Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Erkrankung mit unverhohlener Freude aufgenommen. Die ganze Rotte der Dunkelmänner jubelte auf, als es bekannt geworden, daß der Zustand des Kaisers hoffnungslos, und setzte die Spottverse in Umlauf: „Der Bauern Gott – Der Bürger Noth – Des Adels Spott – Liegt auf den Tod.“ Unverstand, Bosheit und Niedertracht verfolgten mit ihren Schmähungen und Verwünschungen den Kaiser-Befreier noch bis in seine Gruft bei den Kapuzinern hinein. Der bekannte Volksdank hat sich also auch bei dieser Gelegenheit in gewohnter Weise sehen und vernehmen lassen. Gerecht ist man dem unglücklichen Kaiser erst geworden, als er nichts mehr davon hatte, was ganz in der Ordnung, d. h. unserer bekannten „sittlichen Weltordnung“ gemäß war.
Eine der letzten Aeußerungen Josefs ist gewesen: „Ich glaube meine Pflicht als Mensch und Regent erfüllt zu haben.“ Durfte er so sprechen? Weltrichterin Geschichte, welche nicht Erfolg und Nichterfolg, sondern Verdienst und Verschuldung in gerechter Wage wägt, hat längst diese Frage bejaht, von ganzer Seele bejaht.
Noch mehr. Es war nicht nur eine pietätvolle Handlung später Reue und Sühne, als die Wiener am 15. März von 1848 dem Kaiser Josef die deutsche Fahne in den Erzarm seines Standbildes legten, sondern es war das auch eine Offenbarung von Zukunftsinstinkt. Früher oder später wird man auf die josefinische Tradition zurückkommen und den josefinischen Gedanken der Reichseinheit wieder aufnehmen müssen, wenn es noch ein Oestreich geben soll.
Welche Wege aber immer die Geschicke suchen, finden und wandeln werden, dies ist gewiß und bleibt bestehen: Niemals wird Kaiser Josef vergessen sein –
„So lange schlägt ein deutsches Herz.“
Draußen treibt der eiskalte Nordwind gespenstige Schneewirbel durch die Straßen und tiefer und tiefer hüllt er die Fluren und Felder in die weiße Wintertracht ein; – verschwunden ist für lange Monate das frische Grün von den Wiesen, verschwunden der Hochzeitsschmuck der Pflanzen, die farbenreichen Blumen. Da erfaßt die Bewohner des rauhen Nordens die Sehnsucht nach dem sonnigen Frühling; da schmücken wir unsere Zimmer mit den ewiggrünenden Kindern der südlichen Flora, freuen uns, wenn der zahme Kanarienvogel, über dem künstlichen Dickicht der Blattpflanzen, auf einer Zwergpalme sitzend, seinen schmetternden Gesang ertönen läßt, und sehen lächelnd den lüsternen Jagdversuchen des jungen Kätzchens zu. Spiegelt sich doch alsdann in unserem Zimmer, wenn auch nur unvollkommen, das bunte Treiben der lebenden Natur, welche draußen durch das unabänderliche Schicksal zum langen Winterschlaf verurtheilt wurde. Es ist ein tiefer Zug in dem Seelenleben der nordischen Völker, die Sehnsucht nach den blühenden Gefilden des Südens oder der Wiederkehr des Sommers, welche auch unsere Frauen dazu bewegt, mit zarten Händen sorgfältig den winterlichen Zimmergarten zu pflegen. Gern wollen wir sie in dieser verschönernden häuslichen Thätigkeit unterstützen und sie mit Bild und Wort auf einen bis jetzt wenig beachteten Schmuck aufmerksam machen, der unseren Wohnräumen einen besonderen friedlichen Reiz gewährt.
Noch vor zwanzig Jahren galten Palmen für theuere Seltenheiten; gegenwärtig sind sie Zimmer- und Marktpflanzen geworden, und gewisse Arten, welche sonst Hunderte von Thalern kosteten, sind jetzt für fünf bis zehn Mark zu haben, viele allgemein verbreitete noch billiger. Von den bekannten Arten verdienen diejenigen im Zimmer gezogen zu werden, welche schon jung den Wuchs des mächtigen Baumes im Kleinen vollkommen zeigen. Die Fächerpalmen mit ihren fächerartigen „Wedeln“ eignen sich zu diesem Zwecke viel besser, als die Fiederpalmen, welche nach ihren langen federartig gestalteten Blättern also benannt werden.
So zeigt beispielsweise die schöne neuholländische Fächerpalme Corypha (oder Livistona) australis sich schon von ein bis eineinhalb Fuß Höhe als Miniaturbild jener riesigen Bäume, welche wir in Palmengärten und Palmenhäusern bis zu einer Höhe von siebenzig Fuß und einem Umfange der Blätterkrone von hundertzwanzig Fuß sehen, während zehn Fuß hohe Dattelpalmen mehr einem Schilfgewächse als einer Palme gleichen.
