Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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ein Menschenalter auf allen deutschen Bühnen erhielten, gegen Nahrungssorgen kämpfen mußte – solche Fälle kommen in Frankreich nicht vor.
Indessen ist auch hier der Pfad des Künstlers und Schriftstellers nicht mit lauter Rosen bestreut. Sie haben beim Beginne ihrer Laufbahn hart, ja vielleicht noch härter zu kämpfen als anderswo, und nur verhältnißmäßig Wenige gehen siegreich aus dem Kampfe hervor, während die Anderen in Frankreich ebenso unterliegen wie in Deutschland. Die wenigen Schriftsteller aber, denen in Deutschland ein großer Erfolg zu Theil wird, sind nicht halb so gut gestellt, wie die französischen, denen nur einigermaßen die Gunst des Schicksals lächelt.
Am 15. August 1875 feierte die Stadt Mannheim ein Fest, großartig in seinen Dimensionen, glänzend in seinem Verlaufe, hervorragend durch seine Bedeutung. Es galt der Eröffnung der neuen Hafenanstalten.
Und Mannheim hatte in der That alle Ursache, diesen Eröffnungsact festlich zu begehen, denn mit der damals erfolgten Fertigstellung des großen Hafencanals und einiger anderen Abtheilungen des Gesammthafens hatte eine lange Periode ständiger Verlegenheiten für Handel und Verkehr ihren Abschluß gefunden, und da gleichzeitig auch der inmitten des Hafengebiets gelegene Centralgüterbahnhof vollendet worden war, so waren damit diejenigen Voraussetzungen erfüllt, welche unbedingt zutreffen mußten, sollte Mannheim das Emporium Süddeutschlands für den Großhandel in Colonialwaaren, Droguen, Getreide, Tabak etc. sowie für den Speditionshandel bleiben können.
Noch andere Ursachen veranlaßten freudige Stimmung. Wohl an keinem anderen Handelsplatze des deutschen Binnenlandes sind in der verhältnißmäßig kurzen Zeit eines Jahrzehnts von der Staatsverwaltung lediglich für Verkehrszwecke Anlagen und Bauwerke von solchem Umfang und mit solchem Kostenaufwande geschaffen worden, wie in Mannheim und seiner nächsten Umgebung.
Mit der Neckarcorrection beginnend, ließ die badische Regierung seit Mitte der 1860er Jahre außer den bereits erwähnten Bauten eine feste Brücke über den Rhein für Bahn- und Landverkehr (diese gemeinschaftlich mit Baiern), einen Rangirbahnhof, eine Verbindungsbahn nach dem Rheinvorland und eine neue Haltestelle an der Rheinbrücke mit Zufahrtsstraße vom Schlosse aus zur Ausführung bringen. Theils in Angriff genommen, theils in sichere Aussicht gestellt waren zur Zeit den Festes auch der definitive Personenbahnhof – ein monumentales Bauwerk – der Verbindungscanal zwischen Rhein und Neckar und mehrere Lagerhäuser am Quai des neuen Hafencanals. Der Gesammtaufwand aller dieser Bauwerke beträgt über 22 Millionen Mark.
Es ist bereits erwähnt worden, daß mit der Fertigstellung der neuen Hafenanstalten eine an Verlegenheiten und Mißständen überreiche Periode ihren Abschluß gefunden. Die früheren Hafeneinrichtungen waren nämlich für Verhältnisse berechnet, wie sie vor etlichen vierzig Jahren, also zu einer Zeit bestanden hatten, in welcher die Dampfschifffahrt auf dem Rheine kaum begonnen, in welcher der Eisenbahnbau noch zähe Gegner fand, in welcher verschiedene Städte am Rhein und Neckar zum großen Nachtheil Mannheims noch allerlei Stapel- und andere Rechte voraus hatten, in welcher die Rheinschifffahrt unter dem Octroi und der Recognitionsgebühr seufzte, der Verkehr zwischen den einzelnen deutschen Staaten durch zahllose Schlagbäume und andere Schranken lahm gelegt, der Anschluß Badens an den Zollverein kaum in Aussicht genommen war. Mannheim hatte in jener Zeit circa 20,000 Einwohner, und obgleich der Nahrungsstand der Stadt bereits seit der Entfernung des kurpfälzischen Hofes (1778) hauptsächlich auf Handel und Gewerbe ruhte, so bewegte sich doch der Verkehr während der drei ersten Decennien des laufenden Jahrhunderts in sehr dürftigen Grenzen. Erst nach dem Eintritt Badens in den Zollverein bekamen die Dinge eine andere, günstigere Gestaltung. Während der Warenverkehr noch im Jahre 1833 nur 114,888 Centner betrug, stieg derselbe, nachdem Baden 1835 dem Zollverein beigetreten war, in den nächsten Jahren erheblich, und schon zu Anfang der vierziger Jahre war Mannheim nach Köln und Mainz bereits der belebteste Hafen am Rhein geworden.
