Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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als einen Lustgarten erscheinen. Hier ruht, außer vielen anderen verdienten und bekannten Männern, auch der Sänger der Griechenlieder, Wilhelm Müller, ein geborener Dessauer. Die Grabstätte Friedrich Schneider's, des berühmten Componisten des „Weltgerichts“, der von 1821 bis zu seinem Tode, 1853, Hofcapellmeister in Dessau war, befindet sich auf dem angrenzenden, 1820 vom Herzog Leopold Friedrich angelegten neuen Friedhofe.
Ueberblickt man die gesammten landschaftsgärtnerischen Schöpfungen des Fürsten, ein planmäßig zusammenhängendes Werk großen Stils, so erkennt man das erfolgreiche Bemühen, nicht nur die nächsten Umgebungen Dessaus, sondern die ganze Muld- und Elbaue, ein Terrain, das sich durch seine Fruchtbarkeit und Frische allerdings leicht dem schöpferischen Walten fügte, zu einem einzigen großen Park umzuwandeln und diesem Boden in wohlthuendster Gestaltung Alles entsprießen zu lassen, was das Auge erfreuen, die Seele erheben kann.
Gewissermaßen gehörte zu diesen Schöpfungen auch jene schöne Brücke über die Elbe, welche Franz mit einem Aufwand von 80,000 Thalern erbaute, welche aber schon zweiundzwanzig Jahre später von den aus der Jenaer Schlacht fliehenden Preußen abgebrannt wurde.
Für die Stadt Dessau hat er unendlich viel gethan. Zunächst schuf er in der unmittelbaren Umgebung des Schlosses den Lustgarten mit seinem Reichthum der herrlichsten Bäume: Roßkastanien, die mit ihren aufrecht stehenden, pyramidalen Trauben uns an den lichtergeschmückten Weihnachtsbaum erinnern, Linden, Ahorn, Eschen, Eichen und die eigenthümlichen, freilich dem heutigen Geschmacke nicht mehr entsprechenden Cedernpyramiden und verschnittenen Taxushecken. An der Westseite des Gartens erbaute er ein großes Orangeriehaus und begrenzte die freundliche Anlage durch andere Hofgebäude, Marställe, Reitbahn etc., die in edlem Stil gehalten und mit vorzüglichen Bildwerken nach antiken Mustern geschmückt sind. Eine weitere Anlage des kunstsinnigen Fürsten ist auch die seinen Namen tragende Franz-Straße, eine Verlängerung der schon früher vorhandenen Karolinen-Straße. Am Ende der letzteren liegt ein gleichfalls von ihm, an der Stelle eines ehemaligen alten Kirchhofes, geschaffener, zu Lustgängen eingerichteter und mit Linden bepflanzter großer Rasenplatz. Hier hat das nachlebende Geschlecht ihm am 20. October 1858, zur Erinnerung an seinen vor hundert Jahren erfolgten Regierungsantritt, ein von Kiß in Berlin modellirtes ehernes Standbild errichtet. Fast am Ende der Franz-Straße liegt das ebenfalls von Franz auf einer ehemals todten Sandscholle hervorgerufene „Rondel“, ein von köstlichen Platanen umschlossener Rasenplatz.
Der Blick über diese 440 Ruthen lange Straßenflucht ist imponirend; es dürfte so leicht keine zweite Stadt von der Größe Dessaus sich eines solchen rühmen. Allerdings macht sich gerade an diesem Punkte die immer noch äußerst geringe Lebendigkeit des Ortes auffällig fühlbar. Es liegt in manchen Tagesstunden tiefe Stille über dieser weiten und herrlichen Straße. Aber hinter den blanken Scheiben und sauberen Gardinen sieht man, wie fast überall in der Stadt, behagliche Wohnungen, liebliche Frauenköpfe und allen Comfort einer eleganten und behaglichen Lebensführung.
Einen imposanten Anblick gewährt der Eintritt in Dessau von der gleichfalls durch Franz erbauten Muldbrücke her. Links die neue, mit burgähnlichen Thürmchen geschmückte große Mühle, rechts ein stattliches Fabrikgebäude, und über den rauschenden Laubkronen das Residenzschloß, Thurm und Kirche zu St. Marien hervorragend, die Mulde von üppig wuchernden Bachweiden eingerahmt, die mit mächtigen Weidenbäumen und kolossalen Silber- und Schwarzpappeln malerisch abwechseln – Alles, nur mit Ausnahme einiger neueren Baulichkeiten, von Franz erdacht und geschaffen.
Ein eigenthümlicher Zug im Leben des Fürsten war die Unablässigkeit seines Lernens und Strebens. Sein Haus war eine Akademie, sein Hof ein Zusammenfluß aller Derer, die in den letzten dreißig Jahren des vorigen Jahrhunderts durch Geist und Bildung hervorragten, von seiner Genialität sich angezogen fühlten, ihn liebten. Auch Goethe ist oft sein Gast gewesen und hat hier gern geweilt.
