Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Halsband Margiten rechtzeitig übergeben!“ Seine hocherhobene Hand ließ das glühende Roth einer Korallenkette im Fackellichte spielen.
Lauter Zuruf folgte den Worten Paulu's, worauf der Pope sprach: „Ja, mein Sohn, und nun soll die alte Dordona wohl oder übel Wort halten und einen Hochzeits –“
Der „Schmaus“ blieb dem guten Manne im Halse stecken; denn die verscheuchten Wölfe machten sich – wahrscheinlich durch Zuzug ermuthigt – abermals in höchst beunruhigender Nähe hörbar, Alle zur Heimkehr mahnend.
Rasch ordnete sich der Zug, in dessen Mitte nun das Brautpaar Hand in Hand schritt, während an der Spitze neben mir der Pope auf Paulu's Pferd meine Fragen bezüglich der noch unklaren Details des kleinen Liebesromans mit endlosem Wortreichthume beantwortete. Nur wenn ein Windstoß den brennenden Spähnen glühenden Funkenregen entlockte und in deren Lichte seltsame Nebelgestalten sichtbar wurden, welche über unseren Köpfen dahin huschten, wurde der Redestrom durch zahllose Bekreuzungen und Anrufungen mächtiger griechischer Heiliger unterbrochen, wobei der würdige Seelenhirt jedoch auch irdische Vorsicht nicht außer Acht ließ, sondern sein Pferd möglichst dicht an das meine hielt.
Der Kern dieser weitschweifigen Mittheilungen aber war folgender:
Als Frau Dordona trotz des glücklich ausgefallenen, ihre Bedingungen erfüllenden „Wurfes“ ihr Versprechen nicht einlösen wollte, legte sich der alte Pope aus Mitleid für die schöne Margita in's Mittel und machte der Alten die Hölle so heiß, daß sie endlich in seiner Gegenwart den Hochzeitstag bestimmte und Paulu zum Einkaufe des nöthigen Staates für ihn selbst und Margita nach Rimnik schickte.
So glaubte der würdige Diener der Kirche alles in bester Ordnung und unterwarf seinen wohlgepflegten Leib – wie er mir sub rosa anvertraute – in Erwartung des Hochzeitsgelages einer ebenso verdienstlichen wie in diesem Falle praktischen Bußübung dreitägigen Fastens, als Margita am dritten Abend weinend in seine Hütte trat und ihm erzählte, Paulu habe in seiner Glückseligkeit gerade das Wichtigste, das Korallen-Brautgeschenk – ohne welches kein anständiges Mädchen jener Gegend an den Traualtar tritt – zu kaufen vergessen und sei deshalb von der erzürnten Mutter mit dem Bedeuten aus dem Hause gewiesen worden, entweder den Halsschmuck rechtzeitig herbeizuschaffen, oder sich eine andere Braut zu suchen. Paulu aber sei trotz ihres Abredens in höchster Verzweiflung fortgeeilt, um das Unmögliche, die Zurücklegung des weiten Weges bis zum nächsten Morgen, zu unternehmen.
„Das war eine schlimme Nachricht, bester Herr,“ schloß der Redelustige seine Mittheilungen; „denn die Nacht ist des Menschen Feind, zumal in so vorgerückter Jahreszeit, wo die Wölfe, diese heulenden Kinder Belial’s, so heißhungerig sind, als hätten sie – drei Tage gefastet,“ platzte er im Eifer der Rede heraus, um nach gutmüthigem Selbstbelachen zu enden: „Da gürtete ich denn meine Lenden, wie einst Tobias der Sohn, und nahm so viele Männer mit mir, als in der Eile aufzutreiben waren, um den meiner Meinung nach Verunglückten aufzusuchen, ohne zu ahnen, daß dieser durch die Vermittelung Gottes und seiner Heiligen in Ihnen, bester Herr, einen so muthigen Beschützer und Retter in der Noth gefunden hatte.“
Blieb mir nach all dem auch noch immer räthselhaft, wie Paulu von meinem Reisevorhaben wissen konnte, so war mir doch vollkommen klar, daß ich all die Gefahren dieser Nacht eigentlich nur der Vergeßlichkeit eines einfältigen Hirten wegen bestanden, und diese Erkenntniß versetzte mich eben nicht in die rosigste Laune.
Aber auch dies schien der „dumme Junge“, wie ich meinen treuen Führer in Gedanken taufte, sehr genau zu wissen, denn als wir Frau Dordona's Hütte erreicht hatten, um daselbst den Rest der Nacht zu verbringen, verschwand er mit Margiten und überließ es mir allein, mich an den Geierminen und den grünfunkelnden Augen der über das Mißlingen ihres tückischen Anschlages wüthenden Alten zu ergötzen.
