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Seite:Die Gartenlaube (1881) 520.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ein deutscher Prediger, Konrad Waldhauser, dieses zündende Wort in die Massen. Ein Czeche, Johannes Huß, übertrug es in’s Slavische. In seiner Rede zitterte eine Vorahnung der Reformation. Aber groß in allen religiösen, war Huß kleinlich, niedrig in allen nationalen Fragen; er vermochte sich nicht zur Entäußerung nationaler Einseitigkeit aufzuschwingen. Er suchte Roms Autorität zu stürzen, aber er setzte einen andern Götzen auf den Thron: den nationalen Terrorismus. Er predigte Haß gegen alles Deutsche im Lande, und an der Universität entfesselte er wilde Stürme. Vergeblich boten die Deutschen einen Ausgleich an – der Adel, das niedere Volk, der König, dieser schwächliche Wenzel, ein deutscher Kaiser, mit dem die czechische Aristokratie Fangball spielte, waren wider sie.

Neun Zehntel der Besucher der Hochschule waren Deutsche, und die Czechen verlangten die Herrschaft über dieselben; sie forderten drei Viertel aller Stimmen in den die Geschicke der Universität entscheidenden Collegien. Da eilten deutsche Professoren in die Gemächer des Königs. Umsonst! Er hatte seine Unterschrift bereits den czechischen Wortführern verpfändet, und schon waren die Deutschen als „Fremde“ erklärt, denen „kein Recht zustehe in Böhmen zu herrschen“.

Die Deutschen schworen Widerstand. Noch ein Vorschlag wurde zum Ausgleiche gemacht: die Deutschen empfahlen die Trennung der Universität, aber damals, wie heute, wollten die Czechen die Gleichberechtigung der Deutschen nicht zulassen. Sie verlangten die Alleinherrschaft.

Eines Tages, am 9. Mai 1409, rasselte das Universitätsthor und fiel knarrend nieder in’s Schloß. Bewaffnete waren eingedrungen. Dem alten Rector Henning von Baltenhagen wurden die Universitätskleinodien abgenommen, das Siegel, die Matrikel, die Schlüssel, die Bibliothek, die Cassen. Wilde Rufe ertönten, und die Schergen der königlichen Gewalt schritten ein. Nicht lange darauf wurde den Pragern ein eigenthümliches Schauspiel.

Zu Pferd, zu Wagen, zu Fuß wallten singend die Studenten vor die Thore, an ihrer Spitze die Magister Vincenz Gruner, Otto von Münsterberg und Johann Hofmann. Die Deutschen ließen die Hochschule im Stiche. Die Mehrzahl zog nach Leipzig, wo bald eine neue Stätte für das Wort der Wissenschaft erstand.

So wurde die Prager Universität czechisch. Als erstes Zeichen des Triumphes flackerten die Acten in Flammen auf, welche den deutschen Charakter der Hochschule verbrieft hatten – aber die Lehrsäle verödeten. Man riß sie ein, um die Erinnerung zu bannen, daß hier einst Tausende von Hörern den Lehren Plato’s und Aristoteles’ gelauscht hatten. Das Land wurde von den blutigen Schauern des Hussitenkrieges geschüttelt, während die Hochschule das Gespötte aller Denkenden wurde. Da war nun allerdings Rath, wie die verfallene Anstalt wieder emporzuheben sei, theuer. „Laßt die Deutschen wiederkommen!“ verlangten später selbst czechische Fanatiker. Aber Jahre mußten in’s Land gehen, ehe der germanische Geist wieder Besitz nahm von der Universität.

Deutsche Männer lehrten von den Kanzeln das Wort der Reformation, und an ihrem glühenden Eifer entzündete sich jener fürchterliche dreißig Jahre währende Krieg, der Deutschland in Nacht und Elend senkte. Die Sturmglocke der Prager Universität hatte ihn eingeläutet. In den Sälen der Aula versammelten sich zu Beginn des Jahres 1618 die deutschen Prediger, sowie der Adel des Landes unter Führung deutscher Cavaliere, um den Widerstand bis auf’s Messer zu beschließen, und die studirende Jugend assistirte. Aufrührerische Schaaren wogten zum Schlosse empor, um hier die Statthalter des Kaisers dem Tode zu weihen, aber drei Jahre später zog der Kaiser als Sieger und Rächer in die Stadt. Etwa hundert Schritte von der Universität fielen die Häupter der Führer des Aufstandes – unter ihnen mancher deutsche Lehrer der Hochschule. Nun wurden die Jesuiten Herren der Hochschule, und jede geistige Regung wurde unterdrückt, aber in Joseph dem Zweiten erstand ein Befreier, so daß der gebannte deutsche Geist wieder seine Einkehr halten konnte. Erzürnt verließen die Jesuiten die Hochschule, und in einem der Höfe der Universität loderte ein Scheiterhaufen auf – er verzehrte den Schatz einer Bibliothek von Ordensbüchern. Kein profanes Auge sollte in ihnen die Mittel kennen lernen, mit denen der flüchtige Orden Jesu die Geister der Menschen in Nacht und Nebel zu halten verstand.

Bis in unsere Tage ist sodann die Hochschule deutsch geblieben. Glänzende Namen sind in ihre Ehrenbücher eingegraben, und die hervorragendsten Kämpfer für deutsches Recht in Oesterreich, Herbst, Haßler, Braiz, gehören zu ihren Zierden. Heute, ähnlich wie vor fünf Jahrhunderten, bildet der Kampf um die Prager deutsche Hochschule nur die Einleitung zu einem Vernichtungsschlage gegen alles deutsche Wesen in Böhmen, aber diesmal gefährdet der Schlag auch das Deutschthum in ganz Oesterreich.

