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Seite:Die Gartenlaube (1880) 676.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Nach der Rückkehr zum Schloß bestiegen wir einen bereit liegenden Dampfer, um der zweiten Einladung, derjenigen der Stadt Lüttich, zu folgen. Die reizenden, malerischen Ufer der Maas fuhren wir entlang und legten dann an der Lütticher Landungsbrücke an, wo uns der Bürgermeister mit einer Anrede empfing, in der er unter Anderem sagte: „Drei Dinge sind es, welche das fröhliche Volk von Lüttich liebt, die Arbeit, den Gesang und das Lesen. Letzteren Genuß bereite ihm die Presse, und darum heiße er uns gern im Namen der dankbaren Einwohner willkommen.“ In bereit gehaltenen Equipagen fahren wir dann, unter Leitung des Bürgermeisters, durch diese alte, jetzt zum großen Theil im Neubau begriffene Stadt, sahen vor dem Theater das Standbild Grétry’s, des berühmten Componisten, der hier geboren, und begaben uns dann zum Rathhaus, das zu unserem Empfange festlich geschmückt war und wo ein opulentes Diner unser wartete. Ein im Nebenzimmer abgestelltes Musikcorps spielte indeß die Nationalhymnen aller hier vertretenen Nationen, und es machte einen feierlichen Eindruck, wenn stets die Angehörigen des betreffenden Landes sich erhoben und stehend ihre Heimathshymne anhörten, worauf Alle lebhaft applaudirten.

Als das Diner beendet (gegen neun Uhr), führten die Equipagen uns zum Bahnhof, und wir schieden.

Ich aber nahm zugleich Abschied von den Jubiläumsfestlichkeiten, die im Ganzen auch nun beendet waren. Zwar hatten uns die Städte Dinant und Namur noch eingeladen, und Antwerpen veranstaltete noch ein venetianisches Nachtfest, das, wie Theilnehmer berichten, ganz wunderbar gewesen sein soll; ich aber hatte genug gesehen und genossen; ich wollte mir den Eindruck frisch bewahren. Und so sagte ich denn meinen mir lieb gewordenen Collegen aus allen Himmelsgegenden Lebewohl und fuhr heim, mit mir nehmend die Erinnerung an eine große, herrliche Zeit, die ich verlebt, an ein freies, glückliches Volk, das ich gesehen, an viele prächtige Menschen, die ich kennen gelernt, das Gefühl des Dankes gegen Diejenigen, die uns so viel Schönes und Liebes geboten.

Gott segne Belgien und erhalte ihm sein Glück, seine Freiheit!

Th. Coßmann.




Hamburg und Deutschland.
Von Karl Braun-Wiesbaden.
2. Altona. – St. Pauli. – Die Freihafenstellung.

Gegenwärtig handelt es sich um die Freihafenstellung von Hamburg und zugleich um die Einverleibung von St. Pauli und Altona in die Zolllinie, oder um Verschiebung der Zolllinie nach Cuxhaven und um die Freiheit der Elbschifffahrt.

Hamburg und Altona sind zwar politisch und communal getrennt, aber wirtschaftlich und social bilden sie eine einzige Stadt.

Welche Folgen eine Zolllinie hat und haben muß, die durch eine Stadt schneidet, darüber Betrachtungen anzustellen ist schon deshalb überflüssig, weil uns in dieser Richtung die Vergangenheit bereits zur Genüge praktisch belehrt hat. Unsere Bauern haben ein Sprichwort „Probirt geht über studirt“, und es ist gut, wenn wir uns dessen zuweilen erinnern.

Am 20. December 1810 wurde Hamburg, gleichzeitig mit den beiden anderen Hansastädten, dem französischen Kaiserreich einverleibt. Altona wurde nicht mit demselben vereinigt. Die hierdurch in das Leben gerufene Zolllinie mitten durch das städtische Terrain hat einige Jahre bestanden. Ueber die Erfahrungen, welche man damals gemacht hat, will ich hier eine Aufzeichnung wiedergeben, welche vor mehr als vierzig Jahren gemacht wurde, also lange vor der Erörterung der jetzt schwebenden Fragen, und danach wohl als ein unbefangenes Zeugniß zu betrachten ist. Sie findet sich in Dr. J. G. Gallois’ „Geschichte der Stadt Hamburg“, Band II, Seite 6 u. 7, und lautet wie folgt:

