Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Die ersten Redner wurden noch allgemein verstanden. Kaiser Wilhelm, welchem nach einem dreifachen Hoch ein Telegramm nach Gastein gesendet ward, antwortete mit seinem Dank und einem Wunsch für das fröhliche Gedeihen „des mit der körperlichen Bildung zugleich den nationalen Sinn belebenden Turnwesens“. Eine persönliche Theilnahme am Feste hatten er sowohl, wie der Kronprinz, Fürst von Bismarck und die Minister des Innern und des Krieges unter Danksagung abgelehnt.
Am Dienstag Morgen gegen zehn Uhr begann das Wettturnen der sechs Riegen zu je fünfzig Mann, des Regens wegen in zwei Hallen. So konnte leider des beschränkten Raums halber an ein Zuschauen von Turnfreunden nicht gedacht werden.
Beim Stabhochspringen nahm der Turner Meller aus Bockenheim ohne Sprungbrett die übernormale Höhe von zwei Meter achtzig Centimeter. Auch an den Geräthen wurde, besonders in den Kürübungen, Vortreffliches geleistet. Je zwei Pflichtübungen und eine Kürübung (das heißt zwei vorgeschriebene Uebungen und eine solche, bei der die Wahl freistand) am Reck, am Barren und am Pferd waren gefordert, dazu Betheiligung am Stabhochsprung, am Steinstoßen und am Weitsprung. Bis Mittwoch Mittag wurde das Wettturnen in den Hallen und theilweise aus dem Festplatze fortgesetzt, während der Berechnungsausschuß tapfer arbeitete und innerhalb weniger Stunden von mehr als dreihundert Turnern zwanzigtausend Resultate zu constatiren, zuzustellen und zu berechnen hatte.
Das Schaufechten (Säbelschlagen) von beinahe hundert Personen, am Dienstag mehrmals durch das Unwetter gestört, wurde am Mittwoch nach neun Uhr fortgesetzt. Am Ringkampf, der darauf Nachmittags gegen fünf Uhr begann, betheiligten sich über fünfzig Paare.
Nach Abwickelung des officiellen Programms winkten dem Turner Genüsse aller Art. Er konnte auf einem der beiden Tanzsäle eine und die andere der vielen anerkannt schönen Frankfurterinnen zu Tanze führen; er konnte auf dem „Dultplatze“ sich den harmlosen Volksbelustigungen hingeben, vom Caroussel und Amboßschlagen bis zum Tauchen und zum Kasperltheater; er mußte wenigstens einmal gegen Vorzeigung der Festkarte die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein nehmen, und schließlich stand ihm frei, auf dem Festplatze das Concert anzuhören, dessen wirksamsten Theil der mit bewundernswerther Reinheit und Sauberkeit vorgetragene Massengesang der vereinigten 1200 Sänger Frankfurts von der großen Tribüne aus unter Leitung des Capellmeisters Freund und des Musikdirectors Gellert bildete. Ein zweiter Theil des Concerts spielte sich in der Festhalle ab. Von privaten geselligen Zusammenkünften, welche sich an das Fest schlossen, erwähnen wir nur zwei. Am Sonntag Abend versammelten sich etwa 700 Personen aus Oesterreich-Ungarn im Saal des Cafés zur neuen Börse, am Mittwoch Mittag 200 Amerikaner in der Festhalle auf Anregung des amerikanischen Generalconsuls A. Lee.
Die Verkündigung der Sieger geschah durch den Vorsitzenden der deutschen Turnerschaft, Rechtsanwalt Th. Georgii, von den Stufen des siebenzehneinhalb Fuß hohen Kolossalstandbildes der Germania herab. Die Statue war von dem Frankfurter Bildhauer Anton Karl Rumpf in Gyps massiv modellirt und von den Herren Anton und Moritz Hahn dem Central-Ausschuß gestiftet. Es hat sich ergeben, daß der erste Preis von dem Frankfurter Turner Christian Meller mit 69,2 bei 75 möglichen Punkten errungen ist. Der letzte, zweiundzwanzigste Preis ist zufällig auf den Bruder des ersten Siegers, Michael Meller, dem siebenten Verein zu Nürnberg angehörig, mit 45 Punkten gefallen. Die acht Mann starke Riege aus Milwaukee nimmt sechs Turnpreise und einen Ringpreis mit über den Ocean zurück. München hat drei Turn- und einen Ringpreis erworben, Frankfurt drei Turn- und sieben Fechtpreise, Birmingham einen Turn- und einen Ringpreis. Die Berliner, sei es durch den Regen abgeschreckt, oder von Zeit und Ort des Wettturnens nicht genügend oder nicht rechtzeitig benachrichtigt, turnten größtentheils nicht mit, gingen daher leer aus und würden einen größeren Schmerz empfinden müssen, wenn sie nicht überzeugt sein dürften, daß sie in den Tagen zuvor beim Kür- und Musterturnen Vorzügliches gezeigt hätten. Uebrigens waren nach der neuen Turnfestordnung nur die besten Durchschnittsturner zu krönen; die höchsten Leistungen an den einzelnen Geräthen sind nicht zur Geltung gekommen.
