Verschiedene: Die Gartenlaube (1881) | |
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Sehr lehrreich in dieser Beziehung sind Experimente, welche Panceri an der leuchtenden Seefeder (Pennatula phosphorea) des mittelländischen und atlantischen Oceans gemacht hast. Dieses zusammengesetzte Thier gleicht einer Vogelfeder mit dickem, schöngeschwungenem Schaft, welches auf beiden Seiten statt der Federbacken Fiedern mit leuchtenden Polypen trägt. Hierbei läuft nun das Aufleuchten der einzelnen Thiere, wenn die Colonie an einem Ende gereizt wird, so langsam von Nachbar zu Nachbar, daß zwei Secunden vergehen, ehe sämmtliche Thiere ihr Licht leuchten lassen. Da sich der Reiz in den Nerven der Wirbeltiere im Durchschnitt sechshundert mal so schnell fortpflanzt und bei diesen wie vielen anderen Leuchtthieren überhaupt noch keine Nerven entdeckt worden sind, so darf man die Nerventhätigkeit durchaus nicht als einen notwendigen Factor bei dem Leuchten ansehen ebenso wenig wie man in diesen niederen Regionen des Thierreiches auf eine bewußte Willensthätigkeit beim Leuchten rechnen darf. Dieses erfolgt eben als Antwort auf irgend welchen äußeren oder inneren Reiz, und möglicher Weise besteht die ganze Wirkung dieses Reizes darin, daß das Leuchtorgan in Folge desselben eine kleine Menge der Leuchtsubstanz mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung treten läßt.
Auf diesen Punkt deutet auch die nicht selten vorkommende unmittelbare Verbindung der Leuchtorgane mit den Athmungswerkzeugen hin. Beim Johanniswürmchen treten die letzten Endungen der Luftröhrenäste (Tracheen) mit in den Leuchtorganen liegenden sternförmigen Zellen in Verbindung, die dadurch gestielt erscheinen. Das leuchtende Fett dieser Zellen, welches nach Panceri's Untersuchungen durchaus keine Eiweißstoffe enthält, wird dadurch gleichsam wie die glühenden Kohlen eines Rostes von einem Sauerstoffstrome angeblasen, und man kann sich denken, daß in Folge der großen Menge eintretender Tracheenäste die mit Leuchten verbundene langsame Verbrennung dieser Fettkörper jene Intensität erreicht, die uns den unvergleichlichen Anblick der fliegenden Sterne bei den Männchen einer unserer Arten verschafft. Möglichenfalls besteht also die Folge dieser Erregung des Leuchtorgans hier nicht in der Befreiung des Leuchtstoffs, sondern in der gesteigerter Sauerstoffzufuhr. Zu ähnlichen Betrachtungen führt die vorhin erwähnte Nacktschnecke, deren ganze Oberhaut, wie der gestirnte Himmel, mit Leuchtzellen bedeckt ist. Diese Schnecke ist ausnahmsweise kiemenlos, und ihre gesammte Oberhaut dient hier als Athmungsorgan , sodaß die Leuchtszenen sich auch hier an dem Orte des energischesten Gasaustausches befinden.
Nach alledem muß die ältere Meinung, daß es sich hier gerade wie beim Leuchten des Phosphors und der im vorigen Artikel erwähnten Pilze um die Oxydation und langsame Verbrennung eines vom Körper ausgeschiedenen Stoffes handle, von Neuem betont werden, und es ist dabei gleichgültig, ob der durch äußere Reize und innere Wirkungen angefachte psychologische Vorgang im gegebenen Falle darin bestehst daß die Leuchtsubstanz aus den Vorrathsorganen herausgedrückt und dadurch in Berührung mit dem in der Luft oder im Wasser enthaltenen freien Sauerstoffe gebracht wird, oder ob dem aufgespeicherten Stoffe in seinen durchsichtigen Behältern durch den Athmungsproceß selbst Sauerstoff zugeführt wird. Es tritt nun an uns die Frage heran: ist wirklich ein phosphorhaltiger Stoff als Grundlage des Leuchtprocesses anzunehmen? Schon vor mehreren Jahrzehnten wies Gmelin in seinem großen Handbuche der Chemie wiederholt darauf hin, daß die Leuchtstoffe der Pflanzen keinen unoxydirten Phosphor enthalten und daß man annehmen müsse, es handle sich hier um organische Kohlenstoffverbindungen die sich bei der langsamen Verbindung mit Sauerstoff gerade wie Phosphor verhalten.
