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Seite:Die Gartenlaube (1880) 516.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

habe noch auf Jahre hinaus für mich allein zu arbeiten, wo Du mit Deiner Hand ein glänzendes Loos bieten konntest.“

Die Worte wurden ganz absichtslos gesprochen, sie sollten nur beruhigen, aber sie erreichten das Gegentheil. Edmund war bei der letzten Hindeutung aufgefahren; sein ganzes Wesen, selbst seine Stimme war verwandelt, während es in schneidender Bitterkeit, im wildesten Hohne von seinen Lippen brach:

„Willst Du mich nicht beneiden um dieses glänzende Loos, das mir das Schicksal gegeben hat? Ich bin ja ein Kind des Glückes, mir fällt ja Alles, Alles zu. Du hast Dich geirrt mit Deiner Prophezeiung, Oswald. Wir haben die Rollen getauscht. Hedwig’s Liebe wenigstens glaubte ich noch zu besitzen; dieses Einzige hielt ich noch für mein. Auch das wird mir genommen, durch Dich genommen. O, es ist genug und übergenug.“

„Edmund, Du bist außer Dir,“ mahnte Oswald. „Fasse Dich! wir wollen das ruhiger –“

„Laß mich allein!“ unterbrach ihn Edmund ungestüm. „Ich kann jetzt nichts hören, nichts ertragen, und Deine Gegenwart ertrage ich am wenigsten. Geh!“

Oswald wollte beschwichtigend näher treten, aber vergebens. In einer Gereiztheit, die fast an Wahnsinn grenzte, stieß der Graf ihn zurück.

„Ich will allein sein – sage ich Dir. Bin ich denn nicht einmal mehr Herr in meinen Zimmern? Soll ich Dich beleidigen, um Dich fortzutreiben?“

„Das hast Du nicht nöthig,“ sagte Oswald, sich tiefverletzt emporrichtend. „Auf eine derartige Aufnahme meiner offenen, ehrlichen Erklärung war ich nicht gefaßt, sonst hätte ich geschwiegen. Du wirst bald genug einsehen, wie unrecht Du mir gethan, aber dann möchte es zu spät für unsere Freundschaft sein. Leb’ wohl!“

Er ging, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Nach seinem Fortgange brach Edmund wie vernichtet in den Sessel zusammen. Der Schlag, der ihn soeben getroffen, war vielleicht nicht der schwerste gewesen – der fiel in jenem Augenblicke, wo die Liebe des Sohnes zu der Mutter und sein Glaube an sie den Todesstoß empfing – aber es war der letzte. Und dieser letzte warf ihn nieder. –

Eine Stunde später war die ganze Gesellschaft im Speisesaal versammelt, wo das Frühstück eingenommen werden sollte. Die Herren waren sämmtlich in der besten Laune; denn das Wetter verhieß eine vorzügliche Jagd. Die Gräfin machte die Honneurs des Hauses mit der ihr eigenen vornehmen Anmuth. Was sie auch innerlich bedrücken mochte, sie war zu sehr Weltdame, um in Gegenwart Fremder irgend etwas davon zu verrathen. Hedwig zwang sich gleichfalls, heiter zu erscheinen. Das Gespräch war äußerst lebhaft, und Oswald’s ernste Schweigsamkeit und Zurückhaltung fiel nicht auf, da man gewohnt war, ihn meistentheils so zu sehen.

Graf Ettersberg selbst erschien erst auffallend spät bei seinen Gästen. Er entschuldigte sich damit, daß er noch einige nothwendige Anordnungen für die Jagd getroffen habe, und war jedenfalls bemüht, seine Verspätung durch verdoppelte Liebenswürdigkeit wieder gut zu machen.

Edmund sah jetzt nicht mehr bleich und überwacht aus, wie vor einer Stunde. Es lag im Gegentheil etwas wie Fiebergluth auf seinen Wangen, und wie Fiebergluth schien es auch durch seine Adern zu stürmen, während er sich einer Lebhaftigkeit oder vielmehr Ausgelassenheit hingab, die in der That nur durch die höchste Ueberreizung zu erklären war. Er bemächtigte sich sofort des Gespräches und riß mit seiner glänzenden Unterhaltungsgabe all die Uebrigen hin. Scherze, Spöttereien, Jagdanekdoten jagten einander. Er schien förmlich etwas darin zu suchen, alle Welt von seiner vortrefflichen Laune, von seiner sprudelnden Heiterkeit zu überzeugen, und bei seinen Gästen gelang ihm das auch vollständig. Die älteren Herren, sämmtlich Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft, fanden, daß der junge Graf noch nie so liebenswürdig gewesen sei wie heute. Die Jüngeren ließen sich von seinem Muthwillen mit fortreißen und stimmten in den Ton ein. Die Zeit bei Tische verging wie im Fluge, bis der Schloßherr das Zeichen zum Aufbruche gab.

