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Seite:Die Gartenlaube (1880) 304.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

auf keinen Fall. Aber ich rathe Ihnen, dieses Zusammentreffen in Ettersberg zu verschweigen. Ich werde das zu Hause gleichfalls thun; denn so unschuldig wir daran sind, wir würden doch beiderseitig in Acht und Bann gethan bei dem Geständniß“. Hier war es zu Ende mit der Selbstbeherrschung der jungen Dame; sie brach in ein so lautes und muthwilliges Lachen aus, daß Oswald sie befremdet anschaute; Edmund dagegen ging sofort auf den Ton ein.

„Es bestehen also irgend welche geheime Beziehungen zwischen uns, von denen ich vorläufig keine Ahnung habe,“ sagte er. „Jedenfalls scheinen sie sehr heiterer Natur zu sein, und da Sie Ihr Incognito durchaus nicht lüften wollen, mein Fräulein, so gestatten Sie einstweilen, daß ich mitlache,“ damit stimmte er ebenso herzlich und übermüthig in das Gelächter ein.

„Die Wagen sind bereit,“ unterbrach Oswald diese stürmische Heiterkeit. „Es ist wohl Zeit, einzusteigen.“

Die Beiden hörten plötzlich auf zu lachen, und ihre Mienen zeigten, daß sie diese Unterbrechung sehr rücksichtslos fanden. Sie warf das Köpfchen zurück, sah den Sprechenden von oben bis unten an, kehrte ihm dann ohne Weiteres den Rücken und ging zu ihrem Wagen. Edmund ging natürlich mit, er schob den Kutscher bei Seite, der an dem geöffneten Schlage stand, hob seine schöne Schutzbefohlene hinein und schloß die Wagenthür.

„Und ich soll wirklich nicht erfahren, wen der Zufall so gütig und leider so flüchtig in meinen Weg geführt hat?“ fragte er sich niederbeugend.

„Nein, Herr Graf! Vielleicht erhalten Sie in Ettersberg die Aufklärung, falls nämlich mein Signalement dort bekannt ist. Ich gebe sie Ihnen auf keinen Fall. Aber noch eine Frage – ist Ihr Herr Vetter immer so artig und so – mittheilsam wie heute?“

„Sie meinen, weil er während des ganzes Weges kein Wort gesprochen hat? Ja, das ist leider seine Art Fremden gegenüber, und was seine Galanterie betrifft –“ Edmund seufzte – „Sie glauben nicht, mein Fräulein, wie oft ich da eintreten muß, um seinen gänzlichen Mangel daran wieder gut zu machen.“

„Nun, Sie unterziehen sich dieser Aufgabe auch mit großer Aufopferung,“ spottete die junge Dame, „und im Uebrigen hegen Sie eine unglaubliche Vorliebe für den Wagentritt. Sie stehen schon wieder oben.“

Edmund stand allerdings dort und hätte wahrscheinlich noch lange gestanden, wenn der Kutscher, der jetzt die Zügel ergriff, nicht sehr deutliche Zeichen von Ungeduld gegeben hätte. Die schöne Unbekannte neigte graziös das Haupt.

„Meinen Dank für die freundliche Hülfe! Leben Sie wohl!“

„Ich darf doch hoffen – auf Wiedersehen?“ rief Edmund beinahe ungestüm.

„Um des Himmels willen nicht! Darauf müssen wir unter allen Umständen verzichten. Sie werden das auch noch einsehen. Adieu, Herr Graf von Ettersberg!“

Der Abschiedsgruß verhallte in dem alten, muthwilligen Lachen. Die Pferde zogen an, und Graf Ettersberg kam nur mit genauer Noth noch vom Tritte herunter.

„Willst Du denn nun endlich die Güte haben, einzusteigen?“ klang Oswald’s Stimme. „Du hattest ja so große Eile, nach Hause zu kommen, und wir haben uns schon bedeutend verspätet.“

Edmund warf noch einen Blick auf den Wagen, der ihm die reizende Bekanntschaft entführte und der soeben zwischen den Bäumen verschwand; dann folgte er der Aufforderung.

„Oswald, wer war die Dame?“ fragte er rasch, während auch die Postchaise sich in Bewegung setzte.

„Darnach fragst Du mich? Wie soll ich das wissen?“

„Nun, Du warst ja lange genug bei den Wagen. Du wirst doch den Kutscher gefragt haben.“

„Es ist nicht meine Art, die Kutscher auszufragen, und überdies interessirt mich die Sache sehr wenig.“

„Aber mich desto mehr!“ rief Edmund ärgerlich. „Freilich, das sieht Dir ähnlich. Nicht einmal eine Frage hältst Du der Mühe werth, wo es sich um eine so interessante Begegnung handelt. Ich weiß nicht, was ich aus diesem Mädchen machen soll. Das sprüht ja Funken bei jeder Berührung – das zieht an und stößt ab in einem Athem. In der einen Minute glaubt man sich berechtigt, ihr ganz zwanglos zu nahen, und in der nächsten wird man wieder in die respectvollste Entfernung zurückgescheucht. Ein reizender kleiner Kobold!“

„Aber sehr verwöhnt und übermüthig!“ schaltete Oswald ein.

