Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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hatte seine Reise fortgesetzt. Andere Nachrichten lassen ihn freilich gar nicht krank sein, sondern in plötzlicher Ahnung seines Schicksals bei einer norwegischen Edeldame, Ingierd Römer, Zuflucht suchen, deren Vogt ihn aber seinen Gegnern auslieferte. Dem sei nun so oder anders, jedenfalls kam er zwei Monate nach seinem Genossen ebenfalls nach Stockholm. Aber seltsam sah er sich vor den Thoren der Hauptstadt empfangen. Auf königlichen Befehl hatte man nämlich den Erzbischof Knut aus seinem Gefängniß geholt, ihn mit alten zerlumpten Meßgewändern und einer Bischofsmütze aus Birkenrinde bekleidet, und ihn in solch lächerlich kläglichem Anzuge rücklings auf eine alte ausgehungerte Mähre gebunden, deren Schwanz er statt des Zügels in die Hand bekam. So ward er seinem ankommenden Freunde entgegengeführt, der damit plötzlich die ganze Schwere seines eigenen Geschickes vor Augen sehen mußte.
Von Knut’s Begleitern mit Hohn und rohen Schimpfreden empfangen, wurde Sunnanwäder auf ein ebenso elendes Roß gehoben und ähnlich wie der Erzbischof ausstaffirt. Statt der Bischofsmütze setzte man ihm eine Strohkrone auf das Haupt und umgürtete ihn mit einem alten zerbrochenen Holzschwerte; dann setzte sich der unwürdige Zug in Bewegung. Welche Gefühle mögen in der Brust der ehrgeizigen Prälaten gelebt haben, als sie, den Schwanz ihrer Schandmähren in der Hand, düster vor sich hinstierend, durch die Straßen der Hauptstadt zogen, die sie in ihren vermessenen Träumen zur Rechten eines von ihnen erhobenen und beherrschten Königs und umwogt von einer jubelnden Volksmenge wiederzusehen gehofft hatten! Ein schreckliches Erwachen war jetzt dem ehrgeizigen Traume gefolgt. Statt der Jubelrufe umtönten sie Spottgesänge; statt glänzender Trabanten umschwärmten sie Gaukler und Possenreißer, verkleidete Männer aus der Hefe des Volkes, die lärmend vor dem Zuge herriefen: „Hier kommt der neue König, Herr Peder Sunnanwäder!“
Dieses Schauspiel des Hohnes über einen machtlosen, überwundenen Feind war eines so großen Mannes, wie Gustav Wasa, unwürdig. Allein man muß die rohen Sitten eines Zeitalters in Erwägung ziehen, das an dergleichen Schaustellungen gewöhnt war, muß bedenken, wie schwer der König gereizt war, wie ihm diese unruhigen Köpfe Jahre seines Lebens verbittert hatten.
Außerdem verfolgte er durch sein Verfahren noch einen besonderen Zweck. Indem er die ersten Würdenträger der Kirche dem Pöbel seiner Hauptstadt in so erniedrigender Weise vorführte, wollte er nicht allein ihren Aufruhr auf eine schimpfliche und abschreckende Weise bestrafen, sondern auch die hohen Begriffe des Volkes von der Unantastbarkeit geistlicher Personen herabstimmen, den Heiligenschein, der die Priester in den Augen der thörichten Menge vor anderen Sterblichen auszeichnete, für immer zerstören.
Nachdem der klägliche Zug die Hauptstraßen der damals noch kleinen Inselstadt passirt hatte, blieb er schließlich auf dem Hauptmarkte stehen. Dort wurden die Verbrecher zu dem erhöhten Schandpfahle geführt, an welchem sie mit dem verachtetsten Manne im Lande, dem Henker, Brüderschaft trinken mußten. Nach diesem ordinären Schlußeffect schleppte man die Prälaten in ein dunkles, elendes Gefängniß, in dem sie Monate lang gehalten wurden. Erst zu Anfang des folgenden Jahres ward Sunnanwäder nach Upsala gebracht und dort ebenfalls vor ein gemischtes Gericht gestellt, zu welchem die Bischöfe nur unter der Erklärung erschienen, daß ihre Gegenwart keineswegs als Billigung des von weltlichen Personen über einen Geistlichen zu fällenden Urtheils angesehen werden dürfe; allein ohne diese Einsprache nur im Geringsten zu beachten, führte der König Sunnanwäder’s viele Verbrechen auf, von welchen ein einziges genügend war, seinen Urheber des Todes schuldig erscheinen zu lassen. Die Hinrichtung geschah denn auch noch am nämlichen Tage – es war der 18. Februar des Jahres 1527. Nachdem der Henker sein trauriges Amt vollendet, ward der todte Körper auf’s Rad geflochten und den Raben zur Beute überlassen. Das gleiche Schicksal erduldete drei Tage später zu Stockholm der treue Gefährte seiner Umtriebe und seines Unglücks, Knut, der ehemalige Erzbischof von Upsala.
