Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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im Jahre 1877 auf dem deutschen Anthropologen-Congreß in Constanz folgendermaßen: „Ich muß nach Ausmessung verschiedener Knochen großer Thiere bei der Ansicht bleiben, daß dieser Knochendolch mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein Stück Mammuthknochen ist. Heute wird bei uns fossiles Elfenbein von Mammuth in großer Menge verarbeitet, dessen gute Erhaltung wir der Kälte des nordischen Klimas verdanken.“
Auch für die Gegend bei Weimar fehlt es nicht an Beweisen für die Gleichzeitigkeit des Menschen mit den Thieren der Diluvialzeit. Als im Dorfe Taubach an der Ilm ein Hausbesitzer unmittelbar hinter seinem Hofe einen Keller anlegen wollte, stieß er dicht unter der Erdoberfläche, und zwar unterhalb einer Schicht von Lehm und festem Tuffstein, auf eine Schicht von lehmigem Sand, welche auf einem Raum von nur zehn Schritt Länge und drei Meter Tiefe ein förmliches Museum von Gegenständen der Urzeit enthielt. Der Besitzer konnte ein kleines Zimmer seines Hauses ganz füllen mit den prächtigsten Schädeln und Knochen diluvialer Thiere: Elephant, Rhinoceros, Auerochs, Riesenhirsch fanden sich hier neben braunem Bär, Edelhirsch, Reh und Wildschwein. In der sandigen Schicht, welche zahlreiche Geröllsteine führte, kam neben diesen Knochen eine Reihe von Gegenständen zum Vorschein, welche die Spur des Menschen anzuzeigen schienen: Feuersteinscherben mit ganz weißer Patina, deutliche Stücke von Holzkohlen, ein angebrannter Zehenknochen eines größeren Säugethieres und scheinbar geschlagene Stücke von Extremitätenknochen sehr großer Säugethiere.
Es kann natürlich nicht die Absicht dieser kurzen Besprechung der deutschen Prähistorie sein, alle in Deutschland aufgefundenen Beweise des gleichzeitigen Zusammenlebens des Menschen mit den Thieren jener fern entlegenen Diluvialzeit vorzuführen. Erwähnt sei nur noch, daß in Süddeutschland schon seit langer Zeit der verdienstvolle Stuttgarter Geolog Prof. Dr. Oscar Fraas sich an die Erforschung der ältesten Spuren des Menschen gemacht und überhaupt zuerst die Thatsache constatirt hat, daß der Mensch in Deutschland schon mit den ausgestorbenen Geschlechtern der großen Dickhäuter und Fleischfresser zusammen gelebt hat. Die Höhlenausgrabungen von Hohlestein im Jahre 1862, vom Schussenrieder Moor im Jahre 1866, vom Hohlefels im Jahre 1872 und von der Ofnet im Jahre 1876 haben reichliche Beweise dafür und der Wissenschaft zugleich mit die ältesten Fundstücke geliefert, die Deutschland über die Existenz des Menschen auf seinem Gebiete besitzt.
Unter den berühmtesten Belegstücken, welche dieser Forscher auf der prähistorischen Ausstellung im Abgeordnetenhause zu Berlin vorführte, befand sich das vielleicht älteste Haubeil, ein Bärenkiefer, nebst einem danebenliegenden geöffneten Markknochen mit einem Loch, in welches der Eckzahn des Kiefers genau paßt, ferner von der vielbesprochenen Renthierstation Schussenried, die unmittelbar auf der Moräne des ehemaligen Rheingletschers errichtet ist, sechs Stück mit Feuersteinsplittern bearbeitete Rengeweihe, viele Feuersteinsplitter, Messer und Schaber, sowie ein ehemals als Trink- und Schöpfgefäß benutzter Renthierschädel. Vom Hohlefels waren bearbeitete Knochen, Pferdezähne, die durchbohrt sind, um zum Schmucke zu dienen, Feuersteinsplitter u. dergl. m. da.
Wir können hiermit die Betrachtung jener diluvialen Epoche schließen, in Bezug auf welche hoffentlich jeder unserer Leser überzeugt sein wird, daß laut obiger Beweise wirklich der Mensch damals bereits gelebt und daß er das Dasein eines umherschweifenden Jägers geführt hat. Ohne festen Wohnsitz, ohne Heimath irrte er umher, den Spuren des wandernden Wildes folgend, heute unter überhängenden salzigen Gypsfelsen, morgen in einer Höhle seinen Wohnsitz aufschlagend. Wie viele Jahre jene Epoche hinter unserer Gegenwart zurückliegt, vermag kein Gelehrter mit irgend welcher Bestimmtheit anzugeben.
