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Seite:Die Gartenlaube (1880) 081.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


„Mein Gott, mein Gott, wie soll’s nun weiter gehen?“ klagt der so grausam Geprüfte. Heil ihm, wenn er daheim ein Weib hat, das den Spruch „Es geht nicht“ eben so wenig kennt, wie er selber! Dann werden Beide nach kurzem Ringen sich wieder aufraffen, und durch neue Anstrengung hier, Einschränkung dort, das anscheinend Unmögliche möglich machen. – Ja, ich will es Euch nur sagen: sie haben es möglich gemacht, und es ist „gegangen“. Als hätte die Natur in diesem einzigen Nachtfrost alle ihre böse Laune ausgetobt, gestaltete sich das Jahr im weiteren Verlauf so fruchtbar, daß der Schaden im Roggen durch die Fülle der übrigen Früchte und die höheren Preise nahezu aufgewogen wurde.

Ein Nachbar dieses Mannes aber, den das gleiche Schicksal betroffen, hatte gedacht: „Es geht nicht“ und sich am Morgen des 26. Mai 1866, am Morgen nach jener Unglücksnacht, das Leben genommen. Wäre er weniger schnell bei der Hand gewesen mit dem bösen „Es geht nicht“, so wäre der Segen der nachfolgenden Monate auch ihm zum Heile ausgeschlagen und, wie an dem Nachbar, hätte sich die Kraft des „Es geht doch“ auch an ihm bewährt.




Das Licht der Zukunft.[1]
Von Dr. C. Carlotta.

Um die zwölfte Stunde in der Nacht des 22. September 1878 hielt der sogenannte „Owl Train“ der New-Jersey-Southern-Eisenbahn, ein Bummelzug der schlimmsten Sorte, der nur den Localverkehr zwischen den unbedeutenden Ortschaften der Bahnstrecke vermittelt, an einem jener zierlichen Bahnhofsgebäude, durch welche sich die kleinen Eisenbahnstationen im civilisirten Osten Nordamerikas vor denen der westlichen „Wildniß“ auszeichnen. Ich war der einzige Passagier, der hier den Zug verließ, welcher gleich darauf in fahrplanmäßiger Langsamkeit seinen Weg fortsetzte. Auf dem Perron löschte der schläfrige Bahnwärter eben die letzte Lampe aus, und die Dunkelheit ringsum war eine so undurchdringliche, daß ich mich vergebens bemühte, die Wohnhäuser der kleinen Villeggiatur zu erspähen, die ich in geringer Entfernung vermuthete.

Die vollendete elektrische Zimmerlampe.
A ist die Glaskugel, aus welcher die Luft entfernt ist; sie ruht auf dem Untersatze B. F ist die kleine Kohlenfaser, welche durch feine Platinadrähte GG’ mit den Drähten EE’ verbunden ist, die durch Schrauben DD’ zur Generirmaschine führen. Der elektrische Strom, der bei D eintritt, geht durch den Draht E nach dem Platinabügel G, dann durch die Kohlenfaser F nach G’, den Draht E’ hinunter nach der Schraube D’ und von dort nach der Generirmaschine.

Vor wenigen Tagen hatte ich einem Manne, der in diesem verborgenen Winkel der Erde wohnte und den zu besuchen ich gekommen war, ein Telegramm gesendet, mit der Anfrage, wann ich ihn sprechen könne. Die Antwort lautete: „Zu jeder Stunde, bei Tag und bei Nacht.“ Allein ringsumher gewahrte ich kein Zeichen des Lebens, keine Behausung, kein Licht.

Ein leiser Zweifel, ob man mich auch auf der richtigen Station abgesetzt hatte, drängte sich mir auf.

„Ist denn dies hier Menlo Park?“ fragte ich den Bahnwärter, der sich eben anschickte, seinen Posten zu verlassen, und der meine Anwesenheit kaum bemerkt haben mochte.

