Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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das Trauerspiel beginnt, und wir sehen von der allem Vermuthen nach gesichertsten Stelle in den Coulissen zu.
Was soll ich über die dramatischen Ungeheuerlichkeiten des Stückes, über die Kränze von Blödsinn, mit denen fast alle Scenen durchwoben sind, was über die Darstellung sagen! Man muß diesen Streit mit den „Todtengräbern“, diese sehnsuchttriefenden Liebesmonologe, dieses durch Kniewackeln unterstützte Schluchzen gehört, den „Schloßbrand“ gerochen haben, um zu wissen, wie nahe das Erhabene dem Lächerlichen steht.
Stürmischen Beifall erntete der erste Liebhaber, der nach einer ziemlich hitzigen Gefechtsscene – zu sterben hatte. Er schlug sich wohl zehn Minuten mit vier stangenbewaffneten Räubern wie ein gereizter Löwe herum, fiel auf die Kniee, kämpfte in dieser Stellung, sprang dann wieder auf und focht weiter. Erst nachdem ihm der Hut vom Kopfe gefallen, fing er an zu wanken, drehte sich so, daß der Sturz nicht wehe thun konnte, und empfing den Todesstoß. Im Verscheiden schrie er dann aus allen Leibeskräften: „Addio! addio per sempre!“
Dies wirkte derart, daß ein Orchestermitglied beinahe vom Schlafe aufgeschreckt wurde und ein Wasserverkäufer vor Erstaunen stehen blieb, anstatt mit den Gläsern von Bank zu Bank zu schleichen, während allenthalben sich Taschentücher vor die gerührten Augen legten.
Wir hatten genug und verzichteten darauf, dem Direktor Aufklärung über unsere Anwesenheit hinter den Coulissen zu geben, Addio, Amphitheater, addio per sempre! Wenn die Seelen der alten Geschlechter, die ehemals hier jubelten und lachten, aus dem Staube stiegen und gewahrten, was die alte Arena heute mit ansehen muß!
Enrico nahm mich am Arm; wir schlichen uns in’s Freie und verließen das Amphitheater durch den nächsten Ausgang. Der Himmel hing voll vereinzelter, dunkler, wandelnder Wolken, Cypressen und Lorbeerbüsche warfen im weichen Schimmer des Mondlichts weithin kriechende Schatten.
Es is scho Hirgscht,[1] as Laab im Berg werd gelb.
Aber halt d’Sunna – die scheint no so fein.
Und in der Fruah scho is der Tag so lind!
Vor sein braun Häusl, auf der Bank heraußt,
Da sitzt der Hagerbaur mit siebezg Jahr.
Er sitzt alloans, d’Händ hat er in der Schooß,
Die andern all san heunt in d’Kirchen fort.
Weil der alt Hofer eingrabn werd von Schliers.
Er schaugt so außi – grad in Himmel nein.
Und luust,[2] wie’s läut so schön im Kirchei drent.
Mei (denkt er si) – jetzt werd’s mi aa bald ham,[3]
No, wegn meina![4] – aber ’s reut mi nit,
Und kaam i heunt nomal auf d’Welt, is wahr,
I möcht nix anders wern, als was i bin.
Da auf dem Feld und vor dem Hoamet[5] da,
Da hab i gspielt als kloaner Bua davor,
Da hab i g’arbeit in die guaten Jahr,
Da rast i aus in meine alten Tag.
Wie schön war dös, wenn so im Lanks[6] im Mai,
Die Kerschbaam blüht und d’Vögein gsunga habn;
Wenn ma im Summer, auf Johanni rum,
So gmaht[7] ham draußt, um Viere in der Fruah,
Daß d’Sans’ ganz tropft vor lautern frischen Thau!
Und alls ghört Dein, die Traden[8] und dös Feld!
Wie schön is ’s Leben, wenn oan ebbes[9] wachst! –
Und na im Hirgscht – es war dös aa scho fein,
Wenn ma so droschen ham im Tenna[10] hint,
Daß ma’s glei hallern hört bis auf Ellmau.
Und z’Weihnacht erscht san ma mi’n Schlitten naus
Ins Holz und durchn Schnee durch, auf die Berg.
Da war’s erst schö, wennst hoam kimmst aufn Abnd,
Und’s Feuerl brinnt, und d’Kinder san dahoam.
Und derfst di strecka auf der Ofenbank.
So hat a jede Jahrzett halt sei Sach,[11]
A jede kimmt und geht und hat sei Freud,
Alls is so fest gmacht und dös thuat so wohl.
Und na der Sunta und der Kirta erscht![12]
O mein Gott, nein, i hab ja dieweil gmoant,
So schön, wie’s i hab, kunnt’s koa Mensch nit habn.
Und lustiger, wie’s is, kunnt’s nimmer wern!
Und auf der Kahralm[13] – bei mein Lisei droben,
Wenn so der Mond gscheint hat und d’Kalma woaden,[14]
Und bei der Musi(k) auf der Klausen drunt,
Dös war a Lebn – heunt giebt’s mir no an Riß!
