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Seite:Die Gartenlaube (1880) 215.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Hervorzuheben ist ferner die Noblesse der Verlagsfirma Justus Perthes in Gotha, welche ohne Rücksicht auf den Erfolg in fast verschwenderischer Weise die Mittel für die künstlerische und reiche Ausstattung der Karten und der „Mittheilungen“ zur Verfügung stellte, obgleich das große gebildete Publicum sich – wie dies so leider populär-wissenschaftlichen Zeitschriften gegenüber in Deutschland vielfach geschieht – nicht in dem Maße betheiligte, wie es dies in seinem eigenen Interesse hätte thun sollen.

Selbstverständlich mußte mit solchen Kräften und Mitteln das neue Unternehmen bald eine hohe Stufe der Vollendung erreichen, es handelte sich aber darum, es in diesem Stadium dauernd fortzuführen, eine Aufgabe, die ebenso sehr der Würde der seit siebenzig Jahren bestehenden Anstalt wie der betheiligten Männer entsprach. Hier war es nun die unermüdliche agitatorische Thätigkeit Petermann's, welcher sich nicht damit begnügte, nur einfach das Geschehene zu referiren, die neuen Entdeckungen graphisch und beschreibend als der Erste von Allen und aus erster Quelle mitzutheilen, sondern der selbst Anregungen zu Forschungen und Reisen gab und sowohl die für die Ausführung richtigen Männer zu finden, wie auch, wo es nöthig war, die Mittel dazu flüssig zu machen wußte.

Das großartige Gebiet der geographischen Forschung theilt sich naturgemäß in so viel Abschnitte, wie wir Erdtheile haben, wozu die Polarländer, die Meere und die „allgemeinen“ geographischen Angelegenheiten noch besonders hinzukommen. Die Anschauung von der Gliederung unserer Erdoberfläche, welche im Laufe der letzten Jahrhunderte und bis zum Schlusse von Humboldt's Reisen gewonnen war, hatte in der Mitte unseres Jahrhunderts dahin geführt, daß man einen allgemeinen übersichtlichen Standpunkt zu fassen suchte, den namentlich Karl Ritter festzustellen sich bemühte. Indessen trieb die Fülle der neuen Erscheinungen und Resultate, welche fast jede neue Forschungsreise mit sich brachte, die Menschheit an, die Blicke immer weiter und weiter zu richten, in vergleichender Uebersicht die Oceane und Länder zu umspannen und auch jene großartigen Naturgesetze der Wind- und Wasserströmungen zu studiren, die mit unermüdlicher Thätigkeit bestrebt sind, die durch die Stauungen und Faltungen unserer Erdrinde rauh gewordene Oberfläche wieder glatt zu poliren, die Berggipfel abzutragen und die Ländermassive zu nivelliren.

Weitaus der größte Theil des Materiales, dem diese letztgenannten heutigen Anschauungen zu verdanken sind, befindet sich – vielfach noch als ein ungehobener Schatz – in den zahllosen Karten und Aufsätzen der Petermann'schen Mittheilungen. Ein Brief, ein Bericht, den der in den fernsten Theilen der Erde verweilende Reisende hierher sendet, das Tagebuch, das, wenn sein Schreiber vielleicht als Märtyrer der Wissenschaft gefallen ist, wohlbehalten hierher kommt, sie spiegeln viel reiner und klarer die wirklichen Verhältnisse an Ort und Stelle wieder, als jene zusammenfassenden Berichte, die, nicht immer mit großem Glücke, später nach Jahren von Anderen gemacht werden. Es giebt keine, selbst für den nicht ausschließlich wissenschaftlich Gebildeten interessanteren Berichte, als jene, welche uns die directen Zuschriften unserer Reisenden melden; jeder Artikel ist ein Blatt eines Romans, ein Abschnitt aus dem Gebiete der Wissenschaft, eine Photographie eines kleinen Erdenflecks.

Es entsprach der außerordentlich anregenden productiven Natur Petermann's viel zu sehr, sich mitten hinein in jene Legion von Aufgaben zu stürzen, deren Lösungen uns einer genauen Kenntniß unserer Erdoberfläche näher führen, als daß er einfacher Beobachter hätte bleiben können. Schon während seines Aufenthaltes in England, wo er sich der einflußreichen Protection von Bunsen's, des bewährten Gelehrten und preußischen Gesandten, erfreute, hatte er sich daran betheiligt, Forschungsreisen in's Leben zu rufen.