„Ja, Herr,“ antwortete der Mann. „Sie wollen gewiß Professor Edison sehen, denn sonst bekommt ja hier Niemand Besuche von Fremden. Dort drüben wohnt er, hinter dem Hügel, in der großen Cottage. Gehen Sie nur den Fußweg über die Wiese! Den Professor finden Sie noch so wach wie eine Henne, wenn’s in der Sommernacht geregnet hat und sich am Morgen die Würmer tummeln.“

Er hielt seine Handlaterne hoch empor, und ich entdeckte einen schmalen, ausgetretenen Pfad, der mich in wenigen Minuten über die Wiese und dann über eine kleine grasbewachsene Anhöhe führte. Hinter derselben strahlte mir aus den vier Fenstern der oberen Etage eines zweistöckigen einfachen Hauses, das von einer breiten Veranda umgeben war, eine Fluth von Licht entgegen. Einige Augenblicke später zog ich die Glocke an der vorderen Hausthür. Ein schlanker junger Mann öffnete, aus dessen glattrasirtem Gesichte unter einer hohen, von kräftigem Haarwuchs umrahmten Stirn mich ein Paar klare, forschende Augen anblickten.

Die Aermel seiner losen Jacke und auch die seines Hemdes waren bis zu den Ellenbogen zurückgeschlagen, in der Rechten, welche deutliche Spuren der eben verlassenen Arbeit trug, hielt er eine Feile. Dies war Thomas Alvah Edison[WS 1], „der Erfinder von Menlo Park“, wie ihn Amerika nennt, seit sein Telephon uns die Antipoden so nahe gebracht hat, daß wir ihnen ein vertraulich Wörtlein in’s Ohr flüstern können.

Er hieß mich so herzlich und höflich willkommen, als hätte ich am hellen Mittag und nicht um Mitternacht sein Haus betreten. Seine Rede war schlicht und warm und dabei durchaus geschäftlich kurz; jedes Wort verrieth den amerikanischen Gentleman, der in unaufhörlicher praktischer Thätigkeit das höchste Ideal des Lebens erblickt und der stolz darauf ist, der Wissenschaft die geheimsten Kräfte abgelauscht, abgerungen und sich dienstbar gemacht zu haben.

Die Angelegenheit, die mich zu ihm geführt hatte, war schnell erledigt, und nunmehr gestattete mir der Professor den Eintritt in das Gemach der oberen Etage, dessen hellerleuchtete Fenster ich schon von Weitem erblickt hatte. Es war Edison’s Laboratorium und Werkstatt.

„Früher diente uns das Zimmer als Drawing Room,“ sagte der Professor. „Hier stand der Flügel meiner Frau –“ er deutete auf eine große Drehbank – „und dort, wo Sie auf dem Herde die Tiegel und Retorten sehen, pflegten wir unsere Abendstunden auf dem Sopha zu verplaudern. Ja, den Comfort müssen wir einstweilen entbehren, aber was thut’s? Noch gilt’s, zu schaffen; noch habe ich mein Ziel nicht erreicht; noch harrt die Welt vergeblich auf das, was ihr zwar nicht versprochen, was sie aber von mir zu erwarten scheint. Und wir schaffen’s auch wohl noch; wir sind Beide noch jung: ich ein Dreißiger und meine Frau kaum erst den Kinderschuhen entwachsen. Meine Arbeiten und meine Ideen sind immer länger als der Tag, und deshalb müssen wir oft die Nächte zu Hülfe nehmen“ – in des Professors Gedanken wie in seinen Worten bildeten er und seine Frau nur einen Begriff – „nun, über Jahr und Tag wird ein großer Theil meiner Arbeit vollendet sein, hoffe ich. Dann wollen wir uns zur Erholung eine Reise gönnen nach Ihrem schönen Deutschland, wo wir unter den Männern der Wissenschaft schon manchen Freund besitzen.“

  1. Wir veröffentlichen obigen Artikel über Edison’s neue Lampe auf das empfehlende Gutachten einer naturwissenschaftlichen Autorität hin, können jedoch nicht umhin, ihm den Ausdruck unserer Reserve hinzuzufügen, um so mehr da gegenwärtig in den Blättern die Nachricht auftaucht, die als Brenner verwendeten Bügel aus Papierkohle zerfielen nach kurzem Gebrauch und Edison hätte auf diese Wahrnehmung hin die Fabrikation der neuen Lampen eingestellt. Jedenfalls hat diese neueste Erfindung des Amerikaners soviel von sich reden gemacht, daß die im Obigen mitgetheilte Geschichte derselben unsere Leser interessiren wird.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Thomas Aloah Edison
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_081.jpg&oldid=- (Version vom 29.11.2019)