Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Durch Kühnheit, Ausdauer und List hatte Gustav Erikson Wasa sein Vaterland von fremder Tyrannei, von dem mehr als hundertjährigen Joche der Union befreit, hatte er, der einfache schwedische Edelmann, sich eine Krone erworben. Am Johannisabend des Jahres 1523 zog nach langer Zeit wieder ein einheimischer Herrscher in die Königsburg von Stockholm ein, deren rauchgeschwärzte Mauern traurig auf die verwüstete Stadt blickten und den Neugekrönten daran zu mahnen schienen, daß sein Werk jetzt erst zur Hälfte gethan sei. Wohl waren die äußeren Feinde des Reiches zurückgeschlagen, dafür aber galt es jetzt, den schwereren Kampf gegen die zahlreichen Widersacher des Königthums und der Volkswohlfahrt im Lande selbst auszufechten – bis auf’s Messer, wenn es sein mußte. Das unglückliche Schweden war seit den Tagen der Folkungerherrschaft unaufhörlich durch innere Kriege verheert worden; es bedurfte, sollte es sich erholen, jetzt dringend der Ruhe, des Friedens. Um aber Ruhe und Frieden herstellen zu können, hieß es die alten Verhältnisse gänzlich umgestalten, hieß es in den schwedischen Landen auf’s Neue eine Macht begründen, die hier schon seit vielen Jahren nicht mehr vorhanden war, die Macht der Krone. Während der Union war überall die größte Zügellosigkeit eingerissen – wie konnte dem auch anders sein?
Die Herrscher des Landes waren Fremde; sie residirten im fernen Kopenhagen und waren vollauf beschäftigt, Ruhe und Ordnung im eigenen Lande aufrecht zu halten. Ungern sah sich jetzt der stolze und mächtige schwedische Adel von einem seines Gleichen beherrscht. Aber auch das bis dahin unterdrückte Volk hatte sich während der langwierigen Kriege zu einer politischen Macht erhoben und begann sich als solche zu fühlen. Die bedeutendste Stellung im Reiche aber hatte sich im Laufe der letzten drei Jahrhunderte die römisch-katholische Kirche erobert. Sie, deren Anfänge in dem erst spät christianisirten Norden so bescheiden gewesen, spottete schon längst der königlichen Gewalt, die sie tief unter ihrer eigenen erblickte. Mit sclavischer Demuth beugte sich ja damals Alles unter dem Gebote Roms, das mit der Waffe des Bannstrahls uneingeschränkt über den größten Theil Europas herrschte. Und wohl nirgends war diese Herrschaft drückender, als in dem armen und rauhen Schweden. Während hier die Felder, von feindlichen Rosseshufen zerstampft, brach lagen, während das Volk Hunger litt und selbst die Wohlhabenden unter der Last der Kriegssteuer seufzten, vereinigte die unbesteuerte Geistlichkeit in ihren Händen unermeßliche Reichthümer an Metall und liegenden Gründen, schwelgte sie im Genusse reicher Pfründen und Schenkungen.
Gustav Wasa’s Scharfblick mußte bald erkennen, daß es zur Aufrichtung des herabgekommenen Reiches und zur Erneuerung des verblaßten Glanzes der Krone nur ein Mittel gab: Vernichtung der kirchlichen Gewalt. Wohl war es ein gefährlicher Kampf, den der junge König auf seinem noch wankenden Throne gegen einen übermächtigen Gegner aufnahm, ein Kampf, der ihn leicht Krone und Leben kosten konnte. Vor mehr als zweihundert Jahren hatte ein solcher Kampf Torkel Knutson’s Haupt unter das Henkerbeil gebracht; noch vor Kurzem hatte er den König Karl Bonde zweimal vom Throne gestürzt. Allein Schweden hatte jetzt einen Herrscher, der keine Furcht kannte, der mit zäher Beharrlichkeit sein Ziel verfolgte und, wo seine Macht nicht ausreichte, seine Zuflucht zu den Waffen der List nahm, in welchen er selbst seine schlauesten Gegner noch überbot.