Im Jahre 1849 kam er sogar zu diesem Zwecke nach Berlin und lernte hier in der Wohnung seines Freundes Henry Lange die als Reisenden später so bekannt gewordenen Barth und Overweg kennen, die alsdann auf Kosten der englischen Regierung und der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin nach Afrika gesandt wurden. Damit war für ihn der Antrieb zu einer der beiden Hauptrichtungen seiner späteren Thätigkeit gegeben, die Beförderung der Afrikaforschung. Seine zweite Hauptthätigkeit war die Anregung zur Polarforschung, zu welcher letzteren er den Anstoß wohl von der damals die Welt bewegenden traurigen Franklin-Katastrophe empfing. Ihm, dem Vielvermögenden und Einflußreichen, sandte Dr. Barth von allen Stationen seiner Reisen directe ausführliche Nachrichten und Skizzen, mit denen er vom Beginn der Erscheinung seiner Mittheilungen die Augen der geographischen Welt auf sich zog. Petermann legte bei fast allen folgenden Expeditionen sein gewichtiges Wort in die Wagschale und wandte sich in entscheidenden Fällen an die Opferwilligkeit des deutschen Volkes, wie gelegentlich der deutschen Nordpol-Expeditionen. Wahrlich, man kann sagen: nur durch die agitatorische Thätigkeit Petermann's, die in seinen „Mittheilungen“ an die Oeffentlichkeit trat, ist ein nicht unbedeutender Theil der Erdoberfläche wissenschaftlich erforscht worden.

Selbstverständlich nahm ihn diese umfassende Thätigkeit so sehr in Anspruch, daß es manchmal um seine geographische Zeitschrift schlecht ausgesehen haben würde, wenn er nicht seinen getreuen Eckhard, seinen erprobten Redacteur Behm gehabt hätte. Mit einer Selbstverleugnung sonder Gleichen füllte dieser kenntnißreiche Geograph, ohne in seiner Bescheidenheit jemals seinen Namen als Autor zu nennen, die vom hohen Wogengang der Agitation hervorgerufenen Unebenheiten aus und hielt und hält bis heutigen Tages durch sein tiefes Wissen die „Geographischen Mittheilungen“ auf einer noch von keiner anderen geographischen Zeitschrift erreichten Höhe. Auch die künstlerische Ausführung der Karten, die unter Petermann's Aufsicht geschah, hat durch Bruno Hassenstein's Talent einen hohen Grad von Ausbildung erreicht. Es ist durchaus nicht leicht, nach Tagebuch-Aufzeichnungen Karten von unerforschten Gegenden mit Genauigkeit zu construiren, wie der genannte Kartograph vielfach früher gethan und nach jahrelanger Unterbrechung seit Petermann's Tode auf's Neue thut.

Es hat wohl innerhalb der letzten fünfundzwanzig Jahre keinen geographischen Forscher und Reisenden gegeben, der nicht direct oder indirect mit der Zeitschrift in Beziehung getreten wäre, keinen, über den sie nicht Mittheilungen gebracht hätte. Dabei ist es besonders hervorzuheben, daß sich dieses Unternehmen fern zu halten suchte von der Einseitigkeit, mit der viele geographische Gesellschaften ihr Interesse nur bestimmten Forschungsgebieten zuwandten, daß im Gegentheil auch über die entfernter liegenden Dinge stets eingehend berichtet wurde. So ist denn mit Anerkennung hervorzuheben, daß über Australien und Polynesien seither in den „Mittheilungen“ und deren circa 60 Ergänzungsheften allein etwa 70 Karten veröffentlicht wurden, über die Polarländer noch einige mehr, über Amerika mehr als 80, über Europa gegen 120, über Asien einige mehr und über Afrika endlich mehr als 140. Es sprechen diese circa 650 Karten für die große Reichhaltigkeit des Unternehmens.

Petermann war mit Recht stolz auf die Anerkennung und den Einfluß seines Organs, er besaß aber auch die Schwäche, sehr ehrgeizig zu sein, und zeigte in Folge dessen wohl dann und wann eine Schroffheit des Charakters, die ihm manche Feindschaft zuzog. Er ist an seinem Charakter zu Grunde gegangen: mitten in der Fülle seines Ruhmes, auf dem Gipfel seines Einflusses, hat er sich bekanntlich in einem Anfall von Schwermuth das Leben genommen. (Vergl. Nr. 42, 1878.)