Während die deutschen Fechtlehrer in der Adlerflychtschule saßen und das Wohl des Fechtens beriethen, strebte der bei weitem größere Theil der Festgenossen am Donnerstag in das Weite und betheiligte sich an den Turnfahrten, die nach dem Taunus, dem Rhein und nach der Bergstraße unter dem Schutze von Ausschußmitgliedern unternommen wurden. Noch acht Tage nach dem Feste erscholl von der Spitze des Lurleyfelsens, wie von der Brücke der Wartburg, vom Feldberge, wie vom Heidelberger Schlosse herab ein kräftiges: „Gut Heil!“
Wenn auch das beklagenswerte Unglück beim letzten Feuerwerk wie eine finstere Wolke den Glanz des Festes schließlich verdunkelt hat, so wird doch sonnenhell leuchtende Wahrheit bleiben, daß manche nationale Anregungen von der alten Krönungsstadt ausgegangen, internationale Freundschaften geschlossen sind, daß der patriotische Sinn belebt und durch das Fest ein neuer Markstein für die Geschichte des Turnwesens aufgerichtet worden ist.
Unvergeßlich aber wird es allen bleiben, mit welcher Opferwilligkeit Jung und Alt, Hoch und Niedrig in Frankfurt sich bemüht hat, das Fest zu verschönern mit welcher Freigebigkeit und Aufmerksamkeit Jedermann in den Häusern bewirthet und bedient ist, mit welcher Bereitwilligkeit der Frankfurter Bürger dem deutschen Turner Haus, Herz und Hand geöffnet hat. Länger als an den Anschlagsäulen in Frankfurt wird in allen Landen, deren Vertreter die schöne Mainstadt gesehen, in den Herzen der Betheiligten das aufrichtige Gefühl des Dankes und eine angenehme Erinnerung wach bleiben.
„Zierlich denken, süß erinnern
Ist das Leben im tiefsten Innern.“
Goethe.
Noch einmal die französischen Pendulen und die deutschen Soldaten. Von dem Herrn Stabsarzt Dr. Leopold Glaser in Mönchberg geht uns die nachfolgende Mittheilung zu. „Die Gartenlaube“ berichtete vor einiger Zeit (vergl. Nr. 40 von 1879 unter ‚Blätter und Blüthen‘!) zur Rettung deutscher Soldatenehre über eine von der Pariser Zeitung ‚Soleil‘ mitgetheilte Gerichtsverhandlung. Am Schlusse des Berichts, welcher über die Unschuld der fälschlich großer Rohheit bezichtigten deutschen Soldaten keine Zweifel läßt, heißt es sodann: ‚Wie manche der angeblich von diesen „Prussiens“ verübten Unthaten mögen auf solche Weise ihre Erklärung finden!‘ Bei diesem Ausrufe fiel mir Folgendes ein.
Das baierische Regiment Prinz Otto-Chevauxlegers, bei welchem ich im französischen Feldzug 1870 und 1871 diente, lag vom 19. September ab in Villegénis, einem einzeln stehenden Schlosse zwischen Verrières und Longjumeau, das der alte König ‚Luschtik‘ erbaut und der folgende Besitzer, der weltbekannte Spielwaaren- und Phantasie-Artikel-Fabrikant Alphons Giroux mit wahrhaft feenhaftem Luxus ausgesattet hatte. Am 13. December erhielten wir plötzlich Befehl zum Abmarsche nach Orleans, um dort ein anderes baierisches Reiterregiment zu ersetzen, das schwer gelitten hatte. Der Aufbruch sollte möglichst schnell erfolgen. Als aber unsere Schwadronen auf dem Sammelplatze erschienen, verkündete uns der Regiments-Commandeur die inzwischen erfolgte Gegenordre, worauf wir in die Quartiere zurückkehrten.
Am nächsten Morgen hörte ich lautes Schelten auf dem Corridor und erfuhr, daß die Zeit unserer Abwesenheit dazu benützt worden sei, aus dem Zimmer des Rittmeisters K. eine Pendule zu entfernen, die durch ihre Größe und Schönheit die Bewunderung aller unserer Gäste auf sich gezogen hatte. Daß sie Niemand von der Mannschaft zum Andenken mitgenommen hatte, war sofort uns Allen klar. Was sollte er damit auf dem Pferde? Zum Schutze der gesammten Schloßräumlichkeiten war von der Herrschaft eine Anzahl Dienstpersonen zurückgelassen worden. Auf sie fiel selbstverständlich unser erster Verdacht. Mit der Inquirirung dieser Personen wurde denn auch sogleich begonnen; sie betheuerten jedoch allesammt ihre Unschuld mit so beredten Worten in Französisch, Deutsch und Halbfranzösisch – Einige von ihnen waren von der französisch-schweizerischen Grenze – daß wir die hartgesottenen Bösewichter Freund W., dem Langen, zum Inquiriren übergaben, und ihm gestanden die Schelme, daß sie die werthvolle Uhr entwendet hatten.
Ganz richtig hatten sie angenommen, daß der Verdacht des Diebstahls auf die abziehenden deutschen Soldaten fallen würde, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß sie, wenn sie Zeit gehabt hätten – Alles in Allem gerechnet betrug unsere Abwesenheit etwa eine und eine halbe Stunde – auch noch die anderen Werthgegenstände, eine Anzahl von Uhren, an sich genommen hätten. Unser definitiver Abzug vom Schlosse ging am 18. März vor sich. Sollte nach demselben nicht eine Wiederholung des Vorganges vom 13. December stattgefunden haben?
Zum Schlusse möge noch ein anderer Vorfall Erwähnung finden,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 575. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_575.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)