Der frühere Hafen war für Schiffe von 4000 Centner Ladungsfähigkeit eingerichtet, während seit geraumer Zeit solche von 12,000 bis 14,000 Centner Ladungsfähigkeit eintrafen. Die Hebewerke bestanden ausnahmslos aus Handkrahnen, und diese waren nicht in genügender Anzahl vorhanden. Mit einem solchen Apparate konnten aber bei mittlerem Wasserstande täglich nur circa 1500 Centner ausgeladen werden. Die natürliche Folge dieser Verhältnisse war, daß größere Schiffe zehn bis zwölf Tage auszuladen hatten und überdies noch wochenlang zuwarten mußten, bis ein Hebewerk zu ihrer Verfügung stand. Es fehlte zudem an Magazinen und Lagerplätzen für Güter des freien Verkehrs; es fehlte an genügenden Kellerräumen für zollpflichtige Weine und Spirituosen – kurz, eigentlich konnte man fragen: an was fehlt es nicht?
All diese Mängel verlangten rasches und energisches Eingreifen. Als im Jahre 1864 an die Spitze des badischen Handelsministeriums der geniale Mathy getreten war, dessen Scharfblick es nicht entgehen konnte, daß eine Verbesserung der Mannheimer Hafen- und Verkehrsanstalten gleichbedeutend war mit der Förderung der Interessen der badischen Staatsbahnen, da ließ denn auch die Abhülfe, die Anbahnung entsprechender Umgestaltungen und neuer Schöpfungen, nicht mehr lange auf sich warten. Bereits Mitte der sechsziger Jahre war Oberbaurath Keller mit der Ausarbeitung der betreffenden Pläne betraut worden, und mit einzelnen Werken wurde ohne Verzug begonnen. Der große Hafencanal konnte zwar verschiedener Vorarbeiten wegen erst im Jahre 1870 in Angriff genommen werden, die Riesenarbeit wurde aber so gefördert, daß sie nach fünf Jahren bewältigt war. Der erste Spatenstich erfolgte – ein eigenthümlicher Zufall – durch Kriegsgefangene derselben Nation, deren Heere im Jahre 1689 die Stadt Mannheim in einen Schutthaufen verwandelt und 1794 stark beschädigt hatten. Erst 1879 waren sämmtliche Anstalten fertig.
Der Mannheimer Gesammthafen zerfällt in folgende Abtheilungen: in den Hafencanal, den Zollhafen, den Neckarhafen, den Rheinhafen, den Floßhafen und den Verbindungscanal.
Was zuerst den großen Hafencanal betrifft, so ist derselbe mitten durch die Mühlau-Insel gelegt, hat eine Länge von 2100 Meter und eine Breite von 120 Meter und steht durch Ein- und Ausmündung mit dem Rheine in unmittelbarer Verbindung. Um ihn herzustellen, waren 1,620,000 Cubikmeter Material auszuheben. Die Wassertiefe bei Mittelwasser beträgt 4,7 Meter. Zur Ausgleichung des Gefälles ist etwa 300 Meter unterhalb der Einmündung eine 96 Meter lange und 10,5 Meter breite Kammerschleuße mit massiven Schleußenhäuptern und eisernen Schleußenthoren angebracht, welche für sich einen Kostenaufwand von 471,428 Mark veranlaßt hat. Auf dem rechten Ufer ist eine auf Beton ruhende Quaimauer von 1100 Meter Länge hergestellt, hinter welcher sich zunächst zwei Geleise für Dampfkrahnen und Bahnwagen, sodann drei Werfthallen, eine offene Verladepritsche, sechs größere Waarenmagazine und eine Sammelhalle für Stückgüter befinden. Bis jetzt sind sieben Dampfkrahnen vorhanden, welche nahezu auf der ganzen Quaimauerstrecke in der Art Verwendung finden können, daß vermittelst derselben die Güter direct aus den Schiffen in Bahnwagen oder, wenn zollamtliche Abfertigung erforderlich oder Lagerung beabsichtigt ist, in die Werkhallen, beziehungsweise Lagerhäuser abgesetzt werden. Diese sehr zweckmäßige Einrichtung erinnert an jene am Kaiser- und Sandthorquai zu Hamburg. Unterhalb der Werfthallen sind größere Plätze zur unentgeltlichen Lagerung von Roheisen, Harz, Farbholz und dergleichen Waaren zur Verfügung gestellt. Auch hier ist die Einrichtung so getroffen, daß die Waaren vermittelst der Dampfkrahnen nach den Bahnwagen oder im Fall der Lagerung nach den Lagerplätzen befördert werden können.
