Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Es ist ein ernstes Fest, das wir begehen:
Verehrung ließ ein Monument erstehen
Auf eines großen, edlen Meisters Grab,
Der Mit- und Nachwelt ew’ge Schätze gab
Aus tiefem Geist, aus einer reichen Seele,
Aus der gewalt’gen Gluth der Leidenschaft,
Und aus dem Wunderborn der Gotteskraft
Des Genius! – Als funkelnde Juwele,
Als Diamanten in der lichten Krone
Der Kunst hat längst die Welt es anerkannt,
Was ihr geschenkt von Schumann’s Meisterhand. –
Vergebens such’ ich nach dem rechten Tone,
Um ihn zu schildern, dessen Denkmal heute
Hier ward enthüllt – es will mir nicht gelingen.
Was könnt’ ich auch an Lob und Ehren bringen
Für ihn, dem längst den besten Kranz man weihte,
Für ihn, so hoch von dem Geschick gestellt,
Daß er erobern durft’ sich eine Welt!
Freilich die Welt nicht, die für müß'ge Stunden
Den Zeitvertreib durch bunten Klang begehrt;
Sie hat dem Meister nicht den Strauß gewunden.
Auch die nicht, welche stumpfen Sinns verehrt
Die Kunst, die betteln geht bei dem Gemeinen
Um Gunst und Beifall. – Mit den Edelsteinen
Soll man nicht schachern auf dem Jahrmarktsplatz. –
Es ehrt die Welt den Meister, die den Schatz
Des Idealen trägt in ihrem Busen,
Die es noch hinzieht zu dem Sohn der Musen,
Der sinnend zu der Dinge Tiefen dringt,
Der aus dem Grund die echte Perle bringt,
Statt mit der Tageswoge Schaum zu spielen,
Der rastlos ringt nur nach den höchsten Zielen. –
Was aber ist das höchste Ziel der Kunst?
Ein mächtig Innenleben zu gestalten,
In öden Alltags Nebel, Staub und Dunst
Der Schönheit leuchtend Banner zu entfalten
Und, was gelebt und lebet, durch die Gunst
Der Götter fest in Wort und Ton zu halten,
In Bild und Form! Des Gottesgeistes Spur
Mit weisem Sinn zu finden, zu erfassen;
Was herrliches ringsum verstreut, zu sammeln;
Zu lauschen auf die Sprache der Natur
Und in der Kunst sie reden dann zu lassen
Harmonisch, frei von allem wirren Stammeln!
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Wir sind am Rhein. Romantik hier und dort.
Nah’ sind uns Zeugen längst vergangner Tage.
Im Strome ruht der Nibelungen Hort;
Um Burgruinen flüstert leis die Sage.
Sie steigt empor aus alter Zeiten Gruft
Und zaubert manches Traumbild in die Seele.
Berauscht von junger Blüthen Weihrauchduft,
Singt uns des Lenzes Credo Philomele.
Der Kahn durchzieht die Fluth mit leichtem Strich;
Am Ufer sich die Wellen murmelnd brechen,
Und, kommt der Abend, legt der Nebel sich
In weißen Schleiern nieder auf die Flächen. –
Romantik, sprich, wer ließ in Tönen dich
Am wunderbarsten zu der Menschheit sprechen?
Wer hob dich hoch empor auf seinem Schild?
Der Meister, dem des Tages Feier gilt.
Ob er in Indien an der Menschheit Wiege,
Ob er an Manfred’s Seelenabgrund tritt,
Allzeit gewaltig sind des Geistes Flüge,
Und siegend reißt er unsre Herzen mit.
Hier der Gefühle grimmer, wilder Streit,
Dort schelmisch Tändeln, sanfte Lieblichkeit!
Wer ruft des milden Zwielichts Stimmung wach,
Der Dämmerstunde sacht verstohlnes Plaudern,
Und spürt dem Dichter in’s Geheimste nach,
Daß er die Seele faßt mit süßem Schaudern,
Wenn er dem Lied die Tonverklärung leiht?
Wer hat dein Werden, wonn’ge Frühlingszeit,
Besungen wie mit Nachtigallenzungen?
Das „Waldgespräch“, die „Sonntagsmorgenzeit“
Wem ist’s zu schildern einzig schon gelungen?
Der Meister ist’s – der hat den Preis errungen –
Der Meister, dem wir dieses Fest bereiten!
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Ach, wen zu ihrem Dienst die Musen weihten,
Preist ihn nicht glücklich! Urgewaltig quölle
Der Strom nicht, bringend Wundergaben-Spende,
Trüg’ er nicht bei dem Himmelreich die Hölle
In seiner Brust bis zu des Lebens Ende!
Ihr fühlt es nach, die ihr zum Fest erschienen,
Ihr ahnt die Schaffenslust und Schaffenspein.
Wer nur der Stunde Götzen weiß zu dienen,
Ihm muß der Künstler unverständlich sein.
Was weiß, der klug sein Denken und Empfinden
Verbraucht für sich im engsten Kreise still,
Von Flammen, die an Sternen sich entzünden,
Vom Geist, der mit dem Sturme segeln will?
Aus seiner Seele kurzgespannten Saiten
Klingt nie der Ton, der eine Welt durchzieht.
Er hat mit den Dämonen nicht zu streiten,
Die jener stets auf seinen Wegen sieht.
Er kennt nicht, wie des Wesens Fibern beben,
Wie glühend es durch alle Adern rinnt,
Bevor ein wahres Kunstwerk Geist und Leben,
Gestalt in seines Schöpfers Brust gewinnt.