Oswald hatte sich auch jetzt ziemlich schweigsam verhalten, aber er hatte unausgesetzt und unruhig seinen Vetter beobachtet. Es befremdete ihn nach dem Vorhergegangenen nicht, daß Edmund ihm noch mehr als gestern auswich, und es sogar vermied, das Wort an ihn zu richten, aber eben deshalb täuschte ihn auch diese fieberhafte Lebhaftigkeit nicht. Nach der Scene, die heut Morgen stattgefunden hatte, konnte nur die Verzweiflung einen solchen wilden Uebermuth dictiren. Erst jetzt, wo die Erregung des beleidigten Stolzes vorüber war, kam es dem jungen Manne zum Bewußtsein, wie verstört, wie außer sich Edmund bei jenem Geständniß gewesen war. Er hatte also wirklich nichts davon geahnt, es war nicht Eifersucht gewesen, die sein unbegreifliches Benehmen veranlaßte. Was aber war es dann?

Man hatte sich allseitig erhoben und machte sich jetzt zur Abfahrt fertig. Die Herren verabschiedeten sich von den Damen des Hauses und von Oswald, der gleichfalls zurückblieb. Herr von Ettersberg wurde allgemein bedauert, weil seine schnelle Abreise ihm nicht erlaubte, an der Jagd Theil zu nehmen, und in aller Eile wurden noch einige Artigkeiten und Grüße ausgetauscht.

Edmund hatte bereits von seiner Braut Abschied genommen, mit derselben stürmischen Heiterkeit, die heut von seinem Wesen unzertrennlich schien. Seinem Vetter rief er im Vorübergehen nur ein kurzes „Adieu Oswald!“ zu, so kurz und flüchtig, daß es gar keine Erwiderung zuließ. Er wollte augenscheinlich jede weitere Berührung mit ihm vermeiden, und trat jetzt zu der Gräfin, die mit einem der Herren sprach.

„Ich wollte Dir Lebewohl sagen, Mama!“

Die Worte wurden hastig, eilig gesprochen, aber es klang etwas wie der alte, lang entbehrte Ton hindurch, und das Ohr der Mutter fing augenblicklich diesen Ton auf. Ihr Auge suchte und fand das des Sohnes, und zum ersten Male seit langer Zeit las sie dort nicht das scheue Zurückweichen, das sie so namenlos quälte. Heute stand etwas Anderes, Unsagbares darin, aber es war kein Vorwurf mehr. Die Hand, welche die Gräfin ausstreckte, bebte leise. Der kühle, förmliche Handkuß war ja das Einzige, was Edmund beim Gehen und Kommen noch für sie hatte. Er beugte sich auch jetzt nieder, plötzlich aber fühlte die Mutter sich von seinen Armen umschlossen, fühlte seine heißen, zuckenden Lippen auf den ihrigen. Es war die erste Umarmung seit jenem Tage, wo er das unselige Geheimniß entdeckte.

„Edmund!“ flüsterte die Gräfin, es klang wie eine halb zärtliche, halb angstvolle Frage. Edmund erwiderte nichts, er hielt die Mutter fest an sich gepreßt, nur einen Moment lang, aber sie fühlte es doch, daß in diesem Moment die ganze alte Liebe mächtig wieder aufflammte. Noch einmal berührten seine Lippen die ihrigen, dann aber machte er sich rasch und entschieden los.

„Lebe wohl, Mama! Ich muß fort; es ist die höchste Zeit.“

(Fortsetzung folgt.)




Die Raupenfeinde der Insectenwelt.

Größeren Leserkreisen ist bisher ein Einblick in das Leben der Raupenfeinde der Insectenwelt wohl nur selten gewährt worden, und doch bietet dasselbe des Lehrreichen und Interessanten so vieles, daß wir der Versuchung nicht widerstehen können, im Nachfolgenden eine kleine Excursion in dieses an fesselnden Aufschlüssen so reiche Gebiet der Naturkunde zu unternehmen. Ein Beispiel möge uns gleich mitten in das Thema hineinführen!

An einem Kohlblatte, einem Baumstamme u. dergl., die sich in der Nähe von Kohlpflanzungen befunden, entdeckten wir im Spätsommer öfters eine Kohlweißlingsraupe, eingebettet in weißliche oder gelbliche Körperchen welche ihrer Form nach allenfalls für Eier gehalten werden könnten und in der That für solche gehalten worden sind, aber nur von Leuten denen es nicht klar geworden war, daß eine Raupe als noch unfertiges Insect überhaupt niemals Eier legen könne.

Jene gelblichen Körperchen sind die Puppengespinnste für so viele Maden wie im Körper der Raupe auf deren Kosten gelebt haben; das arme Thier wurde auf einmal nach allen Seiten hin in seinem Innern gezwickt, und bald hier und bald da drängte sich aus seiner Haut eine kleine weiße Made hervor, welche zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_516.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)