So endete der Aufruhr der Prälaten; allein die böse Saat, die sie gesäet, sollte noch bittere Früchte tragen. Kurz vor seinem Tode hatte Sunnanwäder einen jungen Bauernburschen entdeckt, der eine auffallende Aehnlichkeit mit Sten Sture zeigte. Unschwer hatte er ihn vermocht, sich für den Sohn des verstorbenen Reichsverwesers auszugeben, und ihn selbst in alle Details seiner Rolle eingeweiht, die Niemand besser kennen konnte, als er, der frühere Hofbeamte der Sture. Sein plötzliches Ende schien die Intrigue zu zerstören, allein der Zufall wollte, daß kurze Zeit darauf der junge Nils Sture ganz unerwartet starb und seltsame Gerüchte über diesen Todesfall in Umlauf kamen. Nun erschien Sunnanwäder’s Creatur in den Thallanden, dort aussprengend, er sei der Todtgeglaubte, der, um Gustav’s mörderischen Anschlägen zu entgehen, sich scheinbar habe begraben lassen. Dieser Aufstand des Thaljunkers – so nannte man den Pseudo-Sture – machte dem Könige noch viel zu schaffen, ehe die briefliche Erklärung der Christina Gyllenstjerna an die Thalbauern, daß der von ihnen Beschützte nicht ihr Sohn, sondern ein schamloser Betrüger sei, dessen Ansehen vernichtete. Er mußte fliehen und ward in der Folge zu Rostock, eines Diebstahls wegen, gehängt. Die Thalmänner aber kehrten reuig unter Gustav’s Fahnen zurück.
Auch die Priesterschaft hatte nun den jungen König von zu schrecklicher Seite kennen gelernt, um erneuten Aufruhr zu erregen. Mit ihrer Macht in Schweden war es zudem bald zu Ende. Drei Monate nach dem an den beiden Prälaten vollzogenen Strafacte fand jener denkwürdige Reichstag zu Westerås statt, auf welchem Gustav den größten Theil der von ihm auf kirchlichem Gebiete beabsichtigten Neuerungen durchsetzte. Allein noch brauchte es über ein halbes Jahrhundert, ehe die Wirkungen dieses Reichstages im Lande zur Reife kamen; erst unter Karl dem Neunten gewann Luther’s Lehre unbestritten Herrschaft über das von Rom so lange geknechtete, durch Gustav Wasa zwiefach befreite schwedische Reich.
Die deutsche Nähmaschinen-Industrie befindet sich gegenwärtig in einer Krisis, aber sie steuert auf den völligen Sieg los.
Die „eiserne Nähmamsell“ ist bekanntlich von Geburt eine Amerikanerin. Dankbar erkennt das der Deutsche an, und wir wollen diese Pietät auch gar nicht verdammen, wenngleich die „junge Nation“ von der alten Welt schon hundert andere Erfindungen als Gegenhonorar im Voraus empfangen; zu verdammen ist es aber, wenn wir durch das zähe Haften an Vorurtheilen unsere nationalen Lebensinteressen schädigen, wenn wir die anfänglich berechtigte Vorliebe für das Fremde auch dann noch aufrecht erhalten, wenn es in der Heimath längst überholt ist – war es doch gerade die deutsche Nähmaschinen-Industrie, die sich an der feinen Erziehung und Ausbildung dieser geborenen Amerikanerin am hervorragendsten betheiligt.
Schon im vorigen Jahrhundert beschäftigten sich viele Grübler mit dem Gedanken, die nähende Hand durch eine Maschine zu ersetzen; aber sie ließen sich sämmtlich durch ein Irrlicht nasführen; sie glaubten, es müsse die Handnaht sein, die durch die Maschine hergestellt werden solle, und so scheiterten sie an den großen, nicht auszugleichenden Unterschieden, die zwischen dem lebenden und dem todten Mechanismus bestehen.
Das erste Patent auf eine Nähmaschine lösten zwei Engländer Namens Stone und Hendersen im Jahre 1804, sie scheint aber nie zur praktischen Anwendung gekommen zu sein. Ein anderer Brite, mit Namen John Duncan, baute die erste Tambourirstichmaschine und ließ sich diese in demselben Jahre patentiren; sie eignete sich mehr zum Sticken und erfüllte ihren Hauptzweck, das Nähen, nur unvollkommen. Die Engländer betrachten indessen Duncan als den eigentlichen Erfinder der Nähmaschine.
Im Jahre 1814 construirte der wackere Tyroler Schneidermeister Joseph Madersberger eine andere Maschine, die vollständig das Grundprincip der heute so weit verbreiteten Systeme aufweist. Er war zur Einsicht gekommen, daß er eine neue Naht erfinden müsse; er gab der Nadel das Oehr an der Spitze und fing die Schlinge des Fadens, die sich beim Zurückziehen der Nadel bildet, ganz wie heute noch, mit einem zweiten Faden auf; aber die Maschine arbeitete unzuverlässig; Madersberger verlor endlich die Geduld und nähte mit der Hand weiter. Seine immerhin sehr
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 694. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_694.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)