In der That hat man mit der Zeit eine Menge phosphorfreier organischer Verbindungen entdeckt, die bei höheren Temperaturen (über 150 Grad C.) im Dunklen leuchten. Dazu fügte im Jahre 1877 der Lemberger Professor Dr. Radziszewski die Beobachtung, daß das Lophin und einige andere organische Verbindungen schon bei 10 Grad C. sehr stark und anhaltend leuchten, wenn sie in Berührung mit Alkalien der Einwirkung der Luft ausgesetzt werden. Derselbe hat diese interessanten Studien fortgesetzt und, wie er vor einigen Monaten in Liebig’s „Annalen der Chemie“ mittheilte, eine große Menge organischer Substanzen entdeckt, die sich in alkalischer Auflösung schon bei niedrigen Temperaturen unter lebhafter und andauernder Lichtentwickelung mit dem Sauerstoffe verbinden. Dahin gehört die Mehrzahl unserer ätherischen und fetten Oele, und alle höheren Glieder der sogenannten Alkoholreihe, zu denen Wachs, Walrath, Cholesterin (Gallenfett) und andere im Pflanzen- und Thierkörper häufig auftretende Stoffe gehören. Dasselbe gilt auch von einigen Körpern deren chemische Natur noch nicht so genau erkannt ist, um sie einer bestimmten chemischen Gruppe zuzutheilen, die aber im Thierkörper häufig vorkommen, wie die Gallensäuren (Glycochol-Taurochol-Cholsäure) und die im thierischen Gehirn, Eiweiß, in den Nerven, Blutkörperchen etc. vorkommenden Protagonstoffe (Lecithin und Cerebrin). Wenn man ein wenig Leberthran oder einen Körper der höheren Alkoholreihe, oder einen der letztgenannten Stoffe in Benzol, Toluol, Ligroin oder Chloroform auflöst und ein Stückchen Aetzkali oder Aetznatron hinzusetzt, so leuchtet die Mischung bei gewöhnlicher Temperatur tage- und wochenlang, so oft man sie umschüttelt, und noch stärker, wenn man sie ein wenig erwärmt.
Obwohl nun alle die letztgenannten Stoffe im lebenden Körper vorkommen, so würde doch die zum Leuchten gehörige Gegenwart von Alkalien der Erklärung Schwierigkeiten bereiten; denn freies Kali, Natron oder ein anderes unorganisches Alkali kann nicht leicht als in den Leuchtorganen gebildet gedacht werden. Hier hat nun Professor Radziszewski seine Theorie der Phosphorescenz organischer Körpern vollendet, indem er zeigte, daß die Gegenwart in organischer Körpern vorhandener zusammengesetzter Alkalien das Leuchten ebenso gut hervorrufen kann, so z. B. das in der Galle, im Gehirn und Eidotter fertig gebildet vorkommende Cholin oder das durch Zersetzung der Gehirn- und Nervensubstanz entstehende Neurin. Löst man ein wenig Lophin, Leberthran, Protagon, Walrath etc. in Alkohol oder Toluol und setzt einige Tropfen Cholin- oder Neurinlösung hinzu, so leuchtet die Mischung schon bei 10 Grad Celsius und noch stärker bei gelindem Erwärmen. Da es sich in vielen dieser Fälle um im tierischen und pflanzlichen Organismus allgemein verbreitete Stoffe handelt, so wäre damit das Leuchten dieser lebenden Wesen ohne alle Schwierigkeit erklärt.
Die Identität dieses durch einfache chemische Processe hervorgerufenen Leuchtens mit demjenigen lebender Körper wird noch durch viele andere Uebereinstimmungen wahrscheinlich gemacht. So hat die spectroskopische Untersuchung ergeben daß die Lichtqualität der genannten Chemikalien bei ihrer langsamen Verbrennung völlig derjenigen der Leuchtpflanzen und -thiere gleich ist. Es ist in der weitaus größter Mehrzahl der Fälle ein weißgrünliches Licht, welches im Spectroskope einen Farbenstreifen zeigt, dem sowohl das rote als das violette Ende mehr oder weniger vollständig fehlen. Ferner muß man sich erinnern, daß die meisten Beobachter die Leuchtsubstanzen als Fettstoffe charakterisirt haben und daß gerade diese zu den am leichtesten und stärksten leuchtenden gehören. Auch ist aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen, daß die Berührung der Leuchtorgane mit alkalischen Substanzen den Leuchtproceß zur höchsten Energie steigerte.
So beobachtete Professor Panceri an der mehrerwähnten Leuchtschnecke (Phyllirhoë), daß die Lichterscheinung am glänzendsten wurde, wenn er sie im Dunklen mit Ammoniak übergoß. Dann erglänzte der ganze Körper des Thieres, der rings mit Leuchtzellen bedeckt ist, im herrlichsten bläulichen Lichte, während elektrische Reize bei diesem Thiere ganz wirkungslos waren. Professor Radziszewski hat auch einen Versuch angestellt, um zu ermitteln, wie viel organische Substanz und wie viel Sauerstoff bei diesem Leuchten der langsam verbrennenden organischen Substanz verbraucht werden möchte. Er löste 1,82 Gramm Lophin in fünfundzwanzig Cubikcentimetern concentrirter alkoholischer Kalilösung auf, und es zeigte sich, daß dieselbe zwanzig volle Tage und Nächte in ihrer ganzen Masse leuchtete, ja daß noch am fünfundzwanzigsten Tage ein schwaches Leuchten vorhanden war.
Nimmt man an, daß die gesammte angewandte Lophinmenge in diesen zwanzig Tagen zersetzt worden sei, so folgt, daß für die Stunde 0,00379 Gramm Lophin und 0,000607 Gramm Sauerstoff (also ganz winzige Mengen) nöthig waren, um die fünfundzwanzig Cubikcentimeter Flüssigkeit leuchtend zu erhalten. Man kann darnach berechnen, wie verschwindend klein der Verbrauch eines Leuchtkäfers etc. in seiner kurzen Glanzzeit sein mag.
Die Betrachtung dieses Leuchtprocesses durch langsame Oxydation der Kohlenstoffverbindungen erweckt nun noch ein besonderes Interesse dadurch, daß sie eine fast vollständige Analogie mit dem Leuchten des Phosphors in anderer Beziehung darbietet. Wenn man Phosphorstangen mit feuchter Luft in ein Gefäß bringt, das
mit einer Glasglocke zugedeckt ist, so bemerkt man, daß während
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_731.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2022)