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Seite:Die Gartenlaube (1880) 046.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Nannei machte eine abweisende Geberde; sie lehnte sich tiefer auf das Lager zurück, und nur das Schüttern und Zucken ihrer Schultern zeigte, daß sie noch immer dem Geschick der Mutter und ihrem eigenen ein Thränenopfer brachte. Allmählich wurde die Bewegung ruhiger; das viele Weinen und die Aufregungen des Tages hatten sie ermüdet und Kopf und Herz für den Schlaf empfänglich gemacht. Der Alte horchte auf ihre Athemzüge und regte sich nicht, um sie nicht zu wecken. Nach einiger Zeit übermannte das Ruhebedürfniß auch ihn. Als er am Morgen erwachte und nach dem Lager hinüberblickte, war dasselbe leer; bei Tagesgrauen war Nannei leise und vorsichtig, um ihn nicht zu stören, aus der Thür geschlüpft.

Indessen hatte das heimliche Entweichen Nannei's auch auf dem Kogelhofe seine Wirkung geäußert.

(Fortsetzung folgt.)




Mehr Fleisch!
Von Otto Dammer.


„Fleisch giebt wieder Fleisch“, sagt ein altes diätetisches Sprüchwort, und wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß man bei rein vegetabilischer Kost recht gut gedeihen und gesundes festes Fleisch ansetzen kann – die „geschmalzenen Männer“ in Baiern und Schwaben, welche fast ausschließlich von Mehl, Kartoffeln und Butter leben und von denen es heißt:

 „A habernes Roß und an g'schmalzenen Mann,
Die zwoa reißt koa Teuf'l z'samm!“

sind ein sprechender Beweis dafür – so steht doch vollkommen fest, daß ein Ersatz der durch den Stoffwechsel verbrauchten Körperbestandtheile durch nichts so schnell und leicht erfolgt, wie durch gut zubereitetes Fleisch. Die chemischen und physiologischen Forschungen der neueren Zeit bieten genug Material, diesen Satz zu beweisen, aber auch dem einfachsten Verstande leuchtet ein, daß unserm Verdauungs- und Ernährungsapparat eine viel leichtere Aufgabe gestellt ist, wenn er das Fleisch eines Thieres, welches unserem eigenen Fleisch in der chemischen Beschaffenheit so sehr ähnlich ist, verarbeiten soll, als wenn ihm zugemuthet wird, aus den Bestandtheilen der Hülsenfrüchte, des Getreides oder wohl gar der Kartoffeln Fleisch zu bilden.

Zu einer vollständigen Ernährung braucht unser Körper Eiweißbestandtheile, Fette und einen jener Stoffe, die man als Kohlenhydrate zusammenfaßt und zu welchen namentlich Stärkemehl und Zucker gehören. Hiervon können die Fette und Kohlenhydrate einander bis zu einem gewissen Grade ersetzen, wogegen es an eiweißartigen Stoffen, welche zu Blut- und Fleischbildung erforderlich sind, niemals fehlen darf.

Von den Fetten sind nicht alle für die Ernährung gleichwerthig, die einen sind viel verdaulicher als andere; noch mehr gilt dies von den Kohlenhydraten, welche zum Theil, wie Stärkemehl und Zucker, sehr leicht verwerthet werden, während der Zellstoff, den wir in allen vegetabilischen Nahrungsmitteln in ganz erheblicher Menge vorhanden finden, so gut wie vollständig unlöslich ist und die Verwerthung der verdaulichen Bestandtheile nur erschwert. Ebenso ist der Nährwerth der Eiweißstoffe ein verschiedener, je nachdem sie dem Körper in leicht anzueignender Form, z. B. von Fleisch, Milch und Eiern, oder in Gestalt vegetabilischer Substanzen zugeführt werden, wobei auf die Aneignung größere Arbeit verwendet werden muß; im letzteren Falle kommt noch in Betracht, wie viel oder wie wenig Procent Eiweiß die Vegetabilien enthalten. Kartoffeln z. B. enthalten Eiweißstoffe nur in so geringer Menge, daß Niemand im Stande ist, den Bedarf durch ausschließliche Ernährung mit Kartoffeln zu decken. Ueberall, wo Kartoffeln die Hauptnahrung bilden, wird eine an Eiweißstoffen reiche Zukost, wie Käse, Häring, Buttermilch, wenn auch nur in geringer Menge, genossen.

