Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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anzurufen: das Zeugniß eines patriotischen Dichters und das der damaligen obersten politischen Autorität Deutschlands.
Während in Hamburg die Franzosen mit Feuer und Schwert wütheten, erklärten die aus Hamburg vertriebenen, zu einem Heerhaufen versammelten Hanseaten: „nicht wo ihre Häuser stünden, sondern wo sie sich mit ihren Waffen befänden, da sei ihr Vaterland, sei es auf der See oder auf dem Lande“. Dies veranlaßte Max von Schenkendorf (gestorben als preußischer Regierungsrath am 11. December 1817 in der für Deutschland wieder eroberten Stadt Coblenz) zu der prachtvollen Strophe:
„Ein Hansa-Staat im Meere,
Ein Hansa-Staat im Feld,
Der als Tyrannen-Wehre
Sich kühn entgegenstellt.
Laß Flammen Dich verzehren,
O Hamburg, reich und schön;
Man wird in jungen Ehren
Dich Phönix wiedersehn!“
In einer nur kurze Zeit später von dem Bundestage, der sich doch so selten zu einer enthusiastischen Anerkennung erhob, ausgehenden Denkschrift heißt es wörtlich:
„Die Sache Hamburgs ist Ehrensache für ganz Deutschland geworden. Die Hamburger haben sich mit edler Aufopferung und ruhmwürdigem Muthe auf die Vorposten der guten und gerechten Sache gestellt, und weil sie den Zorn des Tyrannen (Napoleon) auf sich gezogen, müssen sie der Gegenstand der Achtung und Liebe des gesammten deutschen Volkes sein. Hamburg hat für sich allein eine Heerschaar in das Feld gestellt. Hamburgs Bürger, zur Vertheidigung ihrer Vaterstadt bewaffnet, sind nur Verhältnissen gewichen, welchen selbst ganze Völker nicht zu widerstehen vermocht haben würden. Hamburgs Ehre ist Deutschlands Ehre – Hamburgs Wohlfahrt Deutschlands Wohlfahrt. Hamburg hat für ganz Deutschland gelitten. Gemeinsam muß ganz Deutschland sich bemühen, ihm zu vergelten, was es geopfert hat an Gut und Blut für die gemeinsame Sache.“
Hamburg verlangte keine andere Schadloshaltung, als daß man es anerkenne als ein lebendiges Glied des deutschen Gesammtkörpers. Dies ist ihm damals geworden, und es hatte wohl das Recht, zu erwarten oder zu fordern, daß jene französelnden Rheinbundsstimmen, von welchen ich im Eingange aus dem berüchtigten „Manuscripte aus Süddeutschland“ eine Probe mitgetheilt habe, für ewig verstummen würden. Leider genügte der Verlauf weniger Jahre, um sie wieder wachzurufen und ihnen in dem verstimmten, verbitterten und getäuschten Deutschland von 1820, welches noch unklar darüber war, in wem es den Urheber seiner Leiden zu suchen habe, sogar einen gewissen Widerhall zu verschaffen.
Damals, von 1813 ab, war es die befreiende Politik Preußens, welche auch Hamburg befreite – jene Politik Friedrich Wilhelm’s des Dritten, welche sich in einen bewußten und klaren Gegensatz zu der Continentalsperre Napoleon’s setzte und welche inaugurirt wurde durch die berühmte Breslauer Proclamation vom 17. März 1813, worin der edle Dulder über die Vergangenheit sein Verdammungsurtheil aussprach:
„Wir erlagen der Uebermacht Frankreichs. Die Freiheit des Handels ward gehemmt und dadurch die Quelle des Erwerbs und des Wohlstandes verstopft. Das Land war ein Raub der Verarmung. Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer, Ihr wißt, was Ihr seit sieben Jahren geduldet.“
Man kann keinen besseren Zeugen anrufen, als diesen König, der zugleich mit seinem getreuen Volke den Becher der Leiden bis auf die letzte Hefe leeren mußte, den sein Aufenthalt auf der Flucht, in den Lagern, in den kleinen Städten, in den Dörfern der entlegensten Theile seines Reiches mit den Bauern und den Bürgern in die unmittelbarste Berührung gebracht hatte und der sein ganzes Leben lang unentwegt festhielt an der streng-bürgerlichen Weltanschauung, die er damals gewonnen.