Und meiner Lebtag nie koa Stund nit krank! – –
Jetzt aber geht’s wohl aa schön staad dahin;[15]
’S hat lang gnua dauert und mei Zeit is um;
Es freut mi ’s Lebn und fürcht mi nit vorn Sterbn.
Na muaß as Wei(b) halt um an Pfarrer num.
Daß der no kimmt mit unsern Herrn[16] auf d’letzt;
Denn unser Herrgott, der verlaßt mi nit.
As Sach und d’Hoamet aber kriegt der Bua,[17]
Und den und seine Buabn freut’s nachher aa,[18]
Wenn ebbes wachst – und wo i’s lahna laß,[19]
Nimmt er’s: mei Sans’, und maht damit sei Feld,
Und meins, mein Vatern und mein Ahnl seins. –
So hat der Alt sinnirt – d’Luft is so lind.
Er spielt mi’n Katzei in der Sunna dort,
Er schaugt die Vögein zua im Kerschbaam drobn
Und luust, wie schön ’s im Kirchei drenten läut.
Und übers Feld hoam kemment d’Kirchenleut.
„Grüß Di Gott, Vater!“ sagens. – „Grüß Gott aa!“
Ihm is so guat – er kunnt’s nit schöner habn,
Alls is so fest gmacht und dös thuat so wohl –
Dös Bauernlebn is wier an ewigs Leben!
Wie’s draußen stürmt! – Der Wind geht in die Baam;
Wie’s finster is – und wie der Regen schlagt!
Drin in der Kammer, auf sein Bett, da sitzt
Der Hagerbaur und lahnt sein Kopf auf d’Knie
Und tracht und tracht – es werd ihm hoaß und kalt,
Dös g’locket Haar um d’Stirn um wird ihm naß.
Es schlagt scho zwölfe – und er schlaft nit ein. – –
Luus nur, wie’s stürmt – er ziehgt ’n Athem an –
Und zletzt, zletzt sagt er’s dengerscht zu sein Wei(b):
„Muader – morgn kemmens – morgen – die vom G’richt,
Alls is verspielt – Alls Han i durchschall,[20]
Mei Feld, mei Holz, mei Hoamet und mei Sach –
I han’s verspielt – und zletzt Di selber aa.
Oft hamma[21] gherzt in dera Kammer da –
Na[22] aber han i nimmer auf Di g’acht
Vor lautern Großthun, lautern Draußtensein;
Zletzt is nix überbliean, als wie dös Herz,
Dös einigschni(tt)n in unser Bettstatt is.
Sei staad[23] – i woaß’s – i bin nix mehrers werth.
Muader – i geh! Morgn kemmens in der Fruah,
Und wenns na fragn: Wo’is sei Viech? – na mach
Nur d’Stallthür auf, wo’s alles laar is drin.
Wo is sei Holz?[24] Na zoag nur hin am Berg
Und sag: ,Dort is’s, wo alles zsammgschlagn is‘
Und wenns zletzt fragn: ,Wo is na er, er selm?‘
Na sagst: ,Fort is er – durch!’ – und sagst dazu:
,Um so an Lumpen is’s ja wohl koa Schad!’
Ja, so derfst sagn, es is ja wahr a so,
Nur dös schaug halt – daß’s d’Kinder halt nit hören.“
As Wei(b) schlagts Deckbett von ihr weg und schreit.
Und nimmtn um an Hals mit all zwoa Händ:
„Na,[25] Bader, na!“ – Er aber redt dahin,
Daß d’ moanst, du hörst die bösen Geister redn:
„I bin verspielt – verspielt – i woaß schier nit,
Bin i dran schuldi oder is’s die Zeit,
Die heuti Zeit – es is als wier a Fluach,
Als leidet’s koan mehr, daß er zfrieden is
Und ehrli bei sein Sach – dös treibt und treibt,
Nix hat koan Halt mehr – all’s is feil und feil,
Muader, mir is’s, als brennet’s unter mei!
Sei staad! – Guat Nacht! – Schaug, daß D’ no schlafen kannst,
Und wennst no schläfst, na steig i aus und geh.
Es siecht mi koaner von die Nachbarn nit.
Muader – bhüt Gott – morgn kemmens in der Fruah.“
- ↑ Herbst.
- ↑ horcht.
- ↑ wird mich der Tod auch bald erreichen.
- ↑ Nun, meinetwegen.
- ↑ Heimath, heimischer Hof.
- ↑ Frühling, Lenz.
- ↑ gemäht.
- ↑ Wiesen.
- ↑ etwas.
- ↑ Tenne.
- ↑ ihren Vorzug
- ↑ Sonntag und Kirchweih erst.
- ↑ Kahralpe.
- ↑ Kälber weiden.
- ↑ langsam mit mir zu Ende.
- ↑ mit dem Abendmahl.
- ↑ der Sohn.
- ↑ auch.
- ↑ wo ich meine Sense lehnen lasse.
- ↑ durchgebracht.
- ↑ haben wir.
- ↑ dann.
- ↑ still.
- ↑ Wald.
- ↑ Nein.
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