Vom nördlichen Ende der Quaimauer bis zur Ausmündung des Hafens ist das Ufer abgeschrägt. Die betreffende Hafenstrecke dient zur Aufstellung leerer Schiffe, ausnahmsweise auch zu Ein- und Ausladungen.
Auf dem linken Canalufer befinden sich acht Getreidehallen mit Lagerraum für 100,000 Centner.
An diese Hafenanstalten schließt auf dem rechten Ufer der Centralgüterbahnhof, auf dem linken der Fruchtbahnhof an. Der erstere hat eine Länge von 2580 Meter und eine Breite von 150 Meter; fünf Güterhallen nebst mehreren offenen Verladepritschen dienen zur Aufnahme der Bahngüter; in einer größeren Anzahl auf der östlichen Seite des Bahnhofs aufgeführten Gebäulichkeiten befinden sich die Geschäftslocalitäten für Zoll-, Bahn- und Hafenverwaltung, sowie Wohnungen für circa 80 Beamtenfamilien.
Bezüglich des Fruchtbahnhofes soll nur erwähnt werden, daß sich die Getreide-Einfuhr über Mannheim im Jahre 1878 auf über 2 Millionen Centner belaufen hat. Der Güterverkehr des Centralgüterbahnhofs betrug 16,602,733 Centner.
Beide Bahnhöfe sind mit dem Rangirbahnhof durch besondere Geleise, welche in der Nähe der Canaleinmündung über zwei größere eiserne Drehbrücken führen, in Verbindung gesetzt.
Der alte Zollhafen, zu dem wir uns jetzt wenden, ist hinter dem Hauptzollamtsgebäude gelegen; er ist der Rest des früheren Haupthafens, aber mit Ausnahme des Werfts nach allen Seiten umgestaltet worden. Bis zur Eröffnung des neuen Hafens wurde dort der größere Theil der wasserwärts bezogenen oder versendeten Güter aus-, beziehungsweise eingeladen, auch die zollamtliche Waarenabfertigung vorgenommen. Jetzt finden in dieser Hafenabtheilung nur noch Einladungen zu Thal gehender Güter statt, welche in den Hallen und Schuppen des angrenzenden Zollhofes vorübergehend unentgeltlich lagern dürfen. Auf dem Werfte sind sechs Handkrahnen aufgestellt, wovon einer eine Tragfähigkeit von 600 Centnern – an keinem Hafenplatze des Rheines ist ein Hebewerk von gleicher Stärke – die übrigen von 50 Centnern haben. Werft- und Zollhof finden ihren Abschluß durch das Hauptzollamtsgebäude und die beiderseits an dasselbe angebauten Niederlagemagazine für zollpflichtige Güter.
Der Neckarhafen, als die dritte Abtheilung des Gesammthafens, wird durch die linksseitige Flußhälfte von der Kettenbrücke bis zur Ausmündung des Flusses in den Rhein gebildet. Zunächst an der Brücke befindet sich die zollärarische Abtheilung mit Quaimauer, drei Handkrahnen, Werfthallen, Schuppen, geräumigem Lagerhause und Verwaltungsgebäude. Diese Abtheilung ist für jene Güter des freien Verkehrs bestimmt, welche nicht im Freien lagern können. Von hier gegen die Neckarmündung hin folgen eine Hafenstrecke für Baumaterialien, eine solche mit fünf Dampfkrahnen und Spundwand für Steinkohlen, eine dritte für Schnittwaaren und eine vierte für Petroleum, zu dessen Lagerung 48 Keller, für circa 45,000 Fässer ausreichend, vorhanden sind. Diese Keller sind Eigenthum der Mannheimer Lagerhausgesellschaft, welche auch vier der Waarenmagazine rechts vom großen Hafencanal besitzt und die acht Getreidehallen links in Pacht hat. Das an die vorgenannten vier
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_134.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)