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Seite:Die Gartenlaube (1880) 131.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Aus der französischen Schriftstellerwelt.
Zeitgeschichtliche Studie von Ludwig Kalisch.


Locke macht irgendwo die Bemerkung, daß die Luft auf dem Parnaß sehr angenehm, der Boden aber sehr unfruchtbar sei. Der Brodbaum gedeiht in der That nur höchst selten neben dem Lorbeerbaum, und die meisten von Denen, die ihre Jugend im Dienste der Musen geopfert, haben gar oft im Alter nicht, wohin sie das greise Haupt legen sollen. Dazu kommt noch, daß in der Dichterwelt jetzt bei Weitem mehr persönliche Würde herrscht, als ehedem. Man ist jetzt zu stolz, um gnädigen Schutz in den Häusern der Großen zu suchen und für Gelegenheitsgedichte oder weihrauchduftende Widmungen einige Goldstücke entgegen zu nehmen. Dichter und Schriftsteller wollen heutzutage ausschließlich von ihrer Feder leben, sie wollen aber auch den Lohn ihrer Arbeit gesichert wissen und sich nicht von schamlosen Freibeutern darum bringen lassen. Die französischen Schriftsteller haben schon seit einer langen Reihe von Jahren ihre Hervorbringungen, wenigstens in Frankreich, vor Nachdruck sicher gestellt. Baron Taylor hat sich durch Bildung von Literatur- und Kunstvereinen und durch unermüdliches, umsichtiges Wirken für die materiellen Interessen des Literaten- und Künstlerthums ein nicht genug anzuerkennendes Verdienst erworben. Andere schlossen sich ihm bald in seinem Streben an, und so kann jetzt der französische Künstler und Schriftsteller die Früchte seiner Werke ungeschmälert genießen.

Ich will hier mittheilen, wie die Sicherung der literarischen und artistischen Urheberschaft in Frankreich organisirt worden ist, und beginne mit den dramatischen Erzeugnissen.

Die dramatischen Dichter und Operncomponisten haben zwar in Paris noch viel mehr Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden, noch viel mehr Mühe und Noth, als in den großen Städten anderer Länder, auszustehen, bis es ihnen gelingt, ihre Werke zur Aufführung zu bringen, wenn sie aber einen glücklichen Wurf gethan, wenn ihr Werk einschlägt, so gewinnen sie neben dem Ruf, den ihnen die Tagespresse sogleich bereitet, auch eine beträchtliche Geldernte. Die Große Oper, die früher für jede Aufführung ein Honorar von fünfhundert Franken zahlte, hat seit einigen Jahren dieses Honorar mehr als verdoppelt, da sie fünfeinhalb Procent von der Brutto-Einnahme bewilligt. Dieselbe beläuft sich nämlich auf ungefähr zwanzigtausend Franken. Componist und Textbuchdichter theilen unter sich das Honorar in gleichen Hälften. – Das Théâtre français, die erste Bühne Frankreichs, zahlte früher ebenfalls fünfhundert Franken für jede Aufführung eines den Abend ausfüllenden Stückes und gewährt jetzt fünfzehn Procent von der Brutto-Einnahme.

Die anderen Bühnen zahlen für jede Vorstellung, bei einer Brutto-Einnahme von ungefähr viertausend Franken, den Autoren zehn bis zwölf Procent. Da nun ein erfolgreiches Stück nicht selten mehrere hundert Vorstellungen erlebt, so kann man sich leicht vergegenwärtigen, welcher beträchtliche Gewinn sich schon mit einer einzigen Production erzielen läßt. Ein beifällig aufgenommenes Werk, wie die Operette „Les Cloches de Corneville“, welche sechshundert Vorstellungen hinter einander erlebte, ungerechnet die Darstellungen in der Provinz, macht den Verfasser zum wohlhabenden Mann. Außer von den Theatervorstellungen kommt noch der Gewinn hinzu, den das Honorar für die Veröffentlichung des Stückes, des Textbuches und der Partitur abwirft. Von den Verpflichtungen, welchen die Cafés chantants und sonstige Belustigungsanstalten, in denen Lieder gesungen und Verse recitirt werden, gegen die betreffenden dramatischen Componisten und Autoren nachzukommen haben, wird bald die Rede sein.

Kommt nun schon ein Autor durch ein einziges gelungenes Stück nicht selten zu Vermögen, so macht eine Reihe von Erfolgen den dramatischen Dichter und Tonsetzer zum Millionär, wenn er den Gewinn nicht leichtsinnig vergeudet. Alexander Dumas Sohn ist Millionär, Victorien Sardou mehrfacher Millionär, und unserm Landsmann Jacob Offenbach hat seine hochgeschürzte Muse gewiß einige Millionen in den Schooß geschüttet.

