Verschiedene: Die Gartenlaube (1881) | |
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und ihrerseits auch auf die durch jenes Gesetz noch zugelassene Beibehaltung der Schlachtsteuer verzichten konnte.
In Folge des Ausfalles dieser beiden Steuern seit dem 1. Januar 1876 in der Höhe von 3,379,293 Mark und der von Jahr zu Jahr immer mehr wachsenden Bedürfnisse der städtischen Verwaltung, ist dann allerdings bereits im Jahre 1875 80 Procent Zuschlag zur Staatseinkommensteuer erhoben worden, ein Satz, der bekanntlich seitdem mit den steigenden Ansprüchen sich auf 100 Procent erhöht hat. Aber jetzt erhält er sich schon jahrelang auf dieser Höhe, und die überaus gewissenhafte Art der Etatsaufstellung, wie solche sich seit Einführung dieser Steuer bei Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung herausgebildet hat, stellt einen Hauptvorzug der direkten Besteuerung klar vor Augen.
Jetzt erhebt nun Fürst Bismarck den Vorwurf gegen die Stadtbehörden, daß sie damals den Verzicht auf die Schlachtsteuer ausgesprochen und nicht statt dessen lieber die Miethssteuer aufgehoben, und bewundert die Geduld der ärmeren Bevölkerung, die diese Steuer so lange ertragen. Er übersieht dabei vollständig, daß die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer als Staatssteuer von einer Regierung durchgeführt wurde, in welcher er selbst den Vorsitz führte, und daß somit die Stadtbehörden, wenn sie geirrt, in seiner Gemeinschaft geirrt haben, indem sie annahmen, daß dieselben volkswirthschaftlichen Gründe, die gegen diese Steuer als Staatssteuer, auch gegen die Fortdauer derselben als Gemeindesteuer sprechen. Fürst Bismarck beachtet dabei noch einen Punkt nicht: über 50 Procent des Gesammtertrages dieser Steuer erforderte der Controll-Apparat für ihre Erhebung; den Consumenten ward also 50 Procent mehr Steuer abgenommen, als wirklich in die Staats- und Stadtcasse floß. Diesen ganzen Apparat hätte die Stadt auf ihre Kosten lediglich zur Erhebung der Schlachtsteuer übernehmen müssen, wobei sich der Procentsatz wahrscheinlich noch ungünstiger gestellt hätte, da jetzt nur eine einzige Steuer und in weit geringeren Beträgen zur Erhebung gekommen wäre als früher; außerdem hätte übrigens der entsittlichende Schmuggelhandel mit unversteuertem Fleisch jedenfalls fortbestanden, während jetzt die gesammten Erhebungskosten der direkten Steuern noch nicht ganz 0,8 Procent vom Brutto-Ertrag der Steuern betragen und Defraudationen kaum vorkommen können.
Was aber speciell die Miethssteuer betrifft, so ist ihre Erhebung so einfach wie möglich, da ihr Betrag sich nach der Höhe der wirklich gezahlten Miethe richtet; nur für die Wohnungen der Hauswirthe und die Dienstwohnungen muß natürlich eine Einschätzung eintreten, welche die im Ehrendienst der Stadt stehenden Servisverordneten vornehmen. Bismarck’s Vorwürfe, daß diese bei der Einschätzung der Dienstwohnung des Kanzlers zu hoch gegriffen, haben die Stadtbehörden in ihrer Petition an den Reichstag siegreich zurückgewiesen. Was aber die Bürgerschaft angeht, so hat diese die Miethssteuer stets willig getragen; eine Opposition hat sich nur dagegen geltend gemacht, daß der Steuersatz für alle Wohnungen ein gleicher ist und daher allerdings diejenigen, die zu ihrem Geschäft oder Gewerbe größere Räume bedürfen, im Verhältniß zu ihren nur von Renten- oder Börsengeschäften lebenden Mitbürgern stärker betroffen werden. Im Uebrigen aber hat, obschon die Nationalökonomen darüber streiten, die Miethssteuer für Berlin entschieden den Charakter einer Einkommensteuer, da doch so ziemlich jeder Miether eine seinem Einkommen entsprechende Wohnung wählt.
Aber auch der weitere Vorwurf des Reichskanzlers, daß, wenn die Miethssteuer diesen Charakter trägt, Berlin seine Einwohner mit zu hohen Sätzen, mit mehr als 200 Procent Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer treffe, erweist sich bei näherer Betrachtung als unbegründet; denn nach genauen Berechnungen ergeben Miethssteuer und städtische Einkommensteuer zusammengerechnet höchstens 150 bis 160 Procent Zuschlag zur Staatseinkommensteuer, während viele Städte Preußens, namentlich im Westen, die keine Miethssteuer haben, 200, 300, ja bis 600 Procent Zuschlag zur Staatseinkommensteuer erheben müssen, ein Beweis dafür, daß das so hart verurtheilte Finanzsystem Berlins seinen Bürgern weniger Lasten auferlegt, als das vieler anderer Städte. Das ist um so mehr anzuerkennen, als Berlin nicht, wie manche ältere Städte, einen erheblichen Antheil der Ausgaben aus dem eigenen Vermögen, aus Gütern, Wäldern etc., dem sogenannten Kämmereivermögen, ziehen kann.