„Du bist ein entsetzlicher Pedant!“ fuhr der junge Graf auf. „Ueberall findest Du etwas zu tadeln. Gerade dieser launische Uebermuth ist es, der das Mädchen so unwiderstehlich macht. Aber wer in aller Welt kann sie sein? Der Wagenschlag trägt kein Wappen, der Kutscher nur einfach herrschaftliche Livrée, ohne jedes Abzeichen. Also irgend eine bürgerliche Familie aus der Nachbarschaft, und doch scheint sie uns sehr genau zu kennen. Woher denn aber dieses Verweigern des Namens, diese Hindeutung auf schon bestehende Beziehungen? Ich zerbreche mir vergebens den Kopf darüber.“

(Fortsetzung folgt.)




Die Zukunft der deutschen Rechtschreibung.
Eine brennende Frage der Gegenwart.
Von K. J. Schröer.

Ist die deutsche Rechtschreibung eine „Frage“?

So groß – besonders in den letzten Jahrzehnten – die Verwirrung geworden ist, die in den Schulen herrscht, indem überall eine „neue Orthographie“ gelehrt wird, die wiederum an jeder Anstalt eine andere ist, so wurde dadurch doch der Schreibgebrauch der Schriftsteller und Journale bisher so wenig berührt, daß man geneigt sein konnte, darüber hinwegzusehen und die Unsicherheit der deutschen Schreibung bei alledem zu leugnen. Sie erschien so ziemlich zu Einheit und Festigkeit gelangt, namentlich für die historische Betrachtung, welche die Entwickelung unserer Orthographie von den ältesten Zeiten deutschen Schriftenthums an bis zur Gegenwart verfolgte.

Wir hatten große Zeiten des Aufblühens unserer schönen Literatur im zwölften, dreizehnten und sechzehnten Jahrhundert. Was wurde da geschrieben! Aber eine in so weiten Kreisen verbreitete, übereinstimmende Schreibung, wie sie heute herrscht, hatten wir noch nicht. Der Kundige weiß, wie selten die ideale Schreibung sauberer neuer Ausgaben unserer mittelhochdeutschen Dichtungen in den Handschriften angetroffen wird. Auch wie die Orthographie des sechzehnten Jahrhunderts im Argen liegt, ist ja wohl schon einem weiteren Kreise bekannt. Und welches Chaos herrschte noch in unserer Schreibung, als der wackere Leonhard Frisch 1741 in Berlin sein von Jacob Grimm so gerühmtes deutsch-lateinisches Wörterbuch herausgab! Man braucht nur einen Blick zu werfen in die Vorrede, und Schreibungen wie: offt, Wissenschafft, weitläufftig, Muthmassung, Werck[1], Saltz u. dergl. m. erinnern sogleich an den Abstand der Zeit. – Eine solche Schreibung, wie sie hier ein angesehener Sprachforscher in einem gelehrten Werke schrieb, war aber keineswegs die allgemein gültige. Man nimmt gewöhnlich an, die gegenwärtige Orthographie sei durch Gottsched festgestellt worden und zwar durch seine 1748 erschienene „Grundlegung einer deutschen Sprachkunst“. Das ist aber doch nicht so aufzufassen, als ob sie eine Erfindung Gottsched’s wäre, dessen Machtspruch die Nation gefolgt sei. Dergleichen vermag wohl ein Einzelner bei einem großen literarischen Volke nicht. – Die Läuterung unserer Schreibung von Consonantenhäufungen, wie in den angeführten Worten, begann schon vor Leonhard Frisch. Sie ging von Leipzig aus.

Wenn wir die in der Breitkopf’schen Druckerei erschienenen Schriften der „Deutschen Gesellschaft“, der freilich Gottsched nahe stand, von 1730 bis 1742 vergleichen, so finden wir schon durchweg in ihnen: oft, Wissenschaft, weitläuftig, Muthmaßung, Werk, Salz etc. ganz wie wir heute schreiben, kurz die später von Gottsched gelehrte Orthographie. Wir finden sie aber auch ebenso z. B. in Kopp’s Uebersetzung von „Tasso’s befreitem Jerusalem“, die 1744

  1. ck nach n schrieb übrigens Goethe bis an sein Lebensende
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_304.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2021)