Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Baugerüste niedergerissen werden sollten. Die Kölner Dombaufrage wurde brennend, und es gelang, die ganze deutsche Nation dafür zu interessiren. Fortbau und Vollendung des würdigen, heiligen deutschen Werkes, „zu Gottes Ehre und zum Ruhme des Vaterlandes“, wurde bald die allgemeine Losung.
Von einer gewaltigen Begeisterung für den unvergleichlichen Wunderbau wurde bald Alles ergriffen, was nur irgend einer Begeisterung fähig war, und Fürsten, Dichter, Gelehrte, Publicisten, Patrioten, schlichte Bürger stimmten ein in den allgemeinen Ruf, daß ungesäumt und mit warmem Eifer das große Werk begonnen werden müsse. Eine Anzahl für die Dombausache hoch begeisterter angesehener Kölner Bürger trat im September 1840 zusammen, um durch Gründung eines Dombauvereins dieser Begeisterung einen kräftigen Halt und eine feste Grundlage zu sichern und der Einsammlung der Beiträge eine zweckmäßige Organisation zu geben. Der König begrüßte in seiner regen Liebe für alles Schöne und Große freudig diesen Plan, und er gab unter dem 23. November die königliche Autorisation zur Bildung eines Vereins, dessen Thätigkeit auf die Erhaltung und den Fortbau des Domes gerichtet sein sollte; zugleich eröffnete er die erfreuliche Aussicht auf reiche königliche Unterstützung bei Ausführung des großen Werkes. Nach dem Statut, über welches sich der gewählte Ausschuß einigte, hatte der Verein den Zweck, „vermittelst Darbringung von Geldbeiträgen und in jeder sonst angemessenen Weise für die würdige Erhaltung und den Fortbau des Domes thätig mitzuwirken“.
Der König bestätigte dieses Statut unter dem 8. December 1841 und übernahm zugleich, der vom Dombauverein ausgesprochenen Bitte gemäß, das Protectorat. Zum Präsidenten wurde am 16. März 1842 Herr von Wittgenstein und zum Secretär Herr August Reichensberger gewählt. Beide erkannten recht wohl, wie gewaltig die Last war, welche sie sich durch Uebernahme der bezüglichen Aemter aufluden, aber die Liebe zu der heiligen, großen Sache ließ sie jedes Bedenken überwinden, und mit Begeisterung und Energie unterzogen sie sich der anstrengenden Arbeit, welche mit der Leitung und Organisation des Centralvereins und seiner Hülfsvereine verbunden war.
Der Dombauverein rechnete nur dann auf eine Nachhaltigkeit der allgemeinen Begeisterung für das große Werk, wenn man sich entschließen wolle, Hand an den vollständigen Ausbau der Domkirche zu legen und Schiffe, Portale, Gewölbe und Strebebogen ganz nach dem genialen Plane des ersten Baumeisters auszuführen. Der König gab mit Freuden zu diesem Projecte seine Zustimmung. „Möge es dem Verein gelingen“ – schrieb er am 13. August 1842 – „die Flamme der Begeisterung, welche ihn beseelt, weit und breit in den Gauen des deutschen Vaterlandes nicht nur zu vorübergehendem Auflodern anzufachen, sondern dauernd zu nähren, damit das erhabene Werk gedeihe und sich vollende, einer großen Vorzeit würdig, der Gegenwart zum Ruhme und der Nachwelt zum bleibenden Vorbilde deutschen Kunstsinnes, wie deutscher Frömmigkeit, Eintracht und Thatkraft.“
Am 4. September desselben Jahres wurde in Gegenwart des preußischen Königspaares, des Herzogs Johann und einer großen Reihe anderer deutscher Fürsten in feierlicher Weise vom Erzbischof-Coadjutor, jetzigen Cardinal Johannes von Geissel, der Grundstein zum Weiterbau unter dem westlichen Pfeiler der mittleren Südportal-Halle gelegt. Bevor der König die üblichen drei Hammerschläge that, sprach er die Worte:
„Hier, wo der Grundstein liegt, dort, mit jenen Thürmen zugleich, sollen sich die schönsten Thore der ganzen Welt erheben. Deutschland baut sie; so mögen sie für Deutschland durch Gottes Gnade Thore einer neuen, großen, guten Zeit werden! … Der Geist, der diese Thore baut, ist derselbe, der vor neunundzwanzig Jahren unsere Ketten brach, die Schmach des Vaterlandes, die Entfremdung dieses Ufers wandte. Und das große Werk verkünde den spätesten Geschlechtern von einem durch die Einigkeit freier Fürsten und Völker großen, mächtigen, ja den Frieden der Welt unblutig erzwingenden Deutschland!“