Doch sein Werk wird unter Behms und Hassenstein's Leitung fortleben. Schon in der letzten Lebensjahren hatte Petermann sich direct nur noch sehr wenig an der Herstellung der „Mittheilungen“ betheiligt, weshalb denn auch sein Tod durchaus keine so fühlbare Lücke in das Werk riß, wie man hätte vermuthen können. Die Zeitschrift erscheint ohne die geringste sichtbare Veränderung genau in derselben Weise fort. Fast schien es, als ob die Perthes'sche Anstalt als Ersatz für die agitatorische Wirkung Petermann's in der Polarfrage eine andere Kraft heranziehen sollte, und dem zufolge ersuchte sie den durch seine Förderung der Polarfrage bekannten Dr. Lindemann in Bremen sich an der Redaction zu betheiligen, aber nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß auch dies Auskunftsmittel nicht nöthig war. So mögen denn die „Mittheilungen“ auch in den nächsten fünfundzwanzig Jahren fortfahren das zu sein, als was sie bisher nach dem Ausspruche des Freiherrn von Richthofen, bei Gelegenheit der Jubelfeier der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, erklärt wurden: eine „Zierde Deutschlands“!




Blätter und Blüthen.

Eine deutsche Künstlerin. Aus Groß-Ullersdorf in Mähren brachte die dort erscheinende Zeitung „Ceres“ unter dem 5. Februar dieses Jahres die nachfolgende Mittheilung: „Am 3. dieses Monats wurde hierorts die in weitesten Kreisen bekannte kaiserlich russische Hofschauspielerin Frau Auguste Versing, geb. Lauber, siebenzig Jahre alt, beerdigt. Dieselbe verlebte hier neun Jahre und erfreute sich einer großen Sympathie. Die Theilnahme an der Leichenfeier war eine allgemeine und zahlreiche. – – Die hiesigen Armen verlieren an der Dahingeschiedenen eine theilnehmende, freigebige Gönnerin.“

Der Name der Frau, welche hier in der Abgeschiedenheit eines mährischen Dorfes ihr Leben beschlossen hat, ist freilich den „weitesten“ deutschen Kreisen nicht mehr so bekannt, wie der kurze Nachruf es voraussetzt. Sehr zusammengeschmolzen sind jedenfalls die Reihen Derjenigen, die sie in der Blüthe ihres Wirkens gesehen haben und aus eigener Anschauung zu bezeugen vermögen, daß sie einst eine glänzende Zierde des deutschen Theaters, eine mit Recht hochgefeierte Künstlerin ersten Ranges gewesen ist. Der Ausspruch, daß die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht, kann im buchstäblichen Sinne heut allerdings nicht mehr als eine Wahrheit gelten. Es werden jetzt sogar schon die lebendigen Spuren verfolgt, welche die schöpferische Arbeit großer Schauspieler im Gange der Kunstentwickelung zurückgelassen hat. Dennoch waltet das Geschick in dieser Hinsicht nicht immer gerecht, und es sterben Manche, die weit über die Mittelmäßigkeit bloßer Localgrößen hinausragen, als Vergessene oder doch Halbverschollene, wenn sie der Tod nicht gerade mitten aus ihrem Berufe holt, sondern ihnen nach beschlossener Laufbahn noch einen längern Dienst des stillen Ausruhens vergönnt hatte. So auch erging es der Frau Versing. Wir erfüllen daher nur eine Pflicht, wenn wir hier ihres Lebenslaufes gedenken.

Als Tochter eines tüchtigen, allgemein geachteten Schauspielerpaares hatte Auguste Lauber ihre Kindheit und erste Jugend in den bescheidenen Verhältnissen und wechselnden Geschicken jener Wandertruppen besserer Art verlebt, von denen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts eine ganze Reihe großer Schauspieler ausgegangen ist. Dem wohlunterrichteten Vater und der feingebildeten Mutter hatte das junge Mädchen eine sorgfältige Erziehung und gute Schulbildung zu danken. Frühzeitig betrat sie die Bühne und sah dadurch ihren Wunsch erfüllt, den Eltern und zahlreichen Geschwistern eine liebreiche Stütze zu sein. Ihre Erstlingsleistungen müssen wohl die Aufmerksamkeit der Bühnenleiter erregt haben; denn bald sehen wir sie aus ihrer süddeutschen Heimath unter Küstner's Direction nach Leipzig versetzt, wo ihr Emil Devrient und seine junge Gattin Vorbilder wurden. Von Leipzig wurde sie für das Fach der naiven Liebhaberinnen nach Nürnberg berufen, von da an das Hoftheater in Darmstadt, und in beiden Orten steigerte sich die ihr gewidmete Liebe und Anerkennung zu einem solchen Enthusiasmus, daß man auch auswärts diesen neuaufgehenden Stern kennen lernen wollte und ihr die Auszeichnung eines Gastspiels in Dresden zu Theil wurde.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)