei bezüglich seiner Geburtsstätte nicht selten das Ziel forschender Neugierde geworden. Würde aber der Diamant von einer liebenden Seele nach seiner Herkunft befragt, so könnte er mit gleichem Rechte wie Lohengrin erwidern, daß er aus fernem Lande stamme, nicht gerade „unnahbar Euren Schritten“, aber oft schwer zugänglich. Denn er findet sich unter Anderem auf der Halbinsel Dekan, auf den Inseln Borneo und Sumatra und am Ural. Am bedeutendsten sind aber für uns Europäer seine Fundstätten in Brasilien und Südafrika. In dem südamerikanischen Kaiserreiche ist das Stromgebiet des San Francisco seit mehr als hundert Jahren wegen seiner kostbaren Steine berühmt, und noch jetzt liefern die Provinzen Minas-Geraes und Bahia die schönsten Exemplare. Wenn wir aber die Minen nach der Menge der erzeugten Producte schätzen, so müssen wir unbedingt Südafrika den Preis zuerkennen. Alle Formen, welche der moderne Betrieb angenommen hat, haben sich dort in rascher Folge entwickelt, und deshalb sind die südafrikanischen Diamant-Verhältnisse einer flüchtigen Skizzirung werth.

Im Norden der Randgebirge von Südafrika dehnt sich eine ungeheure holz- und wasserarme Gegend aus, welche von dem Orangefluß durchströmt wird, dem viele Nebenflüsse nur in Regenzeiten Wasser zuführen. „Dry River“ (trockner Strom) ist ein sehr bezeichnender Name eines derselben, und daher sind armselige, Fonteine genannte Brunnen, in welche das Wasser hinuntersickert, für den Reisenden dieses Landstriches von der größten Wichtigkeit. In dieser Ebene, in dem Delta zwischen dem Orange- und Waalflusse, unter dem 43. Grad östlicher Länge und dem 29. Grad südlicher Breite, liegen die berühmten Diamantfelder, über 1000 Kilometer von der Capstadt entfernt.

Es ist nicht mehr als zwölf Jahre her, als in diesen Gegenden zuerst Diamanten gefunden wurden; denn ob die Edelsteine, welche vorher in die Seeplätze gelangten, von den „Diamond-Fields“ stammten, ist ungewiß. Erst gegen Ende der sechsziger Jahre brachte ein Boer aus dem Orange-Freistaate einen Diamanten in seinen Besitz, welcher einem Kinde als Spielzeug gedient hatte. Als er ihn in der Capstadt zeigte, wollte Niemand in dem ungeschliffenen Kiesel einen Diamanten erkennen, und selbst als man an der Natur des Steines nicht mehr zweifeln konnte und mehr Diamanten gefunden wurden, war man noch immer mißtrauisch. Man erinnerte sich vielmehr der Fabel von dem sterbenden Vater, der seinen Söhnen mittheilte, daß ein Schatz im Weinberge verborgen sei, und es wurde allgemein geglaubt, daß die angeblich gefundenen Diamanten nur künstliche Lockmittel seien, um jene Gegenden mit gewinnsüchtigen Einwanderern zu bevölkern. Aber seit 1870 war an dem factischen Diamantenreichthum jener Länderstriche nicht mehr zu zweifeln, und Tausende, Boers, Engländer, Amerikaner, Franzosen und Deutsche, trieb die heiße Gier, rasch ein Vermögen zu erwerben, in die öden Ebenen Südafrikas. Die Waal wurde schon einige Zeit vorher fast in ihrer ganzen Ausdehnung durchsucht, und zwar nicht nur der Ufersand, sondern auch das Flußbett; es geschah unter den unglaublichsten Entbehrungen und Schwierigkeiten, welche die ungeheuren Entfernungen noch steigerten. Die Ausbeute war indessen im Ganzen gering. Da veränderte sich mit einem Schlage die ganze Sachlage.