Es schien, als sei der Vorwurf beseitigt und der Fluch gelöst, wovon Görres im Jahre 1813 sprach, wenn er schrieb:
„Ein ewiger Vorwurf steht der Bau vor unseren Augen, und der Künstler zürnt aus ihm hervor, daß so viele Menschenalter nicht zur Wirklichkeit gebracht, was er allein, ein schwacher sterblicher Mann, in seines Geistes Gedanken getragen hat. Auch ist ein Fluch darauf gesetzt worden, als die Bauleute sich verliefen, und also hat der zornige Geist geflucht: so lange soll Deutschland in Schande und Erniedrigung leben, preisgegeben eigenem Hader und fremdem Uebermuthe, bis sein Volk sich wieder der Idee zugewendet, von der es sich, der Eigensucht nachjagend, losgesagt, und bis es durch wahrhaftige Gottesfurcht, gründlich treuen Sinn, festes Zusammenhalten in gleicher Begeisterung und bescheidene Selbstverleugnung wieder tauglich geworden, solche Werke auszuführen, wie es sie jetzt in seiner Versunkenheit aufgegeben.“
Jetzt begann ein rüstiges Schaffen an dem gewaltigen Werke. Neue Steinbrüche wurden eröffnet, frische Arbeitskräfte herangezogen, tüchtige Steinmetzen ausgebildet, geschickte Zeichner angestellt. Die alten Gerüste sanken, um neuen Hülfsbauten und Maschinerien für die Errichtung der zweiundzwanzig Strebesysteme Platz zu machen. Der unverdrossenen Thätigkeit des Vereins ist es zu danken, daß die Geldbeiträge immer reicher flossen und daß jährlich gegen 50,000 Thaler an der Nordseite des Domes aus der Vereinscasse verwandt werden konnten, während an der Südseite 50,000 Thaler aus Staatsmitteln verbaut wurden. Das Werk „gedieh sichtbar unter dem Schutze des Himmels, durch die Huld und das Beispiel der Mächtigen auf Erden, durch die reine Gesinnung und das brüderliche Zusammenwirken so vieler theilnehmenden begeisterten Vereinsgenossen“.
Außer beim preußischen Königspaare fand die Dombausache die lebhafteste Theilnahme bei den meisten deutschen Fürsten und bei einer großen Anzahl anderer für das prachtvolle Bauwerk hochbegeisterter Männer. Auch die anonymen Gesellschaften bethätigten durch reiche Beiträge ihr lebhaftes Interesse für die große Sache des Dombaues. Es wurden der Vereinscasse bedeutende Summen zugewendet von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft, von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, von der Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft, von der Colonia, von der Rheinischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, von der Concordia, vom A. Schaaffhausen’schen Bankverein, vom Kölner Männergesangverein etc. Im Ganzen flossen der Dombaucasse aus solchen Schenkungen 199,655 Thaler zu.
„Als der Großvater die Großmutter nahm“ – wißt ihr, was Großvater da war? „Da war der Großvater Bräutigam,“ sagt das alte Lied, das uns in seinen zwei Zeilen mit ihrer charakteristischen Melodie ein treues Bild der oft besungenen und gepriesenen, oft aber auch getadelten „guten alten Zeit“ giebt. Er war „ein Bräutigam“, der Großvater, weiter nichts in diesem wichtigen Augenblicke. Er war nicht, wie die heutigen Bräutigame, zugleich Mitglied von zwanzig verschiedenen Clubs und Vereinen, hatte nicht, wie sie, außer seinem erwählten Berufe noch mehrere Nebenbeschäftigungen und Passionen, auch mußte er nicht, wie sie, das Geschäft des Heirathens in aller Eile abmachen, weil er den Einberufungsschein zur nächsten Reserveübung schon in der Tasche des Hochzeitsfracks trug.
Als Großvater die Großmutter nahm, war er ein solider, fleißiger junger Geschäftsmann. Er hatte seine acht Jahre Bürgerschule hinter sich, sowie vier Lehrjahre und die doppelte Anzahl von Wanderjahren; er hatte sich weit umgesehen in der Welt – bis nach Böhmen auf der einen Seite, bis an den Rhein auf der andern Seite war er gekommen, ehe er mit Ränzel und Wanderstabe langsam und bedächtig wieder eingezogen in die alte
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_688.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)