Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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er erinnern, wie vieles sich in her Praxis besonders verschärft habe. In diesem Sinne hat er in seiner Schrift „Des Culturkampfs Ende“ die Präliminarien aufzuzeichnen versucht, auf denen der Staat, ohne sich etwas zu vergeben, mit der Kirche Frieden schließen könne. An die Möglichkeit des gegenwärtig eingetretenen Vorganges, an ein einseitiges, durch kein Entgegenkommen der römischen Curie bewirktes Zurückweichen des Staates hat er dabei wohl nicht gedacht. Das System Puttkammer lag damals noch in weiter Ferne.
Ein glückliches Alter ist dem verehrten Manne beschieden worden. 1873 erlebte er sein fünfzigjähriges Doctor- und Docentenjubiläum, an welchem Ehrentage seine Freunde und Schüler eine Hase-Stiftung gründeten. Im Jahre 1877 war er der Vertreter der Universität Jena beim Jubiläum der Universität Tübingen – neben Eduard Zeller der gefeiertste Gast des Festes, an dessen Tafel Beiden die Plätze gegenüber dem König angewiesen wurden. Hase's Werke blühen noch – die Zeit, für welche er seiner Kirchengeschichte das Verstauben in Bibliotheken geweissagt, ist noch nicht gekommen. Die Niederschrift seiner Jugenderinnerungen, unter dem Titel „Ideale und Irrthümer“, wurde von den Händen der Gebildeten begierig aufgegriffen, und das größere Werk über das „Leben Jesu“, das er 1829 begann, erblickte nach länger als einem halben Jahrhundert doch noch das Licht. So trifft denn auch das Jubiläum des Antrittes seiner Jenaer Professur, in welches diese Darlegung seines Lebens und Wirkens hineinklingt, den wackeren Patrioten und Lehrer aller menschlichen Voraussicht nach im glücklichsten Familienkreise, in jener Frische und Rüstigkeit, welche bei dem Greise fast rührend anmuthet und welche noch heute die Ueberschrift rechtfertigt, die wir diesen Zeilen gegeben haben.
Bevorzugte Lieblinge des Publicums, welches die Besucher der zoologischen Gärten bildet, sind ohne Zweifel die Bären. Wer hätte nicht schon in früher Kindheit diesen komischen Gesellen seine Zuneigung geschenkt, wenn sie, vom vagirenden Zigeuner oder Slovaken geführt, zu Trommel und Querpfeife ihre täppischen Tänze ausführen, Purzelbäume schlugen oder gar im Verein mit Affe, Kameel oder Pudel ein drolliges Quatuor leisteten? Wer hätte nicht an den weiten Zwingern der zoologischen Gärten mit herzlichem Vergnügen die immer begehrlichen, kläglich brodheischenden, gravitätischen und doch im gegebenen Falle so flinken Pelzträger belacht, wie sie aufrecht sitzend wackeln oder auf den Hinterfüßen umherschwanken, den lüsternen Blick fragend nach oben gerichtet, ob ihnen Jemand etwas zuwerfe? Wer hätte nicht die ungemeine Gewandtheit bewundert, mit welcher der hochragende Kletterbaum bestiegen, auf ihm der zugeworfene Bissen gefangen und von ihm rücklings wieder hinabgerutscht wurde? Das sind die Hauptkünste dieser Gesellschaft – Grunzkämpfe um das eine oder andere entgangene Stück Brodes bringen aufregende Abwechslung in die Geschichte, und stundenlang sieht sich der harmlose Beobachter durch den Reichthum der wechselnden Scenen gefesselt. Diese Beobachtungen sind allbekannt und können gleichmäßig bei allen großen Arten der Bären gemacht werden. Weniger in’s Auge fallend und daher auch weniger beachtet ist das Leben und Treiben der kleineren Bärenarten, von denen der Waschbär und der Nasenbär oder Coati häufiger, andere, wie Winkelbär, Marderbär und Katzenbär, seltener zu Gesicht gebracht werden.
Die „Kleinbären“ theilen völlig diejenigen Eigenthümlichkeiten der „Großbären“, welche diese von den übrigen Raubthieren trennen. Kräftiger, gedrungener Körperbau, kurzer, dicker Hals, kurze Ohren, kleine Augen, nicht zu lange Beine mit fünfzehigen, kräftig bekrallten Füßen und nackten Sohlen, die in ihrer ganzen Länge beim Gehen benutzt werden, sind die gemeinschaftlichen äußern Merkmale der Familie; gegen den stummelhaften Schwanz der Großen ergiebt jedoch ein langer, buschiger Schweif auf Seiten der Kleinen einen bezeichnenden Unterschied. Hierzu kommt, daß die allgemeine Körpergestalt weniger formlos ist und sich bei einigen sogar zu großer Schlankheit umbildet.