Da der Zweck der Zimmerpalmen nur erreicht wird, wenn sie so lange wie möglich vom Wachsthume zurückgehalten werden, weil eine gegentheilige, mehr naturgemäße Behandlung die Pflanzen bald zu einer für die Wohnräume unmöglichen Größe führen würde, so muß die Behandlung im Zimmer eine ganz andere sein, als die in den Palmenhäusern. Die Grundlage derselben beschränkt sich auf zweierlei: verhältnißmäßig kleine Töpfe und seltenes Verpflanzen. Diese Beschränkung hat aber zur nothwendigen Folge, daß nahrhafte Erde und reichlich Wasser gegeben wird. Ein Verpflanzen der Bäume darf erst dann stattfinden, wenn die Palmen augenscheinlich nicht Nahrung genug mehr haben, oft austrocknen, und die neuen Blätter kleiner werden.
Will man aber kleine, noch unansehnliche Palmen schnell zu einer entsprechenden Größe bringen, so kann man in einem Sommer zwei- bis dreimal verpflanzen, sobald die Wurzeln den Topfrand erreicht haben. Hervorzuheben ist noch, daß alle Palmen viel Wasser verlangen, welches immer erwärmt, wenigstens aber abgestanden und überschlagen gegeben werden muß. Um die richtige Menge zu treffen, gieße man stets in den Untersetzer. Wird das Wasser aufgesogen, so braucht es die Pflanze, bleibt es aber stehen, so muß es nach einer Stunde abgegossen werden, von welcher Regel man nur bei heißem Wetter abweichen darf.
Neben den Palmen sind auch seit einer Reihe von Jahren Blumenampeln in die Mode gekommen, und sie bilden in der That einen reizenden Zimmer- und Salonschmuck. In manchen Häusern haben sie bereits die häufig nur zum Scheine angebrachten Lichtampeln, Kron- und Wandleuchter größtentheils verdrängt, oder man hat sie mit diesen zur Ausfüllung leerer Räume dienenden Gegenständen geschmackvoll verbunden. Da aber die Blumen darin nicht lange halten, so füllt man häufig Ampeln mit getrockneten und gefärbten Blumen oder mit Pflanzen von Blech, Glas, Porcellan oder mit Immortellen, Gräsern und Moos, welche, neu prächtig im Ansehen bald die Farbe des Staubes und des Todes zeigen.
Die Ursache der Erscheinung, daß wir so oft künstliche Blumen den natürlichen Pflanzen vorziehen, liegt wohl in der unzweckmäßigen Einrichtung der Blumengefäße. Unter zehn Ampeln sind gewiß neun fast unbrauchbar, oder so, daß die Pflanzen darin nur kurze Zeit leben können. Die Fabrikanten solcher Gefäße sollten daher diese erst brauchbarer, vor Allem nicht zu klein und flach anfertigen lassen, was sicher ihren Absatz vermehren würde. Gute und schöne Muster giebt es bereits genug, aber sie finden keine Nachahmung, und das Haschen nach neuen Formen läßt die erprobten, guten vergessen.
Außerdem muß aber unter den beliebten Zimmerpflanzen eine sorgfältige Auswahl getroffen werden, wenn man wirklichen Erfolg mit ihrer Cultur in den Ampeln erzielen will; sie müssen vor Allem die Eigenschaft haben, daß sie, von unten gesehen, einen guten Eindruck machen, also überhängen; zweitens, daß ihre Wurzeln in einem flachen Gefäße genug Nahrung finden, und drittens, daß sie den ihnen angewiesenen Standort ertragen. Von den Ampelnpflanzen verlangt man nämlich, daß sie auch fern vom Lichte in der Mitte oder an den dunklen Wänden eines Zimmers fortkommen. Häufig wird auch eine Art Unvergänglichkeit, ein langes Aushalten derselben Pflanze in einem Gefäße gewünscht, dies ist aber mehr, als die vergänglichen Blumen leisten können. Sie müssen zuweilen durch andere ersetzt werden, damit sie sich erholen, und zu diesem Zwecke sollte man immer Vorrathstöpfe im Zimmer oder Glashause cultiviren.
Von den ziemlich zahlreichen, diesem Zwecke entsprechenden Pflanzen sind besonders hervorzuheben: Sedum spathulatum, welches ein Jahr lang an einer dunklen Stelle hängen kann, überdies den ganzen Winter blüht und hohe und niedrige Temperatur verträgt; Polypodium appendiculatum; die feinblätterige Selaginella hortensis und Immergrün, Vinca minor und Vinca major, hauptsächlich für größere Ampeln.
Unter den holzartigen Pflanzen ist die Fuchsia schon vielfach zu Ampeln verwendet worden, es sind aber nur Sorten mit abwärts wachsenden Zweigen verwendbar. Einige Gärtner ziehen solche Fuchsien in Ampeln heran und hängen sie bis zum Verkauf verkehrt auf, sodaß die Zweige nach oben wachsen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_824.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)