Dies führt uns zu der Frage, in welchem Verhältniß die einzelnen Hauptbestandtheile einer gedeihlichen Nahrung gemischt sein müssen, und wie hoch sich der Bedarf eines arbeitenden Mannes pro Tag berechnet. Zur Beantwortung dieser so überaus wichtigen Frage sind von zahlreichen Forschern eingehende Untersuchungen angestellt worden. Man hat ermittelt, wie viel ein gut ernährter Körper in vierundzwanzig Stunden ausscheidet, um aus den ausgeschiedenen Schlacken die entsprechende Menge der zuzuführenden Nahrungsstoffe zu berechnen, und andererseits hat man die Kost untersucht, mit welcher gewohnheitsmäßig Soldaten, Arbeiter etc. sich ernähren. So ist man zu Zahlen gelangt, welche großes Vertrauen verdienen, selbstverständlich aber nur einen allgemeinen Werth besitzen, da sowohl die Individualität wie landesübliche Gewohnheiten einen bedeutenden Einfluß ausüben. Der Münchener Professor Voit, durch dessen zum Theil in Gemeinschaft mit Pettenkofer ausgeführte Untersuchungen die Lehre von der Ernährung in neuester Zeit außerordentlich gefördert worden ist, fordert im Durchschnitt für einen Arbeiter pro Tag 118 Gramm Eiweiß, 56 Gramm Fett und 500 Gramm Kohlenhydrate.

Wir erwähnten schon, daß Fett und Kohlenhydrat einander bis zu einem gewissen Grade ersetzen können, und dies gilt nun auch für die hier angeführten Zahlen. Es erscheint indeß aus manchen Gründen durchaus unzweckmäßig, mehr als 500 Gramm Kohlenhydrate zu geben, und sobald angestrengte Arbeit geleistet werden soll, ist die Nahrung fettreicher zu machen. Wir finden in der That, daß überall mit der Armuth auch der Gehalt der Nahrung an Kohlenhydraten wächst, während sich die bessere Kost durch absoluten und relativen Fettreichthum auszeichnet. Der Eiweißbedarf kann, wie wir zugeben, durch Vegetabilien gedeckt werden, aber alle Physiologen stimmen darin überein, daß naturgemäß ein Theil desselben in der Form von Fleisch zu verzehren sei. Wie hoch man aber die Fleischration bemessen soll, unterliegt sehr verschiedener Beurtheilung. Voit gelangt zu der Forderung, daß eine gute Kost pro Tag 230 Gramm Fleisch enthalten müsse, das heißt: vom Metzger ausgehauenes Fleisch, welches etwa 18 Gramm Knochen und 21 Gramm Fett und nur 191 Gramm reines Fleisch enthält. Dabei bleibt dann ein Deficit an Eiweiß, welches etwa zwei Drittel des ganzen Bedarfs beträgt und durch vegetabilische Substanzen zu decken ist. Auf Grund dessen könnte man z. B. als Küchenzettel für einen Arbeitstag feststellen:

Eiweiß Fett Stärke
750 Gramm Brod oder 470 Gramm Mehl mit 62 331
230 Fleisch 42 23
33 Fett zum Kochen 33
200 Reis od. entsprechend Gemüse 15 154
–––– –––– ––––
119 56 485

Ist dies eine auf gesunder, wissenschaftlicher Basis beruhende Berechnung, so hat man ein Recht, ohne jede Sentimentalität über die kärgliche Ernährung des arbeitenden Volkes zu klagen. Denn verschwindend klein ist die Zahl der Arbeiterfamilien, welche ihre Kost dieser Aufstellung entsprechend einrichten können. Untersuchungen der Kost armer Arbeiter ergaben in der That nur einen Gehalt von

     84 Gramm Eiweiß, 13 Fett und 610 Stärke
und in einem anderen Falle
     64 Gramm Eiweiß mit ebenfalls über 600 Gramm Stärke.

Demnach kann es als eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit betrachtet werden, der ärmeren Bevölkerung und namentlich dem städtischen Proletariat billiges Fleisch zu beschaffen.

Seitdem die Zeit der in übertriebenem Maße auf Körnererzeugung gerichteten Bewirthschaftung bei uns vorüber ist, haben vielfach Landwirthe, da Korn und Wolle bei der Concurrenz des Auslandes immer mehr im Preise sanken, den Versuch gemacht, sich wieder mehr der Fleischproduction zuzuwenden. Wie unzulänglich trotzdem die einheimische Fleischproduction noch heute ist, zeigt unerbittlich die Statistik, welche ziffermäßig darthut, daß in Europa seit zwanzig Jahren der relative Viehstand, nämlich die Anzahl der Fleischthiere im Verhältniß zur Einwohnerzahl, abnimmt, und daß in den allerletzten Jahren nach der Krisis von 1873 die wirthschaftliche Bedrängniß eher zu einer Verminderung als zu einer Vermehrung des Viehstapels führte. Die inländische Hebung der Viehzucht stößt leider auf das Hinderniß ihrer geringen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)