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Seite:Die Gartenlaube (1880) 542.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


soll. Von der Familie Menke, welche den Wandel der Glücksgüter an sich erfahren hat, kaufte die königliche Hofkammer 1868 die Domäne zurück.

Das Schloß zu Wusterhausen schien eine Zeitlang fast ganz in Vergessenheit gekommen zu sein. König Friedrich Wilhelm der Vierte, der bekanntlich kein leidenschaftlicher Jagdliebhaber war, scheint für dasselbe keine Neigung gehabt zu haben.

Erst unter König Wilhelm ist das Schloß in seiner inneren Einrichtung wieder hergestellt und seiner alten Bestimmung zurückgegeben worden, und seit dem Jahre 1863 haben, wie das schon erwähnte Jagdbuch nachweist, hier regelmäßig Jagden stattgefunden. Nur im Jahre 1870 sind dieselben, wie es in des Kaisers eigenhändiger Bemerkung heißt: „aus bekannten Gründen“, ausgefallen. Gewöhnlich im Spätherbst, oft auch erst im Winter wird der Besuch des Kaisers und einiger hohen Gäste in Königs-Wusterhausen angesagt. Dann beleben sich wieder die Räume des alten Schlosses, und es bleibt auch kein Winkelchen unbesetzt. Die hohen Herren müssen sich fast sämmtlich, jeder mit einem nicht einmal sehr geräumigen Zimmer begnügen, und das Jagdgefolge wird in den Cavalierflügeln untergebracht. Auch die beiden Zimmer im unteren Stockwerke, welche der Kaiser bewohnt, zeichnen sich nicht vor den übrigen aus. In das Jagdbuch hat der Kaiser eigenhändig das Datum jedes Jagdtages eingetragen. Unter diesem Datum tragen sich die sämmtlichen Gäste, insofern sie zum ersten Male den kaiserlichen Jagden in Wusterhausen beiwohnen, ein. Da begegnen wir nun freilich anderen Namen, als zu Zeiten König Friedrich Wilhelm’s des Ersten. Das Jagdbuch nennt unter den Theilnehmern der letzten Jagd (21. und 22. December 1879) unter Anderem: Wladimir, General-Duc de Russie, Wilhelm, Prinz von Preußen, den Grafen Oubril, russischen Botschafter am kaiserlichen Hofe zu Berlin, den König Albert und den Prinzen Georg von Sachsen, den Großherzog von Mecklenburg und Andere.

Auch das Tabakscollegium ist in gewissem Sinne wieder auferstanden. In demselben Saale, wo einst der absolute Monarch sein berühmtes „Rauchparlament“ um sich versammelte, finden sich am Abend des Jagdtages der Kaiser und die Theilnehmer der Jagd in ihren einfachen, bequemen Hauskleidern zusammen. An demselben langen hölzernen Tische und auf den Stühlen, welche König Friedrich Wilhelm der Erste und seine Genossen, der Fürst von Dessau, Grumbkow, Seckendorf, seine witzigen Junker, die Gröben und Löben, und sein lustiger Rath Gundling einnahmen, läßt sich auch die heutige Tabaksgesellschaft nieder. Man raucht größtentheils holländischen Tabak. Auch der Kaiser, welcher sonst bekanntlich nicht raucht, bläst hier doch einige Male den Dampf durch das thönerne Rohr. Die Gläser werden aus den irdenen Krügen – nicht mit Ducksteiner oder mit Köpenicker Moll – sondern mit echtem baierischem Bier gefüllt, und die Unterhaltung nimmt ihren heiteren Verlauf, wobei jedoch nicht – wie so häufig in dem Tabakscollegium Friedrich Wilhelm’s des Ersten – die politischen Angelegenheiten, sondern die Ereignisse des Tages, die Ergebnisse der letzten Jagd den Hauptgegenstand bilden. Für diejenigen Herren, welche dem Kartenspiele den Vorzug geben, sind einige Spieltische in Bereitschaft gestellt, und für Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse ist durch Aufstellung eines Buffettisches mit kalter Küche in dem Nebenzimmer gesorgt.

Die Ankunft des Kaisers wird in Wusterhausen als ein Fest gefeiert. Möchten die Wusterhäuser sich noch recht oft des Glückes freuen, den Kaiser Wilhelm in dem Schlosse drüben einkehren zu sehen und möchte es dem greisen Helden beschieden sein, noch häufig bei voller Rüstigkeit und Frische in den Wusterhäuser Forsten dem gewohnten Waidwerke nachzugehen!




Vernünftige Gedanken einer Hausmutter.
Von C. Michael.[1]
11. Vergeßlichkeit und Vergessen.

Wie viel Leid und Aergerniß bringen alle vergessenen Dinge in die Welt! „Ach, wenn es doch keine Vergeßlichkeit gäbe!“ seufzt mehr als eine Hausmutter, wenn sie eben, mit Paketen beladen, aus der Stadt kommt und gerade das Allerwichtigste – das, um dessen willen sie ausgegangen ist – vergessen hat.