Schon mit Sonnenaufgang weckte mich der Jubel der Hochzeitsgäste, was meine Stimmung in Anbetracht der kurzen Nachtruhe nicht verbesserte. Schlaftrunken kleidete ich mich an, im Innern Amor und Hymen sammt ihren ruhelosen Schützlingen in’s Pfefferland verwünschend; da knarrte die Thür, und ein heller Lichtstrahl fiel in das Dunkel des Raumes. „Endlich Paulu,“ dachte ich mit einem Donnerwetter auf den Lippen; es war aber wieder nicht der einfältige Bursche, sondern Margita, bräutlich geschmückt, die rothen Korallen um den weißen Hals geschlungen. Mit einem Knixe überreichte sie mir einen Strauß frischer Alpenblumen, worauf sie mit bewegten Worten und einem Kusse, der leider nur meiner Hand zu Theil wurde, für meinen „großmüthigen“ Beistand dankte, ohne welchen sie jetzt vielleicht eine Braut in Thränen statt in Freude wäre.
Abermals „großmüthig“ – also auch Margita wußte nicht, daß ich – o Spitzbube von einem einfältigen Schafhirten! – da kam er endlich geschlichen und wühlte in den Haaren mit einem Gesichte, als könne er nicht fünf zählen, während Margita mit einem ermuthigenden Blicke davon hüpfte.
„Du leidest wohl nicht mehr an Kopfschmerzen?“ sagte ich möglichst ernst, denn die Mischung von Scheu, Verlegenheit und Pfiffigkeit in Haltung und Wesen des Burschen war doch gar zu drollig.
„Bestens zu danken, Herr, nein,“ erwiderte er, fügte aber, sich besinnend, hinzu: „das heißt, manchmal brummt es noch immer darinnen, und dann ist's, als hörte ich Wölfe heulen.“
„Sieh, sieh, aber nun sage mir, Bursche, wie kamst Du eigentlich auf den Gedanken, mit mir nach Rimnik zu reiten?“
Paulu schnitt ein Gesicht, wie ein von Leibschmerzen Befallener, ehe er antwortete:
„Ja seht, Herr, das war so ein dummer Gedanke, der unser Einem so in den Kopf kommt, wie eine Fliege in's leere Spinnennetz; auf der Heimkehr von der Stadt begegnete mir der Landbote, und so wußte ich, daß auch Ihr, wie sonst, dahin gehen würdet – na und dann hatte ich die rothen Teufelsdinger vergessen, weil ich eben nur an Margita dachte, und dann sollte ich die Dinger bis heute schaffen, als ob eines Mädchens Hals ein Faß wäre, das ohne Reifen ausrinne, aber es ist so der Brauch – na, da erinnerte ich mich an Euere Pferde und an Euch, Herr, und was für ein guter Herr Ihr seid –“
„Bestens zu danken, Paulu; aber, was meinst Du, wäre es nicht hübscher von Dir gewesen, mir die Wahrheit zu sagen und mich um ein Pferd zu bitten?“
„Mag wohl sein, Herr, aber seht, in der Nacht zählt der beste Mann nur für Einen, Zwei aber machen immerhin ein Paar, nicht zu vergessen die kleinen Schießgewehre in Eurer Satteltasche – na und –“
„Und da zogst Du es vor, mich zum Narren zu halten.“
„Gott schlage mich, Herr, wenn ich daran dachte!“ versicherte Paulu kleinmüthig, indem er nach dem dicken Tschibukrohr in meiner Hand schielte, das mir zugleich als Spazierstock diente – ich glaube, der arme Bursche würde es ganz in der Ordnung gefunden haben, hätte ich seiner stillen Erwartung nach Landessitte und Bojarenart kräftigst entsprochen. Doch schien er auch nicht unangenehm enttäuscht, als das Rohr nicht in Bewegung gesetzt wurde, und aufathmend meinte er:
„Auch dachte ich, Herr, Ihr werdet meine Dummheit um Margitens willen, und da wir doch weder ertranken noch zerrissen wurden, nicht allzu übel nehmen.“
„Nun denn, Du hast Recht,“ rief ich, meine Heiterkeit nicht länger verbergend, „man muß dankbar sein, und da Du Dich bei all dem als ein braver Führer benommen, so sei Dir dieser Streich verziehen – unter einer Bedingung jedoch.“
„Unter welcher, Herr?“ fragte Paulu, aus seiner gedrückten Stellung emporschnellend.
„Du erinnertest mich an Margiten, die heute Dein Weib wird,“ versetzte ich ernst, „Ihr Karpathenmenschen seid aber ziemlich rauhe Eheherren, und an Verdruss wird es in Deinem Hause nicht fehlen – willst Du mir versprechen, die Bosheit Deiner Schwiegermutter nie Margiten entgelten zu lassen?“
„Das will ich, Herr!“ rief Paulu eifrig, „ja, noch mehr, von morgen an bin ich Herr im Hause, und soll es jemals Verdruß geben zwischen mir und meinem guten Weibe, beim Himmel, Herr, die Alte soll's entgelten.“
Und wie der Bursche so sprach, die nervige Rechte schwingend, da schien seine Gestalt plötzlich um einige Zoll gewachsen, in den
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_199.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)