Südlich von dem Punkte, wo sich Hart und Waal mit einander vereinigen, breitet sich eine Ebene aus, deren aus röthlichem Sande bestehende Oberfläche an manchen Stellen von Eruptivgesteinen durchbrochen ist. Hier lagen drei, holländischen Boers gehörige Güter, Voruitzigt, Du Toit’s Pan und Bultfontein. Im Jahre 1870 verbreitete sich nun plötzlich die Nachricht, daß auf dieser sandigen Ebene Diamanten gefunden worden seien, und sofort verließ die größere Menge der am Waalflusse beschäftigten Bergleute ihre Arbeit und wanderte nach dem etwa 25 englische Meilen südwärts gelegenen Landstriche aus. Rasch entstanden die drei Gruben Du Toit’s Pan, Bultfontein und Old de Beer’s (de Beer ist der Name des früheren Besitzers von Voruitzigt), und bald darauf wurde eine vierte auf dem Besitzthume de Beer’s begonnen, welche sich in kurzer Zeit als bedeutendste erwies und heute unter dem Namen Kimberley allgemein bekannt ist; auch die folgenden Entdeckungen in Jagersfontein und Coffeefontein haben den Ruhm von Kimberley nicht zu verdunkeln vermocht.

Man erzählt sich in London interessante, stark übertriebene Einzelnheiten über Kauf- und Verkaufpreise dieser Landstrecken. Folgende Version ist jedoch wahrscheinlich die richtige: Englische Gesellschaften, welche die Natur des Bodens ahnten, kauften im Jahre 1869 für etwa 2000 Pfund Sterling Bultfontein und die Besitzung de Beer’s. Als ein Jahr später der Diamantfund bekannt wurde und die Bergleute zu Tausenden herbeiströmten, boten sie den Besitzern 10 Schillinge monatlich, wenn ihnen die Nachforschung nach Diamanten auf ihrem Boden gestattet würde. Die Eigenthümer verlangten 25 Procent aller gefundenen Steine, aber die Bergleute erwiderten im Gefühle ihrer numerischen Stärke, wenn sie die 10 Schillinge nicht annehmen wollten, würden sie ihnen gar nichts geben. Die Eigenthümer wandten sich an den Orange-Freistaat – vergebens; denn derselbe war zu schwach, um entschieden eingreifen zu können. Darauf wurde die englische Regierung am Cap um Regelung der Verhältnisse ersucht, und diese nahm die Aufforderung begierig an; sie bewies dem Orange-Freistaat, daß das Land zu England gehöre, bezahlte aber dennoch der Republik einige tausend Pfund Sterling und kaufte darauf Kimberley für 100,000 Pfund Sterling an.

Inzwischen hatten die Bergleute ihre Thätigkeit längst begonnen. Der rothe Sand verführte sie zu dem Glauben, daß sie, wie es in anderen diamantreichen Gegenden der Fall ist, nur einige Fuß tief zu graben hätten, um die kostbaren Steine zu finden. Die ganze Oberfläche wurde deshalb von ihnen in Quadrate von etwa 900 Quadratfuß eingetheilt und Jedem die Bearbeitung eines Antheils gestattet. Aber man hatte sich getäuscht; denn nachdem man den Sand beseitigt, stieß man zunächst auf eine Kalkschicht, unter welcher sich erst das Diamanten enthaltende Sedimentärgestein befand. Daher werden die Schachte gegenwärtig immer tiefer, und haben einige bereits eine Tiefe von über 100 Metern erreicht. Die Masse, welche Diamanten enthält, wird losgesprengt, mit Hämmern zerschlagen, an die Oberfläche gebracht, dem Einflusse der Sonne ausgesetzt, welche die Zersetzung bald rascher, bald langsamer bewirkt, und endlich gewaschen.

Man kann sich leicht vorstellen, welchen Schwierigkeiten die Arbeiter begegneten. Da sie das ganze Feld in kleine, neben einander liegende Quadrate vertheilt hatten, mußten Wege und Servituten geschaffen werden. Dabei mangelte es an Maschinen, um das Gestein an die Oberfläche zu schaffen. An vielen Orten fehlte es an Aufbereitungsplätzen, und diese mußten nun außerhalb des Grubenfeldes in größerer Entfernung erst hergerichtet werden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_763.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)