Daß spielend man den ew’gen Kranz erjage,
Der Thor nur glaubt’s, der tiefen Fühlens bar.
Noch wird vom Pelikan die alte Sage
Beim Künstler und bei seiner Schöpfung wahr.
Und dennoch – andres Leid hat andre Lust.
Wie man im Himmel lebt, hat nur gewußt,
Wer auch der Hölle Qual empfinden konnte. –
Klagt um den Todten nicht! Sein Leben sonnte
In einer Liebe sich, so himmlisch reich,
Daß ihm aus ihrem duft'gen Rosenzweig
Die schönsten Kunstgebilde erst entstiegen. –
Nichts mehr von seinem Kampf! Von seinen Siegen
Soll diese Feier klingend’ Zeugniß geben. –
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Wir sind am Rhein. Hier in dem Land der Reben,
Beethoven schaute hier das Licht der Welt;
Was Goethe war uns in der Dichtung Reich,
Ein Heros, dem zur Seite nichts sich stellt,
Ein Quell des Lichtes, einer Sonne gleich,
Er war’s im Reiche der Frau Musika;
In seines Geistes Riesenspiegel sah
Sich eine ganze Welt und Zeit gespiegelt;
Ihm war ein jedes Räthselbuch entsiegelt.
Hoch stehn die beiden Kunstgewalt’gen da. –
Nicht viel der Männer bringt uns ein Jahrtausend,
An deren Geist Jahrhunderte sich bilden,
Aus denen, bald wie Alpenströme brausend,
Bald wie die klaren Bächlein in Gefilden,
Die Lebensquellen segnend niederrinnen. – –
Beethoven, Goethe! Sagt, was mocht’ gewinnen
Von Jenen er, dem heut wir Kränze flechten?
Ist nicht ein Etwas von den dunklen Mächten
Beethoven’s in des edlen Meisters Sinnen?
Stieg er wie Faust nicht zu den tiefsten Schächten
Des Lebens, aufwärts zu den höchsten Zinnen
Nicht mit dem Grübler, der Erlösung fand?
War er nicht selbst ein Faust im Tongewand? –
Was fragen wir’s! Nicht, wo der Born entstammt,
Gilt’s heut zu suchen. Frommen Dankes Zoll,
Verehrung, die erlöschen nimmer soll –
Das bringen wir. – – Vollzieh dein hohes Amt,
Frau Musika! In seinen Tongedichten
Laß den Entschlafnen herrlich auferstehen!
Ruf ihn in seinem Werk zum Leben wieder!
Laß uns von seines Odems Hauch umwehen! –
Nur, was da sterblich, kann die Zeit vernichten;
Nur, was vergänglich, sinkt zum Staube nieder:
In seinem Schaffen bis zur fernsten Zeit
Lebt fort der Meister, groß und hochgeweiht.
Von Zeit zu Zeit pflegt im Leben der Völker das ruhige Vegetiren einem Zustande gesteigerten Kräfte-Anspannens zu weichen. Eine Knospe entfaltet sich zur Blüthe, und wenn Wind und Wetter günstig sind, so gedeiht aus der Blüthe eine Frucht – die Frucht idealer Begeisterung.
Es sind nunmehr fünfundzwanzig Jahre, daß in Bezug auf ein seitdem segensreich zur That gewordenes Vorhaben ein solches Kräfte-Anspannen durch Deutschland ging. In der Heimath Lessing ’s und Theodor Körner’s, in Sachsen hatte ein volksthümlicher Dichter – Julius Hammer aus Dresden – den glücklichen Gedanken gehabt, die fünfzigste Wiederkehr des Sterbetages unseres Schiller am 9. Mai 1855 zum Ausgangspunkte eines Vorschlages zu machen, der eine locale Reliquie, das Loschwitzer Schiller-Häuschen, der Vergessenheit zu entreißen bestimmt war. Wie man weiß, hat Schiller in dem gastlichen Hause seines Freundes Körner schöne, genußreiche Tage verlebt. Bei dem Vorschlage Hammer’s, das zu Körner’s Besitzthum gehörige Schiller-Häuschen mit einer Gedenktafel zu schmücken, konnte er sich auf Schiller’s Brief vom 13. September 1785 berufen, der ausdrücklich dem stillen Glück dieser Loschwitzer Erholungstage gilt. „Was meine heißesten Wünsche erzielten, habe ich endlich erlangt; ich bin hier wie im Himmel aufgehoben, und in der jetzigen Fassung meines Gemüths kenne ich keine andere Besorgniß mehr, als die Furcht vor dem allgemeinen Loos der zerstörenden Zeit.“
Diese Stätte war solcher Art in der That geweiht, wie wenige andere. Kein Wunder, daß sich in Folge jener Anregung alle Hände rührten, um das so lange Versäumte nachzuholen und zugleich durch eine würdige Feier des erinnerungsreichen Tages Zeugniß abzulegen von der Liebe, mit der wir Alle ja das Gedächtniß unseres Schiller in Treue pflegen.
Und hier zeigte sich, wie naturwüchsig der Trieb war, dessen Knospe zur Entfaltung drängte. Ein schlichter Dresdener Steinmetzmeister, C. Uhlmann mit Namen, erbot sich „eine Marmorplatte unentgeltlich anzufertigen und an Ort und Stelle zu schaffen“; er knüpfte daran nur die Bedingung, daß sein Name nicht in der Leute Mund komme, eine Forderung, der, gewiß zur Freude und Ehre des braven Mannes, auf die Dauer der Zeit nicht genügt werden konnte.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_309.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)