Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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am 15. October mit einem Hinweis auf das freudige Fest, welches an demselben Tage am Rheine gefeiert wurde.
Es sei schließlich noch der zahlreiche Fachversammlungen gedacht, die im Anschluß an diese Ausstellung tagten. Es waren dies: ein Verbandstag der deutschen Färber, eine allgemeine Weberlehrer-Conferenz und eine Schafschau, der sich noch der zum ersten Male im Jahre 1823 in Ausführung gebrachten Idee von Albrecht Thaer ein Wollconvent anschloß.
So hat die Ausstellung in jeder Beziehung anregend und fruchtbar gewirkt. Sie hat gezeigt, daß die deutsche Wollenindustrie stark genug in ihrem Können, strebsam genug in ihrem Wollen und sich ihrer Ziele ausreichend bewußt ist. Sie hat auch bewiesen, daß jenes herbe Wort, welches im Sommer 1876 jenseits des Oceans über die deutsche Industrie gefällt ward, auf die deutsche Wollenindustrie keine Anwendung mehr findet.
Gar oft im Leben wie in der Kunst kommt das Talent schneller und widerstandsloser zur Geltung, als das Genie. Es liegt das in der Natur der Sache. Das Genie wandelt völlig neue Bahnen, bricht mit dem Altgewohnten und Liebgewordenen mehr oder minder rücksichtslos, während das Talent sehr oft einen weisen Compromiß eingeht, das Bestandene schont und weit besser mit den gegebenen Verhältnissen rechnet. Um die Namen Gluck, Mozart und Wagner dreht sich die ganze Entwickelung der modernen Oper seit hundert Jahren. Des letzteren kühnen Reformators, Richard Wagner’s Entwickelung hat die musikalische Gegenwart miterlebt, erlebt die bittersten Kämpfe, welche sich für und wider den Schöpfer des musikalischen Drama erhoben. Wie man auch über Wagner urtheilen mag, ob seine Musik die Naivetät des Empfindens zerstört oder ob sie den Wortausdruck der Operntextworte erst zur höchsten Deutlichkeit erhoben habe, ob seine Werke eine Philosophie in Tönen oder musikmelodisch ein absoluter Fortschritt seien, das kann hier unentschieden bleiben. Sicher ist der Wagner’sche musikdramatische Stil der ganz folgerechte Ausfluß seiner ganzen künstlerischen Individualität und um der Stärke dieser Individualität willen vollberechtigt.
Anders steht es um die Nachahmung Wagner’s. Noch keiner von Denen, welche ihn nachzuahmen strebten, hat bis jetzt in dieser Richtung einen Erfolg gehabt, sondern von Peter Cornelius bis Paul Geisler, welch letzterer die unendliche Melodie ohne Tonart und Tactstriche schreibt, haben alle Adepten erst da Wirkung erzielt, wo sie zu den älteren Formen zurückgriffen, also gleichsam den neuen Inhalt in die alte Opernarchitektur einzufüllen bestrebt waren.
Keiner aber von Jenen, die, durchdrungen von den bahnbrechenden Ideen Wagner’s, trotzdem die alte Cäsur wieder aufnahmen und ihre Melodien nicht eintönig in’s Unendliche ausspannen, sondern in Chören, Ensembles und Arien fügten, hat selbstkritisch so richtig gehandelt, wie Edmund Kretschmer, der in den letzten Jahren schnell berühmt gewordene Verfasser der „Folkunger“. Die Declamation dieser Oper, die enge Anschmiegung der Musikempfindung an den Textwortlaut, sowie manche harmonische Kühnheit athmen Wagner’sche Grundsätze. Aber mit geschickter, kluger Hand hält Kretschmer die altbewährte geschlossene Form aufrecht, und da er Meister in deren Handhabung ist, so kann man sich über den fast beispiellosen Erfolg seiner „Folkunger“ kaum wundern. Ohne Ueberschwang oder Exaltation reicht Kretschmer’s Talent just hin, um diese Formen mit einem praktisch schönen Inhalt zu versehen, und der künstlerische Ernst seines Strebens erweckt die Sympathien auch bei Jenen, die anfänglich meinten, es gehöre mehr Leidenschaft dazu, nach Richard Wagner die große Oper neu zu beleben. Echt dramatisch und bühnenwirksam schreibt Kretschmer, und nach Meyerbeer und dem ersten Wagner hat kein zeitgenössischer Componist Finales von der Wucht und klaren Fügung geschrieben, wie z. B. das zweite Finale der „Folkunger“: „Sag’, bist du Erick’s Sohn?“ Und nicht minder zeugen der Krönungsmarsch dieser Oper, der Brauttanz von Falun von der reichsten melodischen und melodisch-poetischen Erfindung.
Der Erfolg der neueren Oper Edmund Kretschmer’s, „Heinrich der Löwe“, ist bisher bekanntlich auf nur wenige Städte beschränkt geblieben. Aber die „Folkunger“ sind – im deutschen Musikleben wohl ein fast unerhörtes Factum – über fünfzig
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 737. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_737.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)