Als Gustav der Erste den Thron seines Vaterlandes bestieg, waren schon sechs Jahre seit dem Tage vergangen, an welchem Luther seine Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen hatte. Schon früh war seine Lehre nach dem Norden gedrungen, vornehmlich durch zwei schwedische Theologen, Olaus und Laurentius Petri, die, als directe Schüler des Reformators, bald in dem neuen Könige einen warmen Beschützer fanden. Dieser, der schon zur Zeit seines Exils in Lübeck mit Luther’s Lehren bekannt geworden war, sah jetzt in ihnen ein geeignetes Mittel, das unerträgliche Joch der römischen Kirche abzuschütteln. Ob wahre Ueberzeugung, ob politisches Interesse Gustav Wasa zum Reformator gemacht, ist gewiß schwer zu entscheiden. Vielleicht ging beides Hand in Hand. Schon drei Monate nach seiner Thronbesteigung wagte Gustav einen kühnen Ausfall gegen die Kirche. Als er nämlich bei Gelegenheit des Westeråser Jahrmarktes den Ständen Rechenschaft über die Unkosten des Krieges ablegte, trat er mit dem Vorschlage hervor, daß, um die entstandenen Schulden zu tilgen, auch die Geistlichkeit besteuert werden möge. Dieser Vorschlag drang durch – mit dem Golde und Silber der Kirchen wurden die mit Ungeduld ihren rückständigen Sold verlangenden ausländischen Kriegsknechte abgefunden; aber die Priester erhoben ein ungeheures Zetergeschrei ob dieses Eingriffs in ihre uralten Privilegien, und das ängstliche, geistig geknechtete Volk harrte zitternd der fürchterlichen Strafen, die der Himmel nach Aussage der Mönche über den König verhängen würde. Wirklich brachte gleich das erste Regierungsjahr Gustav’s Mißwachs, Hungersnoth und verheerende Seuchen, ein unglücklicher Zufall, den sich die Priester trefflich zu Nutze machten. Das von ihnen aufgewiegelte Volk fing nun an zu murren und über die hohen Steuern zu jammern, bei welchen es sein Dasein von Birken- und Tannenrinde fristen müsse. Spottweise nannte es Gustav den Hunger- und Rindenkönig.
Damals saß auf dem bischöflichen Stuhle zu Westerås ein ränkevoller und ehrgeiziger Mann, Peder Jakobson Sunnanwäder, gewöhnlich Peder der Kanzler genannt, weil er unter dem letzten Reichsverweser Sten Sture dieses Amt bekleidet hatte. Sein Vorleben war nicht das rühmlichste. Schon seinen früheren Gebieter hatte er auf alle Art betrogen; gleichwohl bediente er sich jetzt dessen hinterlassener Familie, um den verhaßten König zu stürzen und zugleich seinem eigenen Ehrgeize Spielraum zu schaffen.
Das Geschlecht der Sture galt für das edelste in Schweden. Seit einer Reihe von Generationen waren die höchstgestellten Männer des Reiches diesem Hause entsprossen, jetzt aber blühte es nur noch in zwei Knaben, deren Mutter, die heldenmüthige Christina Gyllenstjerna, welche sich durch ihre ruhmvolle Vertheidigung Stockholms gegen Christian, den Tyrannen, einen unvergleichlichen Namen in der schwedischen Geschichte erworben, noch immer in dänischer Gefangenschaft schmachtete. Obgleich die Halbschwester von Gustav’s Mutter, war sie ihm doch durch die Interessen ihres Hauses, die den Argwohn des jungen Königs beständig rege hielten, entfremdet. Darauf baute der ränkevolle Sunnanwäder seinen Plan, der darauf hinauslief, den jungen Nils Sture zum Könige zu erheben, da er in Vieler Augen auf die Krone ein besseres Recht zu haben schien, als deren jetziger Inhaber.
Die großen Verbindungen des Bischofs ermöglichten ihm, das Netz seiner Intriguen weit auszuspinnen; überall hatte er Freunde und Verbündete, namentlich in der Provinz Dalarne, deren Bewohner, die sogenannten Thalmänner, sich von jeher eines großen Einflusses auf die Geschicke des Reiches rühmen durften. An die Thalmänner schrieb daher der schlaue Prälat vor allen Dingen. Lebhaft stellte er ihnen vor, welch schweres Unrecht man gegen das edle Haus Sture begangen, daß man nicht aus ihm den Herrscher des Landes gewählt habe; er erinnerte sie an Sten Sture’s Verdienste, an seine ruhmvolle Regierung, unter der die Bauern gute Zeit gehabt hätten, und schloß mit Verwünschungen gegen Gustav, den tyrannischen Feind des wahren Glaubens, den herzlosen Besteuerer der Armuth.
Derartige Briefe verfehlten ihre Wirkung nicht. Nur zu leicht ließ sich das durch die drückenden Steuern bereits erbitterte Landvolk für des Bischofs Pläne gewinnen, glücklicher Weise aber kam das frevelhafte Treiben des Aufruhrstifters bald an den Tag. Einige seiner Briefe wurden von Lars Olafson, dem Landeshauptmann in Dalarne, aufgefangen und unverzüglich dem Könige gesandt. Dieser hatte sie kaum empfangen, als er sich, rasch entschlossen, auf’s Pferd setzte und, nur von einigen Reichsräthen begleitet, nach Westerås ritt. Im Domcapitel fand er die Domherren und den Bischof versammelt, sowie in des letzteren Gesellschaft seinen intimen Freund, den neu erwählten Erzbischof von Upsala, welchen die Chroniken den Magister Knut nennen. Mit den verrätherischen Schriften in der Hand trat der König in den Kreis der Geistlichen; durchbohrend hefteten sich seine Augen auf den Bischof, der leichenblaß ward und vergebliche Anstrengungen machte, zu sprechen. Angesichts der Beweise wäre alles Leugnen doch
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 691. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_691.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)