Neben dem materiellen Gewinn wird den begabten dramatischen Schriftstellern und Tondichtern jede mögliche Auszeichnung zu Theil. Sie werden zu Mitgliedern des Instituts erwählt, und so oft man auch über dasselbe die satirische Lauge schüttet, so muß man doch zugeben, daß die Ehre, im palmengestickten Frack unter der Kuppel des Palais Mazarin zu sitzen, nicht gering anzuschlagen ist, daß ein Mitglied der Akademie der schönen Künste, oder gar der französischen Akademie eine hohe gesellschaftliche Stellung einnimmt. Die bedeutenden Schriftsteller und Künstler bilden in Frankreich die eigentliche Aristokratie, und mit dieser Aristokratie hat sich bis jetzt noch jede Regierung gut zu verhalten bestrebt.

Wie aber, wird nun der Leser fragen, sichern sich die dramatischen Schriftsteller und Componisten ihr Eigenthumsrecht? Auf die einfachste Art von der Welt. Sie bilden nämlich unter dem Namen „Société des auteurs et compositeurs dramatiques“ eine eng geschlossene Gesellschaft, zu welcher ohne Ausnahme nicht nur Jeder gehört, der dramatische Werke schreibt oder in Musik setzt, sondern auch Liederdichter und Liedercomponisten.

Die genannte Gesellschaft hat überall ihre Commissäre, die mit den Theaterdirectionen in der Provinz unterhandeln, und keine Direction darf ein Stück zur Aufführung bringen, ohne sich zuvörderst mit den Commissären verständigt zu haben, die denn auch die Tantième sogleich von der Brutto-Einnahme in Empfang nehmen.

Die dramatischen Dichter und Tonsetzer sind aber nicht blos den Bühnen, sondern auch, wie bereits erwähnt, den cafés chantants gegenüber vor unberechtigter Ausbeutung geschützt. Wo in solchen und ähnlichen Anstalten eine Arie aus irgend einer Operette gesungen oder ein Vers aus irgend einem Stücke recitirt wird, bezieht der betreffende Autor seinen Antheil an der Einnahme. So verliert kein Berechtigter auch nur einen einzigen Pfennig von dem Ertrage seiner Arbeit.

Die Gesellschaft der dramatischen Schriftsteller und Componisten zählt gegenwärtig über siebenhundert Mitglieder. Unter den wenigen Ausländern, die zu derselben gehören, befinden sich Flotow, Rosenhain und Richard Wagner. Ersterer hat bereits mehrere Opern in Paris zur Aufführung gebracht; von den beiden letzteren ist jeder in der Großen Oper mit einem Werke aufgetreten.

Verlassen wir nun das dramatische Gebiet und sprechen wir von der Romanliteratur, die gegenwärtig in aller Herren Ländern den literarischen Markt überschwemmt, besonders aber in Frankreich, wo das Erzählertalent von jeher auf's Sorgsamste gepflegt und sehr hoch geschätzt worden.

Es erscheinen in Frankreich jährlich an sechshundert neue Romane und ungefähr hundert in neuen Auflagen. Außer der beträchtlichen Schaar der Romanschriftsteller von Fach hat man noch vierzig bis fünfzig Liebhaber zu zählen, welche die Früchte ihrer bei den Haaren herbeizogenen Muse auf eigene Kosten herausgeben. Diese Dilettanten, welche eitel genug sind, um auf die Unsterblichkeit zu hoffen, und reich genug, um sich ihre Niederlagen zu erkaufen, kommen hier nicht in Betracht, sondern nur die Romanciers, die entweder zum Theil oder ausschließlich von der Feder leben.

Es giebt auf jedem Kunstgebiete nur wenig echte Künstler neben vielen Handwerkern, auf keinem anderen Gebiete giebt es aber so wenig echte Dichter und so viel Fabrikanten, wie in der Romanliteratur. Die Wenigen, die sich in Frankreich der Romanschriftstellerei mit Ernst widmen, der Kunst gerecht werden und zu einem literarischen Ruf gelangen wollen, bemühen sich außerordentlich, mit ihren ersten Hervorbringungen in der „Revue des deux mondes“ aufzutreten, da sich dieselbe einer großen Verbreitung in den gebildeten Classen aller Nationen erfreut und dem Autor sogleich eine geachtete Stellung in der Literatur erwirbt. Die genannte Revue weiß dies nur zu sehr; deshalb zahlt sie den Romanschriftstellern für deren Erstlinge kein Honorar. Das Honorar indessen, das sie namhaften und selbst berühmten Romanschriftstellern bewilligt, wiegt just auch nicht schwer. So erhielt George Sand für ihre in der „Revue des deux mondes“ erschienenen Romane während einer langen Reihe von Jahren blos

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_131.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)