Schwerlich lag übrigens damals Europa innerhalb seiner heutigen Meeresgrenzen. Alfred Nehring wenigstens nimmt auf Grund seiner Untersuchungen über die quaternäre Fauna von Thiede und Westeregeln an, daß die Westgrenze von Europa in der Zeit nach der Gletscherperiode wahrscheinlich mit der sogenannten Hundertfaden-Tiefenlinie des heutigen Meeres zusammenfiel und daß der Süden von Europa bereits eine feste Landverbindung mit Nordafrika besaß. Trockenen Fußes hätten also hiernach zur Diluvialzeit Menschen und Thiere von Afrika aus an den beiden Binnenseen vorbei, die damals das mittelländische Meer bildeten, nach Norden wandern können; trockenen Fußes hätten sie Großbritannien und Skandinavien zu erreichen vermocht. Viele Jahrtausende später wäre alsdann erst die Küstengliederung von Europa erfolgt; das Flußsystem in Deutschland hätte sich herausgebildet, und als die Staub- und Schuttlagen zwischen den Gypsfelsen von Thiede und Westeregeln solche Höhe erreicht hatten, daß die Klippen davon ganz überdeckt wurden, war eine so immense Zeit verflossen, daß die Steppenfauna einer Waldfauna Platz gemacht, das Klima sich verändert hatte und die Zeiten des Cäsar und Tacitus herangekommen waren. Es bleibt sehr merkwürdig, daß wir nach jener gewaltigen diluvialen Zeit, wo der Mensch mit dem Mammuth und Höhlenlöwen um die Herrschaft der Erde stritt, bis zum Hereinbrechen der nächsten prähistorischen Periode, von der uns reichlichere Kunde zu Theil geworden ist, beinahe nichts wissen. Mit unserer Kenntniß von der Existenz des Menschen gleichzeitig mit jener Thierwelt erlischt für uns für viele Jahrtausende die Urkunde der prähistorischen Forschung fast ganz, um späterhin eine um so deutlichere Schrift aufzuweisen.
Die vielen geographischen Vereine, welche in den verschiedenen Ländern der alten und neuen Welt seit Jahrzehnten bestehen, bezwecken bekanntlich eine Erweiterung der geographischen Kenntnisse, theils durch Vorträge und Schriften, theils durch Beschaffung pecuniärer Mittel für die Erforschung unbekannter Theile unseres Planeten. Sie haben unstreitig viel für die Wissenschaft geleistet, dagegen zogen sie die praktische Anwendung der Erdkunde auf die Förderung des Handels und der Colonisation weniger in den Bereich ihrer Thätigkeit, ein Mangel, dem man zunächst in Paris abzuhelfen suchte, indem dort im Jahre 1873 verschiedene Mitglieder der Chambres syndicales und der Geographischen Gesellschaft, darunter sehr hervorragende Männer, wie Admiral Baron de la Roncière le Noury, Ferdinand von Lesseps, Delesse, Quatrefages und Andere, zu einem Comité zusammentraten, welches die Gründung einer handelsgeographischen Gesellschaft bewirkte. Von dieser wurde zunächst die Herausgabe von Specialkarten Frankreichs für Industrie, Handel und Ackerbau, von handelsgeographischen Handbüchern und ähnlichen Werken betrieben, überhaupt eine sehr umfangreiche Thätigkeit entwickelt. Lyon, Bordeaux und Marseille folgten zunächst dem gegebenen Beispiele, aber auch in anderen Städten Frankreichs, sowie in Lissabon, Madrid, Antwerpen, Rom, Quebec, St. Gallen etc. entstanden theils selbstständige handelsgeographische Vereine, theils wurden Sectionen für Handelsgeographie in den dort bereits bestehenden geographischen Vereinen gebildet.
Im Jahre 1878 während der Pariser Weltausstellung wurde auf Anregung der Société de géographie von Bordeaux ein internationaler handelsgeographischer Congreß zusammenberufen. Derselbe stand unter der Protection der französischen Regierung und hielt seine Hauptversammlungen im Trocadero-Palast, seine Sectionssitzungen in den Tuilerien ab. Auf demselben waren die Regierungen von Italien, Belgien, Portugal, Norwegen, Rumänien, den centralamerikanischen Republiken und Brasilien, sowie außer den französischen geographischen Gesellschaften und Handelskammern viele geographische Vereine des Auslandes vertreten, unter letzteren die geographischen Vereine von Berlin und Leipzig.
Unter den Berathungsgegenständen des Congresses erwähnen wir nur die Berathungen über die Anlage des Panama-Canals, über die Bildung handelsgeographischer Museen aus den Erzeugnissen aller Länder und Völker, welche damals nahezu vollständig auf der Weltausstellung vertreten waren, sowie einen Bericht des Herrn Brau de Saint Pol-Lias über die von ihm gegründete Société des Colons Explorateurs, welche die Erforschung wenig bekannter Länder mit der Ausbeutung ihrer Naturschätze zu verbinden
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_586.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)