„Nachdem Hamburg eine französische ,bonne ville’ geworden, wurde die Douaneneinrichtung wegen der Nähe Altonas verschärft; starke Pfahlwände an den Thoren gestatteten den Passirenden nur einzeln den Ein- und Ausgang; Männer und Weiber wurden auf die brutalste Weise durchsucht, da man in Altona die Colonialwaaren fünfzig Procent billiger kaufte als hier, weshalb der kleine Schmuggelhandel sehr einträglich war. Altonaer Krämer ließen ihn gegen bestimmten Tagelohn von dem geringen Manne, der nichts zu erwerben wußte, systematisch betreiben. Umhertreiber, Hausknechte, Dienstmädchen, halbwüchsige, der Armenschule entlaufene Buben und Dirnen, selbst kleine Kinder schmuggelten täglich erfindungsreicher und billiger, als sogenannte Kaffeeträger, zwischen beiden Städten, selbst Hunde wurden zu diesem Zwecke besonders abgerichtet. In Strümpfen, Schuhen, Stiefeln, Halsbinden, Kleidern, Hüten, Kappen, Mützen, Haarwülsten verbarg man Tabak, Zucker, Kaffee, Thee, Gewürze und Gewebe, und das Confiscirte wurde den Absendern durch förmliche Assecuranzcompagnien ersetzt. Das glücklich Hereingebrachte nahmen auf dem Walle oder dem Zeughausmarkte dazu Bestellte in Empfang, und die Träger gingen sofort wieder nach Altona, neue Ladungen zu holen. Oft waren die Douanen mit einem Theil des Raubes zufrieden und so bildete sich allmählich ein unmoralischer Handelsverkehr, welcher die nachteiligsten Folgen auf die Sinnesart der unteren Volksclassen ausübte, zumal das Gesindel am Abend das Erworbene in Branntwein- und Bierkneipen zu verprassen pflegte. Im Hafen verfaulten ungenutzt dreihundert Seeschiffe, welche einen Werth von zwölf Millionen repräsentirten.“

Soweit Gallois. Fügen wir hinzu, daß, sobald die Hiobsbotschaften aus Rußland eintrafen, diese Zollgrenze überhaupt nicht mehr aufrecht zu erhalten war.

Wenn nun damals Napoleon der Erste, der doch für allmächtig und unüberwindlich galt und der sich in einem eroberten Lande Manches erlaubte, was eine deutsche Regierung in einer deutschen Stadt sich nicht erlauben kann und nicht erlauben will – wenn die französische Douane, deren eiserne Faust damals beinahe das ganze europäische Festland umkrallte, nicht im Stande war, jene binnenstädtische Zollgrenze aufrecht zu erhalten: dann ist es wohl auch heute noch einem loyalen deutschen Reichsbürger erlaubt, einige bescheidene Zweifel darüber auszusprechen, ob der preußische Finanzminister Bitter in seinen verwandten Bestrebungen größeren Erfolg haben und ob er Lorbeeren ernten wird auf einem Gebiete, auf welchem selbst das Genie eines Napoleon des Ersten und das rücksichtslose Dreinfahren des „Prinzen von Eckmühl“ nur Niederlagen erlitten.

Heute freilich, in dem Augenblicke, da ich dies schreibe, gilt die Ausrichtung der binnenstädischen Zolllinie für eine wenn nicht vollendete, dann doch definitiv feststehende Thatsache. Nicht das „Ob?“ sondern nur noch das „Wann?“ soll einem Zweifel unterliegen. Allein schon der Umstand, daß, nachdem man nun schon so lange über die Sache verhandelt, selbst die obersten staatlichen Autoritäten gänzlich außer Stande sind, den Termin, an welchem die beabsichtigte Maßregel in Kraft tritt, auch nur annäherungsweise zu bestimmen, beweist uns zur Genüge, wie zahlreich die Schwierigkeiten sind, wie groß der erforderliche Aufwand an Zeit und Geld ist, und daß wohl noch mancher Tropfen Wasser elbabwärts rinnt, bevor wir vor einer unanfechtbaren vollendeten Thatsache stehen werden. Ohne Zweifel wird daneben auch noch die Freihafen-Frage im Reichstage und die Altona-Frage (letztere schon als Budgetfrage) im preußischen Landtage einer gründlichen Erörterung unterzogen werden. Wir befinden uns daher noch in dem bekannten Stadium „zwischen Mund und Bechersrand“. Ein gutes Wort wird also wohl immer noch eine gute Stätte finden, und man wird eingedenk sein der Vorschrift der mehr als drei Jahrhunderte alten Gerichtsordnung der berühmten westfälischen Stadt Soest, die vormals auch ein tapferes und erleuchtetes Mitglied der Hansa gewesen, in welcher „Ordnung“ geschrieben steht:

„Der Richter soll, bevor er spricht, die Sache ein-, zwei- und dreimal überlegen und soll gedenken an das strenge Urtheil und das Gericht, so Gott über ihn selber zu richten gedenkt an dem letzten der Tage.“

Nun hört man freilich oft die Redensart: „Wenn und weil eine Zolllinie zwischen Hamburg einerseits und Altona oder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_676.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2021)