Die von ihm inaugurirte liberale Wirthschaftspolitik und dann Preußens uneigennütziges und rastloses Bestreben, in dem Zollverein die Einheit der Verkehrs-, Handels- und Industrie-Interessen zu verwirklichen, machten Hamburg immer mehr zu dem, wozu es von der Natur bestimmt ist, nämlich zum Hauptfreihafen für Deutschland. Noch in dem Jahresberichte, welchen das preußische Generalconsulat für das Geschäftsjahr 1862 an den Handelsminister erstattete, heißt es wörtlich:
„Die Herausbildung Hamburgs zu einer wirklichen Freihafenstadt ist gewiß für die preußischen Verkehrsinteressen von wesentlicher Bedeutung.“
In einem früheren Artikel der „Gartenlaube“ (vergl. Jahrg. 1878, Nr. 30) habe ich darzulegen versucht, wie besondere Verhältnisse auf der Insel Sicilien das Räuberwesen zu einer außerordentlichen Verbreitung und Kraftentwickelung geführt hatten; dabei wurde auch des nicht auf jene Insel beschränkten, sondern fast auf ganz Italien, ja die südlichen Länder überhaupt sich erstreckenden Umstandes gedacht, daß die große Leidenschaftlichkeit des Südländers vorzugsweise jene Verbrechen begünstige, welche man unter dem Namen der „Gewaltthat“, auch wohl der „Blutverbrechen“ zusammenfaßt. Verbrechen dagegen, welche eine kalte Ueberlegung und Berechnung voraussetzen, kommen im Verhältniß zu jenen Gewaltthaten und im Vergleiche mit den nördlichen Ländern dort seltener vor. Nur eine Art der Betrügerei macht hiervon eine Ausnahme – das Verbrechen der „Falschmünzerei“.
Die Häufigkeit dieser Betrugsart in Italien erklärt sich durch die eigenthümlichen, höchst ungünstigen Finanzverhältnisse dieses Staates. Bekanntlich gehört das Königreich Italien dem lateinischen Münzsystem an, man kann aber heutzutage recht wohl ein halbes Jahr in Italien leben, ohne auch nur einmal einem Stücke italienischen Gold- oder Silbergeldes zu begegnen. Namentlich letzteres ist so gut wie vollständig aus dem Verkehr verschwunden und durch Papiergeld ersetzt, das in Scheinen von einhalb Lira (nicht ganz vierzig Pfennig), einem, zwei, fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, hundert, fünfhundert Lire etc. umläuft.
Die Unbequemlichkeit dieses Münzwesens, welches das gleichzeitige Führen von mindestens zwei Geldtaschen voraussetzt, eine für das Kupfergeld, die zweite für das Papiergeld, wird für den Fremden wesentlich dadurch erhöht, daß fast in allen großen Städten, wie Turin, Mailand, Venedig, Genua, Florenz, Rom, Neapel, Palermo etc., Banken mit dem bezüglichen Stadtnamen (z. B. „Banca di Firenze“, „Banca Romana“) bestehen, welche zur Ausgabe von Banknoten berechtigt sind, deren Cours sich aber nicht auf das ganze Königreich erstreckt, sondern in der Weise auf die betreffende Stadt und die zugehörige Provinz beschränkt ist, daß man zum Beispiel in Venedig empfangene kleine Scheine schon in Rom nicht ohne die Hülfe eines Banquiers und nur mit Verlust verwerthen kann.
Das Aeußere dieser kleinen Geldscheine ist natürlich schauderhaft; der Billigkeit wegen ist von vornherein auf die Herstellung keine besondere Sorgfalt verwendet; was Wunder, wenn dieselben nach kaum einjähriger Umlaufszeit, zerrissen, geflickt, beschmutzt, dem Auge des Privatmannes kein einziges Echtheits- oder Falschheitszeichen mehr darbieten? Man empfängt ein Papier, welches das bekannte Aussehen des italienischen Papiergeldes an sich trägt – man nimmt es ohne weitere Prüfung als echt an, um am folgenden Tage vielleicht zu erleben, daß ein anderer Händler jene Zettel zurückweist. Man ärgert sich, gelobt sich größere Vorsicht, ist aber gleichwohl nicht im Stande, seinem Gelübde treu zu bleiben – und schließlich nimmt und verausgabt man die empfangenen Zettel ohne Prüfung und trägt damit zur Begünstigung der Falschmünzerei sein Theil bei.
Denn, daß „Gelegenheit“ nicht nur „Diebe“, sondern auch „Falschmünzer“ macht, davon ist Italien ein redendes Beispiel, da in diesem Lande vielleicht mehr falsches Papiergeld, als in den Ländern des übrigen Europas zusammengenommen, umläuft. Rechnet man zu den genannten verführerischen Umständen noch hinzu, daß das Land vielfach einsame, von Menschen wenig besuchte Orte darbietet, in denen die Herstellung der falschen Noten möglichst gefahrlos betrieben werden kann, so erscheinen hier alle Voraussetzungen gegeben, um die Falschmünzerei zur Blüthe zu
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 654. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_654.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)