Herzog Franz starb den 9. August 1817, siebenundsiebenzig Jahre alt, im Schlosse Luisium und ruht neben seiner Gemahlin Louise, geborenen Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, der Freundin Matthisson’s, unter dem von ihm erbauten Thurme der Kirche zu Jonitz, einem idyllisch gelegenen großen Dorfe etwa zwanzig Minuten von Dessau. Sein edler Traum, das Land ohne Zuthun und die berechtigte Mitarbeit des unfreien Volkes für längere Dauer glücklich zu machen, hat freilich, wie er sich dies auch am Ende seines Lebens gestehen mußte, nicht das von ihm ersehnte Maß der Erfüllung gefunden. In der Welt draußen ist Herzog Franz bald vergessen worden, in seinem Ländchen aber lebt die dankbare Erinnerung an ihn fort.
Sein Nachfolger war sein Enkel, der 1871 verstorbene Herzog Leopold Friedrich, und während seiner Regierungszeit erfolgte der Bruch mit dem patriarchalischen Regiment, erfolgten all die Umwälzungen, welche das deutsche Volks- und Staatsleben seit 1848 bis zu seinem Tode erfahren hatte. Ein gleichfalls kunstsinniger Fürst, hat er noch manches Schöne in Franzens Schöpfungen eingefügt, an das theilweise noch Unfertige die vollendende Hand gelegt. Er schmückte das bereits von Franz 1798 erbaute Theater mit einem prächtigen Vorderhause und führte eine Reihe herrlicher Bauten aus. Auch die auf der beigegebenen Zeichnung unten links, neben dem Schlosse zu Kühnau, an einem lieblichen See stehende Kirche in byzantinischem Stil, eine der schönsten Dorfkirchen Anhalts, ist sein Werk, desgleichen das den schönen Park zu Kühnau zierende Schlößchen, „Burg Kühnau“ genannt. Vom Altan desselben genießt man eine meilenweite Aussicht in das rings offen daliegende Land. Auch die majestätische Elbbrücke bei Roßlau, über welche jetzt die Berlin-Anhaltische Eisenbahn führt, erbaute Herzog Leopold Friedrich in den Jahren 1834 bis 1836. Dessau erweiterte er nach Süden und Westen durch Anlegung vieler neuen Straßen. Auf dem sogenannten Kleinen Markt – siehe das Mittelbild der Zeichnung – erhebt sich neben noch drei anderen anhaltischen Fürsten das eherne, sprechend ähnliche Bild des Herzogs aus einer achteckigen Brunnenschale mit einem viereckigen Unterbau. Dieses vom Lande errichtete „Jubel-Denkmal“, am Tage seines fünfzigjährigen Regierungsjubiläums enthüllt, ist vom Hofbildhauer Schubert, einem geborenen Dessauer, der gegenwärtig ein Atelier in Dresden hat, entworfen und ausgeführt worden.
Mercantiles Leben aber ist in Dessau auch unter dieser Regierung nicht zur Blüthe gediehen. Der günstige Zeitpunkt, die Stadt dadurch zu heben, war eben früher versäumt worden. Die von den Preußen 1806 abgebrannte Elbbrücke hätte gleich nach dem Kriege wieder hergestellt werden sollen. Es unterblieb, und dadurch ging dem Lande die große Post- und Handelsstraße nach Berlin, Magdeburg und Leipzig verloren. Selbst die im Jahre 1840 über Dessau geführte Berlin-Anhaltische Eisenbahn erfüllte nicht das, was man sich von ihr versprochen. Handel und Wandel lagen darnieder, und zur weiteren Schädigung der finanziellen Lage der Stadt kamen dann später die Fallissements einiger großer Dessauer Geldinstitute. Unwissenheit und Gewissenlosigkeit hatten hier am Ruder gesessen.
Erst in neuerer Zeit, durch den Umschwung in den politischen, staatlichen und gewerblichen Verhältnissen Deutschlands überhaupt, insbesondere aber durch die im Jahre 1869 erfolgte Auseinandersetzung zwischen dem herzoglichen Hause und dem Lande bezüglich des Domaniums, scheint der Bann gebrochen worden zu sein, der Jahrhunderte lang auf dem geschäftlichen und volkswirthschaftlichen Leben Dessaus gelegen. Die Leiter des Staats und der Stadt haben mehr freie Hand gewonnen, sind selbstständiger geworden, und in allen Zweigen ist dadurch ein erfreuliches Sichrühren und Regen unverkennbar geworden. So kam es, daß Dessau, das ehemals „feine Städtchen“, unter der Regierung des jetzigen Herzogs Friedrich ein ganz anderes Aussehen gewonnen hat und nach verschiedenen Seiten hin, besonders in der Gegend des neuen Bahnhofes, im Laufe weniger Jahre ganz neue Stadttheile mit herrlichen Straßen und Gebäuden entstanden sind.
Dessau zählt gegenwärtig in etwa 1650 Häusern fast 22,000 Einwohner. Luft, Licht und Raum die Fülle! Außerdem schließen sich an die weit überwiegende Mehrzahl der Häuser freundliche Gärten, die wesentlich zu dem guten Gesundheitszustand der Stadt beitragen. Als Sitz der deutschen Continentalgasgesellschaft wird die Stadt schon seit 1856 durch Gas beleuchtet; sie hat auch seit einigen Jahren eine städtische Wasserleitung.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_055.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)