Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Jakob Robert Steiger, der schweizerische Patriot und Staatsmann, durch sein politisches Märtyrerthum in Luzern und vom Sonderbundskrieg her eine geschichtliche Person, schrieb am 18. August 1849 für das Schiller-Album Folgendes nieder:
„Kühn wallt mit philosophischem Geiste den Völkern voran die Phantasie des unsterblichen Dichters – kaum noch Gedanke, ein Wort, ein Nebelgebilde. – Aber dem Embryo gleich, erhält das dunkle Gebilde, der Gedanke, das Wort Fleisch und Bein und wird ein lebenskräftig Geschöpf. Wenn oft unförmlich im Beginn, wie der Adler beim Durchbrechen des Ei’s, erreicht die einmal zur That werdende Idee bald die Kühnheit des ersten Gedankens, und die erst gaffende Menge jauchzt zuletzt selbst Triumph dem leitenden Geist zu.
Den Glauben an die Gewalt der Idee lasse im Glück und im Unglück sich Niemand rauben. Dem Unterdrückten ist er der leitende Stern in der Nacht des verfolgenden Schicksals, dem Unterdrücker ein blutig Gespenst für die mißbrauchte Gewalt – Allen die Aussicht des Lohns für den geistigen Werth.
Nicht verzagt! Der deutsche Geist wird eine Wahrheit sein, wie in der Idee, so in der That!“
Zehn Jahre nach der großen politischen Weihe der Paulskirche widmete Bernhard Endrulat dem Album den folgenden Dank, welcher den Schluß unserer Mittheilung bilden mag:
„Als Deutschland unter’m Schritt der Fremden stöhnte,
Da schiedest du, sein bester Geist, von hinnen.
Du sahst nicht mehr das Freiheitswerk beginnen,
Sahst nicht den Sieg, der uns’re Fahnen krönte!
Doch fort und fort dein heil’ger Name tönte;
Dein Geist sprach feurig zu des Jünglings Sinnen,
Scholl ihm im Sturz erstürmter Feindeszinnen,
Und wo der Feldschlacht Riesendonner dröhnte.
So warst du dennoch bei uns, hoher Sänger,
Und deiner Feldherrnschaft ist heiß zu danken,
Daß wir entledigt sind der fremden Dränger.
Du siegtest längst im Reiche der Gedanken
Da trug dein Volk die Schmach des Druck’s nicht länger:
Es schritt dir nach, und alle Fesseln sanken!“
Wenn ich jetzt noch einmal die beiden Album-Bände mit ihren mehr als zweihundert Blättern im Geiste überschaue, so drängt sich mir doch das Gefühl der Verpflichtung auf, noch auf manchen Namen in denselben hinzuweisen, der in unserem engen Rahmen keinen Platz fand.
Vor Allen wollen wir, eben weil es bei der jüngeren Generation nicht mehr Sitte ist, das Alter ehren. Die drei ältesten Einzeichner sind der damals achtzigjährige Hofschauspieler Graff in Weimar, der ebenso alte Geheime Medicinalrath Meyer in Minden und Graf Christian Ernst von Bentzel-Sternau, der Staatsmann und Schriftsteller, der, von seinem Humor noch im zweiundachtzigsten Jahre nicht verlassen, sondern jung erhalten, zwei Jahre später, 1851, auf seinem Landsitze Marienhalde am Zürichsee starb. Aus dem Fürstenstande finden wir den König Oscar von Schweden, den Fürsten Heinrich LXII. von Reuß-Schleiz, die Fürstin Caroline von Schwarzburg-Rudolstadt, den Fürsten Lynar in Dresden; Schiller’s Familie ist noch vertreten durch Schiller’s Schwester Christophine (Reinwald), Ludw. von Gleichen (Schiller’s Enkel), und Schiller’s Töchter Emilie von Gleichen-Rußwurm und Caroline Junot, sowie endlich durch Charlotte von Schiller, des Dichters Gattin.
Zahlreich und sinnig haben die Künstler aller Art dem Dichter ihre Huldigungen dargebracht: durch Inschriften die berühmtesten Namen der Bühne (Auguste Crelinger, L. Dessoir, E. Devrient, Th. Döring, A. Haizinger etc.), durch Compositionen die Tonmeister (Chelard, W. Ernst, Hiller, Lindpaintner, Lortzing, J. C. Lobe, Drouet etc.) und endlich die Maler (wie Achenbach, Crola, Gegenbaur, C. G. Hammer etc.) durch Bilderschmuck. Hier müssen wir ganz besonders auch Professor Thon und Fräulein Angelika Facius, die Bildhauerin, nennen, welche, jener durch ein Titelblatt, diese durch ein Schiller-Portrait, den Einband künstlerisch ausstatten halfen.