Die Nasenbären, deren besonderer Betrachtung wir uns hier zuwenden, zeichnet vor ihren Sippschaftsgenossen der verlängerte spitze Kopf aus, an dem eine rüsselartige, über die Mundspalte verlängerte Nase mit fast platter Vorderfläche auffällt und den Namen des Thieres veranlaßt hat. Das beigegebene Bild überhebt mich der Nothwendigkeit, eine in’s Einzelne gehende Beschreibung hier folgen zu lassen; bezüglich der Färbung ist nur zu bemerken, daß ein Gemisch von Dunkelbraun, Grau und Schmutziggelbweiß am Körper vorherrscht, welches nach Kopf und Füßen zu in’s Schwarzbraune übergeht, während der Schwanz auf dunkel-rothgelbem Grunde schwarze Ringe und eine schwarze Spitze zeigt. Die Flecke neben Augen, Nase und Lippen sowie die Ränder der Ohren sind weiß.
Die hiermit im Allgemeinen beschriebene Art ist der Weißrüsselbär (Nasua leucorhyncha), welcher im Verein mit dem roth-braunen, dunkelgesichtigen Nasenbären (Nasua narica) in dem größten Theile Brasiliens heimisch ist. Farbenspielarten, vielleicht auch Uebergänge beider in einander, sind überall verbreitet, und so bewohnen Nasenbären das ganze Gebiet innerhalb der Wendekreise von Mexico an durch Mittel- und Südamerika, ja noch über den Wendekreis des Steinbocks hinaus bis südlich von Buenos-Ayres, die Ost- wie die Westküste berührend. An den meisten Oertlichkeiten sind sie so zahlreich vertreten, daß kaum einem Farbigen oder Weißen das Thier unbekannt ist, ja, daß man über seine Naturgeschichte allerseits wohl unterrichtet ist. Früher hielt man sich berechtigt, zwei Arten in anderer Weise zu unterscheiden, nämlich den geselligen Nasenbären (Nasua socialis) vom einsamen (Nasua solitaria Coati). Man fühlte sich dazu veranlaßt dadurch, daß neben Gesellschaften meist kleinerer Thiere einzeln lebende, bedeutend größere Exemplare angetroffen wurden. Es hat sich jedoch durch strenge Forschung herausgestellt, daß die Einsiedler nur alte Männchen sind, welche, an den Wanderungen des jungen Corps keinen Geschmack mehr findend, sich griesgrämig von der Familie trennen und ein einsames Leben führen, bis der anbrechende Liebesfrühling sie veranlaßt, sich mit dem Stamme wieder zu vereinigen.
Kaum ist das Frühroth am Himmel aufgestiegen, eben röthen sich die höchsten Gipfel der riesigen lianendurchschlungenen Morabäume, aus denen der Schmied und der Hämmerling mit weitschallenden, metallreinen Glockentönen die ersten Strahlen der Sonne begrüßen, so beginnen auch unsere Nasenbären ihr Tagewerk. Als echte Zigeuner haben sie keine stehenden Quartiere – wo die Nacht sie überfiel, gaben sie sich gestern Abend der Ruhe hin, und Baumhöhlen, unter Wurzeln vorgefundene Erdlöcher oder von Aesten gebildete Gabelungen dienten ihnen als ihren Bedürfnissen völlig entsprechende Lagerstätten. Durch akustische Signale wird die Vollzähligkeit der Truppe nachgewiesen und alsdann sofort die durch die Nacht unterbrochene Thätigkeit wieder aufgenommen. Es sind Trupps bis zu zwanzig Stück, die gesellig ihren Geschäften obliegen, ohne indeß Jagdzüge nach einhelligem Plane auszuführen: jeder arbeitet vielmehr auf eigene Rechnung. Grunzend, quiekend, schnarrend verfolgen sie ihre Straße, hier einen Wurm, eine Käferlarve, eine Schnecke, da Früchte oder Beeren irgend welcher Art auflesend. Mit Beharrlichkeit wird darangesetzt, die gewitterte Beute zu erlangen; die scharfen Krallen sind wohl geeignet, morsches Holz zu zerkratzen, um der Larve beizukommen, und Wurzeln zu unterwühlen, um den Wurm zu fangen. So wird denn gekratzt, gebohrt, gegraben, ab und zu in das erzielte Loch die lange Nase gesenkt und schließlich der erhaschte Wurm oder Tausendfuß mit lautem Schmatzen verzehrt, falls nicht etwa die Begehrlichkeit eines benachbarten Jagdcumpans einen Zweikampf um der Arbeit Lohn hervorruft. Das geht so den Vormittag hindurch. Endlich dringt der Mittag mit seiner Gluth auch durch das reichverfilzte, in schwindelnder Höhe wuchernde Laub hindurch, obschon dieses den Sonnenstrahlen selbst jeden Zugang zum feucht-warmen Urwaldsboden verwehrt. Da hält man’s denn an der Zeit, sich Ruhe zu gönnen. Die Bande sammelt sich mehr und mehr, passende Bäume und Bäumchen werden gewählt, und Jeder findet in kürzester Zeit ein wohliges Astplätzchen und überläßt sich nun dem süßen Nichtsthun.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_508.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)