Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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(Schluß.)
Friedr. von Wichert, königl. Hofrath, Bureau-Vorsteher und Bibliothekar bei der königl. Regierung in Königsberg in Preußen, widmet Schiller „im ersten Halbjahr 1848“ ein Sonett dessen Terzinen lauten:
„– – Wohl schwiegest Du nicht länger,
Du unser Stolz, Du edelster der Sänger,
In solcher Zeit, wo Deutschland groß erstand.
Du ließest jetzt nicht ,blühn nur im Gesange
Das Schöne’, nein, Du sängst mit vollem Klange
Von schöner That, vom deutschen freien Land.“
Ludwig Storch, der alte Dichter und Patriot und jetzt ältester Mitarbeiter der „Gartenlaube“, legt im August 1848 in Gotha seine Ansicht über die nationale Bedeutung von Goethe und Schiller im Album nieder, und namentlich den zum Kosmopolitismus verführenden Idealismus Schiller’s bekämpfend, kommt er auf den Schluß, den wir hier mittheilen müssen:
„Schiller schrieb 1795 unter Anderem an Jacobi: ‚Wir wollen dem Leibe nach Bürger unserer Zeit sein und bleiben, weil es nicht anders sein kann, sonst aber und dem Geiste nach ist es das Vorrecht und die Pflicht des Philosophen und Dichters, zu keinem Volke und zu keiner Zeit zu gehören, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes Zeitgenosse aller Zeiten zu sein.‘ Dies ist Schiller’scher Idealismus, der, auf das Leben angewandt, sich verflüchtet und uns einem trostlosen Kosmopolitismus anheim giebt. Nein, wir Alle, nicht Philosophen und Dichter allein, sondern das ganze Volk, wir wollen, und nicht blos dem Leibe nach, sondern auch dem Geiste nach, mit allen Kräften desselben, Zeitgenossen unsrer Zeit, Bürger unsres Staats, echte Söhne unsres deutschen Vaterlandes sein und bleiben, und nicht etwa, weil es nicht anders sein kann, sondern aus freier Liebe und lebendiger Ueberzeugung; wir wollen Partei nehmen für uns und unsre gute Sache, für ein freies deutsches Bürgerthum; wir wollen uns festklammern an dieses partikulare Deutschland, wir wollen uns mit Leib und Seele an den bestimmten Zeitangelegenheiten betheiligen. Das ist unsre große und schöne Aufgabe, das ist das unabweisbare Bedürfniß unsres Jahrhunderts. Darum kein starres Schillerthum, so wenig wie ein starres Lutherthum! Vielmehr ewig frisches Ringen und Streben nach Ausbauung und Vollendung des Lebens nach allen Seiten hin, von Geschlecht zu Geschlecht vererbt und erhöht. Schiller und Luther seien uns und unsern Nachkommen ideale Leitsterne, leuchtende Vorbilder, zu streben und groß zu sein in Gesinnung und That.“
Roderich Benedix, der Leipziger Lustspieldichter und Volksmann, schrieb im October 1848 in Köln am Rhein unter Anderem:
„Blitzartig durchzuckte in diesem Jahr der Gedanke, der Freiheit alle deutschen Volksstämme, und alle erhoben sich zu kräftiger That. – So rasch aber hätte der Blitzfunke der Freiheit nicht gezündet, wenn er keinen Brennstoff in den Gemüthern der Deutschen gefunden: – das war die Liebe zur Freiheit, genährt durch Schiller, der wahrhaft der Freiheitsapostel des deutschen Volkes ist. Jahre lang haben wir uns an den Gestalten eines Verrina, eines Posa, Tell, Stauffacher begeistert und ihre – Schiller’s – unsterbliche Worte leben nicht blos in unserm Gedächtniß, sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Die Geschichte des Jahres 1848 ist vorzugsweise Schiller’s Werk!“
Leopold Schefer, der berühmte Dichter des „Laienbrevier“, widmete zu Muskau am ersten Donnerstag im December 1848 dem Album folgende Dichtung:
„Die wahren Potentaten.
Ich stand auf hohem Berge im Maienabendroth,
Da sagte mir ein Wandrer: ‚Gott! – Schiller, der ist todt!‘
‚Unmöglich!‘ sprach ich damals, ‚unmöglich ist er todt!‘
Er lebte mir im Herzen, als Sonn’ im Morgenroth;
Und jetzt in diesen Tagen erst rief ich laut: ,Er lebt!‘
Er hat mit Macht im Volke am Vaterland gewebt!
Den Tag, der uns umleuchtet, hat Er mit vorgebracht;
Die Todten leben göttlich! Sie sind die größte Macht!
Die großen Genien herrschen in stiller Ewigkeit –
Die kleinen Herrn regieren danach ihr Stündchen Zeit.
Im Geist der Menschen herrschen gar andre große Herrn!
Sie sterben nicht; begraben, bleibt erst ihr wahrer Kern.
Ein solcher Potentate war Schiller allen Herrn
Und allen Völkern eben. Er steht als Feuerstern
Klar über unsrer Erde und schauet jetzt uns gern!
Der Schiller herrscht in Deutschland, und noch auf Erden fern
Und fern in allen Zeiten. Ihn wählet Euch zum Herrn,
Begrüßt ihn alle Morgen als heil’gen Morgenstern.
