Verschiedene: Die Gartenlaube (1881) | |
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jetzt dem Studium der deutschen Literatur hin. Ein Exemplar von Schiller’s Werken ließ er sich von einem schottischen Schiffsherrn besorgen; Goethe’s „Wilhelm Meister“ fand er auf der Edinburgher Universitätsbibliothek. Dieses, als das Evangelium harmonischer Lebensbildung, machte einen großen Eindruck auf ihn; immer mehr reifte in ihm der Plan, sich dem literarischen Beruf zu widmen, den er stets im höchsten priesterlichen Sinne auffaßte. In Edinburgh, wo eine so angesehene Zeitschrift wie die „Edinburgh Review“ erschien, wo sich um den gefeierten Walter Scott viele jüngere Dichter sammelten, fehlte es nicht an den lebendigsten Anregungen. Carlyle trat mit Abhandlungen über französische Schriftsteller, über Montesquieu und andere, ja mit mathematischen Essays auf; dann aber, und fast ein Jahrzehnt hindurch, war er in Artikeln, in selbsständigen Werken, in Uebersetzungen und Sammlungen unermüdlich thätig für die Propaganda der deutschen Dichtung in England: eine Thätigkeit, die für seine Weltanschauung und sein Schaffen von durchgreifender Bedeutung werden sollte.
Im Jahre 1824 erschien zuerst seine Uebersetzung von Goethe’s „Wilhelm Meister“, dann sein „Leben Schiller’s“: so begann er mit einer Huldigung für unsere beiden dichterischen Dioskuren. Die Uebersetzung war ebenso vortrefflich wie die Biographie, obschon beide damals nicht nach Verdienst anerkannt wurden, da die englische Kritik von deutscher Dichtung noch eine geringschätzige Meinung hegte; erst Carlyle und die Nachstrebenden brachen einem gerechteren Urtheil, der Begeisterung und Bewunderung des jüngeren Geschlechtes die Bahn. Noch lebte damals der hochbejahrte Olympier in Weimar und freute sich, wenn das Gewölk, das ihn umgab, auch für die anderen Nationen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_277.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)