Verschiedene: Die Gartenlaube (1881) | |
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Bei einem mitten im Fluß auf einer kleinen Insel belegenen Fort machten wir Halt. In Ermangelung irgend eines anderen comfortableren Eingangs landeten wir bei einer Schießscharte, welche fast den Wasserspiegel berührte, und drangen durch dieselbe in das Innere des Forts, das wir durch etwa fünfundzwanzig gar nicht so übel gehaltene Kanonen armirt und von einigen alten Männern und Weibern bewohnt fanden. Hier war endlich eine trockene Stelle und Schatten, und beide Vortheile nutzten wir aus, um nach – Cocosnüssen zu schießen, die wir als einzige Jagdausbeute an Bord brachten, woselbst wir spät Abends, abgehetzt und halb geröstet, wieder anlangten. Daß wir zu unserer Bewirthung nichts vorfanden, als einige Früchte und ranziges Schweineschmalz, kann wohl nicht gerade opulent oder gar lucullisch genannt werden, mußte aber in Geduld und möglichstem Humor hingenommen werden.
Die in Folge der noch immer nicht erledigten Vertragsbedingungen uns aufgenöthigte Ruhezeit benutzte ich nach Möglichkeit zu meiner Belehrung. Ich sammelte so viel Material über Land und Leute, wie ich irgend erlangen konnte, und wurde dabei vom Glück begünstigt, indem ich auf Leute stieß, die eine vollkommene Einsicht haben konnten und gefällig genug waren, mir jede Frage zu beantworten, ja mir Gelegenheit gaben, mich selbst zu informiren.
Zunächst wird es Sie, die eifrige Politikerin, interessiren zu hören, was ich über die Regierungsform in Erfahrung gebracht. Darnach war Siam, und ich kann bei der Conservativheit der Eingeborenen wohl dreist sagen: ist Siam eine absolute Monarchie in des Wortes weitester Bedeutung. Es regieren stets zwei Könige. Der erste steht an der Spitze des ganzen Staates, leitet seine Politik und ist unumschränkter Gebieter und Herr, zieht auch nur in schwierigen Fällen den zweiten König zu Rath. Ueber Leben und Eigenthum seiner Unterthanen herrscht er bedingungslos. Gefällt ihm z. B. ein Grundstück, so nimmt er es dem bisherigen Besitzer einfach fort und entschädigt ihn nach eigenem Ermessen. Grundeigenthum giebt es deshalb in Siam wenig; das Land wird dem jeweiligen Inhaber immer wieder auf ein Jahr verliehen – eine Art feudalen Lehnsrechts also. Zeichnet sich irgend ein Handwerker durch besondere Geschicklichkeit aus, so muß er in den Dienst des Königs treten, das heißt: der Mann darf nur für Seine Majestät arbeiten und wird dafür unterhalten. Das Streben nach dem „Hoflieferanten“ soll in Folge dieser Einrichtung in Siam lange nicht so lebhaft sein, wie bei uns zu Lande.
Die Thronfolge ist erblich, doch nicht nach dem Rechte der Erstgeburt, vielmehr steht es dem König frei, sich seinen Nachfolger unter seinen Söhnen auszusuchen. Der zweite König (vangua) ist nicht an Macht, doch an Rang dem ersten beinahe ebenbürtig. Er führt, wie jener, den siebenfachen Sonnenschirm, das Zeichen königlicher Würde, grüßt den andern, vor dem sich Jeder sonst in
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_252.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)