Die im Album vertretenen Schriftsteller, Gelehrten, Dichter und sonstigen Verehrer Schiller’s hier aufzuzählen, wird man uns gern erlassen. Wer auf dem geweihten Boden Weimars weilt, wird es nicht versäumen, auch das Schiller-Haus zu besuchen und das Album aufzuschlagen. Muß doch schon der eine Reiz dazu verlocken, auf diesen Blättern die eigene Handschrift so vieler berühmter und bedeutender Männer und Frauen zu sehen und ihnen geistig dadurch näher zu kommen; denn die Handschrift verräth ja viel vom innersten Menschen, und wir finden sie von allen Arten, von der Verschnörkelung, welche die Eitelkeit liebt, bis zu den ruhigen und festen Zügen des vertrauenswürdigen Charakters, vom raschen Striche der Jugend bis zu den zitterigen Zeilen der Greise. Aus allen aber spricht das, was unser Eingangsgruß uns sagt, wie hoch unser Schiller in den Herzen aller Deutschen steht, wie innig „das deutsche Volk ihn liebt.“
Von Franz Mehring.
Ueber den Zusammenhang der Attentate Hödel’s und Nobiling’s mit der socialdemokratischen Agitation ist viel gestritten worden; so lange die Wirkungen dieser frevelhaften Verbrechen so tief in unser öffentliches Leben einschneiden, wie gegenwärtig noch, wird der Streit auch niemals aufhören. Für den ruhigen und unbefangenen Beobachter ist die Frage aber eigentlich keine Frage mehr. Es ist zunächst nicht nur zweifellos, daß die Führer der deutschen Socialdemokratie die scheußlichen Thaten weder gefördert noch auch nur gewünscht haben, sondern man kann selbst dreist sagen, daß sie Alles daran gesetzt haben würden, dieselben zu verhindern, wenn sie nur die leiseste Ahnung gehabt hätten, daß solche Dinge bevorständen.
Dies ist aber nur eine Seite der Sache. Anders liegt die Frage, ob die Attentate unter die Folgen der socialdemokratischen Agitation zu rechnen sind. So, wie dieselbe in dem vorigen Abschnitte dieser Darstellung geschildert worden ist, konnte sie eine dreifache Wirkung ausüben. In besonders festen und starken Naturen unter den Arbeitern mochte sie einen revolutionären Trotz erwecken, welcher dieselben zwar in einen finsteren und unheilvollen Gegensatz zu der Mehrheit ihrer Volksgenossen brachte, aber sie persönlich in gewissem Sinne zum Denken, Forschen, Ueberlegen, zum eisernen Zusammenfassen aller ihrer Kräfte anspornte. Solche Gestalten treten auch mannigfach in der Geschichte der deutschen Socialdemokratie auf, verbissene, aber in ihrer Art ehrliche und treue Naturen.
Anders die große Masse der Arbeiter, die in den wirren Strudel der Bewegung gerissen wurde. Sie wurde entmannt und entnervt wie durch einen Opiumrausch; sie lernte aus der Lehre der neuen Propheten nichts, als Unlust zur Arbeit, Unzufriedenheit mit ihrem Loose und der ganzen Welt, nichts als eine anmaßende Selbstüberhebung, die auch eigene Verschuldung nur im Lichte der ungerechten Einrichtungen von Gesellschaft und Staat sah. Die Fabrikinspectoren schildern übereinstimmend die Arbeiter in allen Gegenden, welche ergiebige Werbeplätze der Socialdemokratie waren, als ein dumpfes, träges, jeder thatkräftigen Selbsthülfe unfähiges Geschlecht. Ihre Berichte entwerfen beispielsweise das dunkelste und trübste Bild von den Arbeiterzuständen im Regierungsbezirk Düsseldorf, der ältesten Heimstätte der kommunistischen Lehren im Preußischen Staate; grauenerregend sind ihre Schilderungen von der geistigen Dumpfheit und Stumpfheit der dortigen Massen, von der gänzlichen Verwahrlosung der Jugend, von dem Ueberhandnehmen des Schnapstrinkens, von dem Kost- und Quartiergängerwesen, das scheußlicher Unzucht einen bequemen Platz am Herde der Familie bietet. Ja, in diesem Bezirke häufen sich selbst jene traurigsten Fälle, in denen die Eltern, entgegen dem schützenden Gesetze des Staats, ihre Kinder in die „Lohnsklaverei“ der Fabriken schleppen wollen, und nur die Barmherzigkeit der „Schlotjunker“ verhindert, daß die heranwachsende Jugend von Grund aus verwüstet wird. Alles in strenger Consequenz des geflügelten Wortes von Marx, daß die
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_536.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)