„Wenn es doch kein Vergessen gäbe!“ Welch thörichter Wunsch! Wenn uns der Himmel nicht den großen Segen bescheert hätte, vergessen zu können, wie elend wäre unser Dasein! Müßten wir denn nicht alle großen Schmerzen und kleinen Aergernisse unseres ganzen Lebens mit uns fortschleppen bis an’s Grab?

Das „Vergessenkönnen“ ist keine Schwäche; es ist eine der segensvollsten Kräfte unseres Geistes; nur kommt es darauf an, was man vergessen soll. Ich glaube nämlich bestimmt, daß man auch diese Seelenkraft ebenso streng schulen und in seine Gewalt bekommen kann, wie alle übrigen, daß man, bei einiger Selbstbeherrschung, sich stets zwingen kann, das zu vergessen, was man vergessen will. So aber wie jede Tugend zu einem Fehler, wird jede Kraft unserer Seele zur Schwäche, wenn sie falsch benutzt wird. Wie schön ist, beispielsweise, die Tugend des Mitgefühles bei fremdem Leide, und doch kann sie ausarten in weichlich sentimentalen Weltschmerz; wie groß und herrlich steht der echte Wohlthäter der Menschen da, wie lächerlich und erbärmlich Jener, der da „allen Sperlingen Schuhe schaffen“ möchte, und doch entspringt das Thun Beider aus derselben Quelle, aus dem Wunsche, Glück zu verbreiten auf Erden; nur durch die Mittel, welche sie dazu anwenden, unterscheidet sich der wahre Menschenfreund vom lächerlichen Don Quixote.

So geht es mit allen Tugenden und Kräften unserer Seele, so geht’s auch mit dem arg geschmähten Vergessen.

Wir dürfen nicht nur, wir sollen und müssen gar viele Dinge vergessen – aber welche?

Wenn ich darüber nachsinne, so ist mir, als bestünde unser Gedächtnißschrein aus mehreren verschiedenen Fächern. Da giebt es nun Erinnerungen, schöne, traurige oder geheiligte, die soll man ganz tief zu unterst legen, wo sie still und sicher ruhen für ewig, ohne durch den rasch wechselnden Inhalt der obern Fächer gestört zu werden. In diesen obersten Fächern aber, da gilt es, Ordnung zu halten.

Wir haben darin nur einen bestimmt begrenzten Raum und können nur Platz schaffen für das Wichtige, indem wir den alten, unnützen Plunder hinaus werfen.

Ihr schüttelt die Köpfe?

O, probirt es nur, Ordnung zu machen in Kopf und Herzen – dann hat gar wunderbar Vieles Platz in dem kleinen Gehirnkästchen. – Hätte jene Frau, die schwer bepackt aus der Stadt kommt, nicht den ganzen Weg über an das neue Kleid ihrer Nachbarin gedacht und sich dessen Schnitt und Farbe beständig vor das geistige Auge gehalten, hätte sie lieber an das Kleid ihres Kindes gedacht, das sie heute noch zuschneiden will – sicherlich würde sie dann die Zuthat zu demselben einzukaufen nicht vergessen haben und brauchte jetzt nicht, mit tiefen Seufzern über ihre Vergeßlichkeit, umzukehren, um den weiten Weg noch einmal zu machen.

Was wir im Kopfe behalten müssen, ist so gar viel nicht, wenn es ganz allein darin steckt. Für besondere Fälle giebt

  1. Von der so schnell beliebt gewordenen Verfasserin sind unter dem Titel „Vernünftige Gedanken einer Hausmutter. Prosa und Poesie“ (Leipzig, Ernst Keil) soeben die in unserem Blatte unter dieser Rubrik bereits früher veröffentlichten Aufsätze als Buch erschienen. Diese in der Schule des täglichen Lebens entstandenen, ebenso warmblütigen wie einfachen Aufzeichnungen, welche durch eine Reihe bisher noch ungedruckter gleichartiger Erzeugnisse der Verfasserin eine schätzenswerthe Bereicherung erfahren haben, dürfen bei ihrem inneren Werthe und ihrer sittlichen Gediegenheit wohl einer allgemeinen freundlichen Aufnahme von Seiten der Leser der „Gartenlaube“ gewiß sein, dies um so mehr, als es gerade Stimmen aus diesen Kreisen waren, welche den Wunsch nach einer in Buchform zusammengefaßten Sammlung von C. Michael’s „Vernünftigen Gedanken“ wiederholt dringend aussprachen. Möge das hiermit unseren Lesern dargebotene trefflich ausgestattete Buch (Preis 3 Mark), welches, wie es die Widmung andeutet, die geistige Ausbeute eines vollen Menschenlebens repräsentirt, den deutschen Hausmüttern – denn an diese wendet es sich in erster Reihe – ein bei der ihm innewohnenden Gesundheit und Frische der Lebensansichten stets gern gesehener Freund und Rathgeber werden!
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_542.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)