Die Gesammtnetto-Einnahme aus der Kämmereicasse war in Berlin 1876 nur 394,100 Mark = 1 ½ Procent der Gesammteinnahme, dagegen fließen aus einem Unternehmen gesammtwirthschaftlichen Charakters der Stadt, aus den städtischen Gaswerken, sehr erhebliche Gewinnüberschüsse dem Etat zu; dieselben betrugen 1876 bereits 2,526,460 Mark, 1880 bis 1881 schon 3,648,462 Mark, obgleich den Privatconsumenten das Gas zu einem billigeren Preise als in irgend einer Hauptstadt abgelassen wird, nämlich zu 16 Pfennig für den Cubikmeter; die englische Gesellschaft berechnete dagegen, als sie bis 1846 noch im Besitze des ihr von dem Polizeipräsidium 1825 einseitig verliehenen Monopols war, 35 Reichspfennig für das gleiche Quantum Gas.
Den letzten Betrag der städtischen Einnahmen bilden Dotationen und Renten, welche ihren Ursprung wesentlich den früher hier in Berlin vorzugsweise in einander verzwickten Verpflichtungen des Staates und der Commune verdanken. Theils wurden derartige Verpflichtungen des Staates schon früher durch Vergleiche in Geldrenten verwandelt, theils trat dies im Jahre 1873 in Folge des Gesetzes über die Dotationen der Provinzialverbände ein, theils erst durch den Vertrag vom December des Jahres 1875. Kraft desselben, der erst nach jahrelangen und mühevollen Verhandlungen zu Stande kam, übernahm die Stadt für ihre Rechnung die bis dahin noch dem Fiscus obliegende Straßen- und Brückenbaulast, während der Staat das Eigenthum der Stadt an ihren Straßen ausdrücklich anerkannte und derselben zugleich die örtliche Straßenbaupolizei, letztere allerdings nur widerruflich, in Gemäßheit des Paragraph 62 der Städte-Ordnung, übertrug. Die Communalbehörden waren sich bei Abschluß dieses Vertrages dessen vollkommen bewußt, daß die Rente von 556,431 Mark, welche der Staat für die Befreiung von der ihm bis dahin obliegenden Baulast übernahm, nicht entfernt ausreichen werde, um die Unterhaltung der Straßen und Brücken in einer den heutigen Verkehrsverhältnissen entsprechenden Weise zu bewirken. Aber sie wollten auch um den Preis bedeutender Opfer auf ein so wesentliches Stück der Selbstverwaltung nicht verzichten; sie wollten die Beschaffenheit ihrer Verkehrsmittel nicht ferner von den Bewilligungen des Finanzministers abhängig machen.
Je mehr aber die Stadt allmählich Herrin ihres Eigenthums wurde, desto mehr hat sie es auch verstanden, aus Befugnissen, welche vordem die Staatsbehörden einseitig vergaben, sich neue Einnahmequellen zu schaffen. Wir gedachten bereits des Umstandes, daß das Polizeipräsidium 1825 einer englischen Gesellschaft das Monopol für den Gasverkauf einräumte; jetzt, da die Stadt selbst die Herstellung übernommen und jenes Monopol längst erloschen, fließen aus dieser Einnahmequelle über drei Millionen in den Stadtsäckel. Der Polizeipräsident Hinckeldey verfügte 1852 über die Wasserversorgung der Stadt zu Gunsten einer englischen Gesellschaft, sodaß die Gemeinde genöthigt war, um dieses Privilegium, mittelst dessen nur ein Theil der Stadt mit Wasser versorgt wurde, zu beseitigen, die Wasserwerke der Engländer zu Ende des Jahres 1873 für über 25 Millionen Mark anzukaufen. Da sich sofort die Nothwendigkeit großer Erweiterungsbauten ergab, so liefert dies Unternehmen einen Ueberschuß bisher nicht. Dagegen fließt der Stadt jetzt ein Pachtgeld für die sogenannten Litfaß- oder Anschlagesäulen zu, welche Hinckeldey ebenfalls in der willkürlichsten Weise an einen einzelnen Unternehmer, den verstorbenen Buchdrucker Litfaß, fast ohne jede Gegenleistung vergeben hatte.
Zu einer sehr erheblichen Einnahmequelle aber versprechen nunmehr die gegenwärtig in immer größerer Ausdehnung die Stadt durchziehenden Pferdebahnen für den Stadtsäckel zu werden. Bei ihrer ersten Einführung hatte die Stadt nur in letzter Stelle ein Wort mitzusprechen, doch schloß sie bereits im Jahre 1871 mit den Gründern der Großen Berliner Pferdebahn einen Vertrag ab, welcher dieser Gesellschaft die Ringbahn und eine Zahl von Bahnen nach den Vororten bis zum Jahre 1901 zusicherte. Da nun die Stadt inzwischen in den wirklichen Besitz ihrer Straßen gelangt war und jene Gesellschaft eine Verlängerung ihrer Concession bis zum Jahre 1910 wünschte, so kam es im vorigen Jahre nach langen und schwierigen Verhandlungen zu einem Vertrage, der diese Verlängerung aussprach, zugleich aber die Gesellschaft zur Zahlung einer steigenden Rente aus dem Brutto-Ertrage ihrer Einnahmen verpflichtete, welche bereits für das verflossene Jahr circa 400,000 Mark betragen hat. Neuerdings hat die Stadt auch mit den beiden anderen Berliner Pferdebahngesellschaften Verträge geschlossen, und hieraus wird vielleicht schon im laufenden Jahre eine Einnahme von etwa einer Million Mark erwachsen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_270.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)