Wahrlich, nicht selten fehlten Mittel und Gelegenheit, in dieser langen Epoche dem Deutschthum auf österreichischem Boden zu dauerndem Siege zu verhelfen, aber wie ein Verhängniß schwebt über diesen Landen der Mangel jeglicher Erkenntniß für das, was in entscheidenden Wendepunkten Land und Volk noth thut. Seit Joseph der Zweite im Glanze männlicher Tüchtigkeit erlegen, hat der Gedanke eines geschlossenen, einheitlichen Oesterreich wohl eine Schaar getreuer, deutschfühlender Anhänger begeistert, nie aber den „ererbten Uebelstand“ eines Regierungssystems zu besiegen vermocht, das mit kleinlichen Mitteln um den Erfolg des Augenblicks streitet. So ist der Jammer des römisch-deutschen Reiches, das in Deutschland vernichtet worden, in Oesterreich zu neuem Leben erwacht. Die Theile erstarken auf Kosten des Ganzen, und gemeinsam ist ihnen schließlich nur Unglück und Niederlage. In den Kämpfen, welche die Deutschen um ihre Hochschule führen, tritt der volle Gegensatz germanischer und slavischer Welt aus die Bühne. Aber die Deutschen werden ihre ihre Waffen nicht in feiger Verzweiflung senken. Was auch immer die Zukunft bringen möge, eingedenk ihrer Pflicht werden sie Wacht halten überall in Oesterreich, wo sie eine Stätte gefunden, Wacht für den nationalen Gedanken, Wacht für die edlen Bestrebungen von Bildung und Freiheit. Nicht darum ist die deutsche Einheit erstritten worden, damit Millionen Deutscher in Oesterreich der ihnen gebührenden Stellung verlustig würden – nicht darum wurde das Bündniß zwischen Oesterreich und Deutschland eingegangen, damit Deutschlands treueste und einzige Freunde in Oesterreich einen verzweifelten Kampf um ihre nationale Existenz führen sollen. Nein! Hoch und Niedrig in Deutschland begleiten mit ihren die Sicherheit des Erfolges verbürgenden Sympathien den Kampf, welchen die deutschen Stammesgenossen in Oesterreich führen; sie gedenken der Sorge, des Kummers ihrer Brüder und theilen mit ihnen die Hoffnung, daß der umwölkte Horizont weichen und heiterem Himmel, Zeiten des Glückes wieder Raum geben werde.




Blätter und Blüthen

Was sind Narren auf Bäumen? Zur Beantwortung dieser vielfach an uns gerichteten Frage geben wir im Nachstehenden unserm langjährigen Mitarbeiter Herrn Hofgärtner H. Jäger[WS 1] das Wort. Derselbe schreibt uns: „Die sogenannten Narren oder Taschen der Pflaumen- oder Zwetschenbäume, welche in manchen Jahren statt genießbarer Früchte wachsen und die erhoffte Ernte vernichten, sind Gebilde von bis 25 bis 40 Millimeter Länge und 25 Millimeter Breite, zusammengedrückt gleichsam gepreßt, wachsartig von Ansehen, gelblich mit rostfarbigen Flecken. Ueber die Entstehung derselben giebt es verschiedene Ansichten. Früher nahm man an, daß die Taschen Zellenbildungen wären, wie Galläpfel, durch den Stich eines gewissen Insects hervorgebracht. Man meinte ferner, daß die Insectenbrut den sich ausbildenden Fruchtknoten verzehrte, sodaß nur die Fleischumhüllung, welche im normalen Verlaufe den eßbaren Theil der Frucht bildet, fortwachse, aber, weil die eigentliche Frucht (der Kern) fehlt, jene abnorme Form annehme. Gewiß ist indessen, daß in den Taschen nur ein verkümmerter Ansatz vom Kerne vorhanden ist. Neuerdings nimmt man nun aber an, daß diese Mißbildung in Folge einer Pilzart (Exoascus Pruni) entstehe, in derselben Weise wie das bekannte Mutterkorn. Wir leben nun einmal in dem Zeitalter der Pilze, in welchem die ansteckenden Krankheiten und fast alle organischen abnormen Wucherungen winzig kleinen Pilzen zugeschrieben werden. Hat man doch in neuester Zeit selbst die Entstehung der Hexenbesen aus Kirschen, Birken und Weißbuchen auf einen Pilz (Exoascus Wiesneri) zurückgeführt.

Die Streitfrage, ob die Pilze Ursache oder nur Folge der Erkrankung sind, wird wohl nie sicher entschieden werden. Andere meinen, die Pilze stellen sich erst ein, wenn das Zerstörungswerk durch die Krankheit ihnen vorgearbeitet hat. Kinder naschen gern von den Pflaumentaschen, aber es bekommt ihnen in der Regel schlecht, wenn auch der Genuß nicht tödtlich ist, wie der des Mutterkorns. Mittel zur Verhütung der Taschen giebt es nicht. Man kann jedoch die Wiederkehr erschweren, wenn man alle abgefallenen Taschen sammelt und tief in die Erde vergräbt. Es müßte dann aber von allen Baumgartenbesitzern der betreffenden Gegend geschehen.“



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: J. Jäger
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_520.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)