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Seite:Die Gartenlaube (1880) 705.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


die gepriesensten kirchlichen Bauwerke des ganzen Erdenrundes hinter sich zurückläßt. Der Dom in seiner jetzigen Vollendung ruft dem staunenden Geschlechte in überzeugender Weise zu, wie das unmöglich Scheinende erreicht werden kann, wenn die Bevölkerung eines mächtigen Staatswesens in dem Streben nach einem großen Ziele von einer kräftigen Regierung unterstützt wird, wenn Fürst und Volk vereint der Verwirklichung eines großen Gedankens zustreben, wenn jede politische, confessionelle und gesellschaftliche Meinungsverschiedenheit vor der Gewalt einer großen Idee in den Hintergrund tritt.




Unsere Todten um Metz.
Zum zehnten Jahrestage der Capitulation (27. October).

Es war ein grauenvolles Bild, das die Sonne des 19. August 1870 auf der Höhe von Gravelotte beleuchtete. Soweit das Auge reichte, nichts als Tod und Zerstörung! Des Himmels Wolken schauten hoch hinein in Hunderte von leergebrannten, rauchenden Ruinen, deren Besitzer jammernd das Grab ihrer Habe umstanden. Sonst alles still und stumm; dem geräuschvollen Toben der Schlacht war Stille, die Stille des Kirchhofes gefolgt. Kein Vogel unterbrach dieselbe. Die gefiederten Sänger waren durch den Schlachtenlärm verscheucht worden, um sich wochenlang von den blutgetränkten Gefilden fernzuhalten.

Groß war zwar der Sieg in dem gewaltigen, wohl einzig in der Geschichte dastehenden dreitägigen Schlachtendrama, das mit Einschließung und Gefangennahme der französischen Hauptarmee endigte; groß und schmerzlich waren aber auch die Opfer, die deutscherseits gebracht werden mußten, um dieses Ziel zu erreichen; zahlreich, wie zur Erntezeit die Garben, war die Wahlstatt mit Todten bedeckt; in langen, langen Reihen wurden sie zusammengetragen, und immer noch nahm es kein Ende. Tausende und aber Tausende von Verwundeten lagen noch auf den Feldern umher oder waren in den von der Kriegsfurie verschont gebliebenen Gehöften untergebracht worden, in denen die Aerzte ihre Thätigkeit entfalteten.

Seitdem sind zehn Jahre vorüber gegangen. Wie ganz anders ist das Bild, das sich heute dem Beschauer bietet, wenn er von Metz aus den Abhang des Moselthales ersteigt und das Plateau von Gravelotte betritt! Reges, munteres Leben pulsirt auf allen Landstraßen; üppiges, frisches Grün bedeckt die sorgfältig angebauten Fluren, auf denen die Landleute ihren friedlichen Beschäftigungen obliegen, während die Lerchen in die frische Morgenluft hineintrillern. Die zerstörten Kirchen und Häuser sind längst wieder aus dem Schutte erstanden, und zwar – dank den ausreichend bemessenen Entschädigungen – stattlicher, als sie zuvor waren. Aus der Ferne tönt liebliches Glockengeläute herüber; dasselbe Erz, das vor einem Jahrzehnt Tod und Verderben in die Reihen der Streitenden sandte, schickt heute seine Frieden verkündenden Klänge in das Land hinaus.[1]

Die Straße wird durch prächtig gedeihende Baum-Anpflanzungen geschmückt. Aus dem Hintergrunde schaut der rebenbepflanzte St. Quentin herüber, einem schlafenden Löwen ähnlich, während sich tief unten im Thale die Mosel, welche kurz vorher deutschen Boden betreten hat, gleich einem Silberfaden an dem Vororte Montigny mit seinen rauchenden Kaminschlöten vorbeischlängelt, um dann in vielen Armen das alte, undeutlich im Nebel verschwimmende Metz zu durchfließen. Das Ganze vereinigt sich zu einem wunderschönen Gesammtbilde von überaus friedlichem Charakter.

Man braucht aber nur wenige Schritte weiter zu gehen und den Blick links und rechts in die Felder zu werfen, um tausendfach an den Krieg erinnert zu werden. Zuerst zeigen sich nur vereinzelte Gräber, je mehr man sich aber der oft genannten Ferme St. Hubert und der dahinter gelegenen Schlucht von Gravelotte nähert, desto dichter liegen sie neben einander. So weit das Auge sehen kann, blinken die weißen Kreuze aus den Getreidefeldern hervor, und immer wieder entdeckt das Auge neue Grabhügel. Fürwahr, eine blutige Saat, die hier ausgesäet!

Zur Beruhigung für alle diejenigen, von denen Angehörige

  1. Die Glocken von Rezonville und St. Privat sind aus Kanonen gegossen, welche der Kaiser diesen Gemeinden zum Geschenk machte.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 705. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_705.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)