Schaut Ihn als Posa drängen, als starken Tell Ihn thun.
Vor Brüderfeindschaft warnen, im Freiheitskampf nie ruhn!
Ebenfalls noch im December 1848 schrieb Heinrich König in Hanau in’s Album:
„Schiller hinterließ bei seinem leider! zu frühen Tode, außer dem edelsten Vermächtniß seiner menschlichen und poetischen Begeisterung für die Freiheit, das Legat eines liebenswürdigen Irrthums, den er mit seiner kosmopolitischen Zeit theilte. – ‚Das vaterländische Interesse’ – schreibt er an Körner – ‚ist überhaupt nur für unreife Nationen wichtig, für die Jugend der Welt.’ – Doch gerade jene Begeisterung löste diese Täuschung. Denn so wie die erste, unserm großen Dichter nachwachsende Generation das Vaterland von fremder Unterdrückung befreite, erwachte das nationale Selbstgefühl, das zuerst durch Franzosenhaß – seit 1813 – dann durch französische Sympathien – seit 1830 – zuletzt durch entschlossene Haltung gegen Frankreich – seit 1840 – fortwährend unter einheimischer Bevormundung, zum Selbstbewußtsein der letzten Märztage reiste. Wir wissen nun, daß das Ewig-Menschliche, dem Schiller huldigte, sich nur in den Eigenthümlichkeiten der Völker offenbart. Sind wir nun aber auch durch wirkliche Reife zum vaterländischen Interesse gekommen, so erinnert doch leider! so vieles in den Bewegungen, wodurch wir jenes Interesse in’s Leben einführen wollen, an Schiller’s ‚unreife Nationen’. Könnten wir doch heut noch einmal des Dichters reine und edle Begeisterung in uns erwecken, die, weit entfernt von unserm Taumeln, die hohe Göttin Freiheit nicht fasennackt und ohne das edle Gefolge von Mäßigung und Humanität, von Würde und Ehrerbietung auf den Thron eines großen Volkes setzen wollte, das sich selbst bisher der höchsten Ansprüche und des herrlichsten Glücks einer freien Nation für so würdig hielt!“
J. M. von Radowitz, der preußische General, Staatsmann und Gelehrte, einer der bedeutendsten Männer und besten Redner des Frankfurter Parlaments:
„Innerlich Freiheit, äußerlich Maß in Allem und Schranke,
Das ist des Lebens Gesetz, wie zu dem Menschen es spricht.
Frankfurt am Main, den 18. Februar 1849. Im neunten Monat des ersten deutschen Parlaments geschrieben.“
Friedrich Wilhelm Schlöffel, aus Schlesien, Reichstagsabgeordneter in Frankfurt am Main, einer der edelsten, muthigsten und entschiedensten Männer der ersten „deutschen constituirenden Nationalversammlung“, preist den Sänger der Freiheit in sechs Distichen, deren Geist wir aus den beiden folgenden erkennen:
„Lernet doch männlich reif die Worte der Muse zu deuten!
Sittliche Freiheit sei Herold der wirklichen nur!“
„Endet entschlossen den Bau auf des Menschenrechts mächtigen Pfeilern:
Thatloses Staunen belohnt nimmer des Dichters Verdienst.“
Der Schluß eines längeren Gedichts, das Moritz Hartmann dem „Schiller-Album“ widmet, lautet:
„Ein treuer Freund ist mir das Volk – symbolisch –,
Das herbergt, birgt und schützt in seinem Schooß
Die Männer, die verfolgt und obdachlos
Den neuen Glauben lehren apostolisch.
So war es stets – so wird es immer sein
Das Volk wird nach des Dulders Worte dürsten,
Und die bedroht von Kerkern ihrer Fürsten –
Die schließt das Volk in seine Herzen ein.
Frankfurt a. M. Paulskirche 27/2. 49.“
Eduard von Peucker, 1848 Reichskriegsminister, preußischer General, schreibt in’s Album am 1. März 1849:
„Nur in der vollkommenen Gleichheit aller Pflichten liegt die sichere Bürgschaft für die Erhaltung gleicher Rechte Aller. Gleichheit vor dem Gesetz und persönliche Ableistung jeder Wehrpflicht als unablösliche Ehrensache, sowohl für den Aermsten, als für den Reichsten, müssen als die wichtigsten Träger jeder Heeresverfassung angesehen werden etc. – Nur einer Heeresverfassung, welche gestattet, alle Kräfte des Landes zu seinem Schutze verfügbar zu machen, ist die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes anzuvertrauen, nur in ihr ist der feste Unterbau zu suchen, auf welchem Deutschland, seiner selbst würdig, den ihm gebührenden politischen Standpunkt behaupten kann. Wenn daher Deutschland, als das Herz Europas, mit frischen und kräftigen Pulsschlägen auf seine Lebensthätigkeit einwirken will, so wird es jeden Tropfen Blutes seiner Söhne in seiner Wehrverfassung aufnehmen und seinen Heeren durch die Vereinigung aller moralischen Kraft und geistigen Bildung seiner Gaue jene höhere Weihe der edelsten Begeisterung, der Vaterlandsliebe und der Intelligenz ertheilen müssen, welche allein den Stand des Kriegers zu adeln, ihn aus den Tiefen roher Kraft auf den Gipfel geistiger Höhe zu erheben vermag.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_534.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)