Verschiedene: Die Gartenlaube (1879) | |
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selber der nun glücklicher Besitzer einer Villa in den Champs Elysées und eines Schlosses in den Ardennen geworden.
Dämmerndes Helldunkel des nahenden Abends umgiebt uns mit süßer Traulichkeit; denn überall funkelt und glüht uns die reichste Farbe, das Köstlichste ahnen lassend, aus diesem Halblicht entgegen. In demselben fesselt zunächst die elegante Gestalt der schönen Frau in reicher blauer Sammetrobe durch ihr verstandesscharfes feines Profil den Blick. Sie hat vor der Staffelei Platz genommen und mustert, die Hände über den Knieen gekreuzt, eben mit kritischem Blick, was der neben ihr an den Tisch gelehnte, die Palette noch in der Hand haltende Gatte heute geschaffen. Dieses gemeinsame Hineinleben der beiden so bedeutenden und doch so grundverschiedenen Menschen in ein Gefühl, ihre Concentration auf denselben Gegenstand, ihr gänzliches Vergessen der Welt um sich herum, giebt uns ein Bild so tiefen stillen Glücks, so schöner Harmonie der Seelen, daß man sich nicht losreißen kann von der Scene, die bei aller äußeren Ruhe – man glaubt das Ticken der Uhr im Gemach zu hören – doch ein eben so mächtiges, wie unendlich wohlthuendes inneres Leben in ihren beiden Figuren zeigt.
Das Jahr 1877 bezeichnete Munkacsy durch die humoristische Darstellung eines flotten Waidmannes, der sein Jägerlatein in einer ungarischen Kneipe zum Besten giebt; 1878 überraschte er Paris wie das Publicum der eben eröffneten Weltausstellung durch jenen rasch berühmt gewordenen „Milton“, dessen Wiedergabe diesen Aufsatz schmückt. Unstreitig fesselte das Bild neben Hans Makart’s „Karl der Fünfte“ die Aufmerksamkeit der Beschauer am meisten von all den sechstausend, die dort aus allen Weltenden zusammengeströmt waren. Die beiden Bilder verhalten sich zu einander wie der strahlende, glühende Tag zur mondbeglänzten Nacht mit ihrem süßen, milden Zauber; man kann sie beide wohl entzückt genießen, aber nicht vergleichen.
Während die früheren Bilder Munkacsy’s nur die niedersten Menschenclassen darstellen, während er erst mit dem eben erwähnten Atelierbilde sich von denselben losriß, aber doch immer noch im Kreise des Selbsterlebten blieb, sehen wir ihm hier die Schwingen auf einmal mächtig gewachsen. Er wird selbst zum Dichter, der uns längst vergangene Zeiten und Geschichten mit voller Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit zu schildern, sie mit allem Reize der Poesie zu umkleiden weiß. Man staunt über die Tiefe der Empfindung, die aus dem erhabenen blinden Milton, aus diesen liebevollen Mädchen spricht, fast ebenso sehr, wie über den Reichthum der Palette, den der einst so eintönige Maler hier entfaltet; und er verleiht ihm durch die vornehme Zurückhaltung, mit der er es thut, noch feineren Reiz.
Aus dem diesmal noch klareren und leuchtenderen Helldunkel glänzt uns das Gemach des in sehr bescheidenen Verhältnissen lebenden puritanischen Landedelmanns und Gelehrten mit bestrickendem Zauber entgegen. Gehört die Erfindung des blinden, blos der inneren Stimme lauschenden Dichters ganz den künstlerischen Inspirationen an, ist sie malerisch wie historisch gleich sehr ersten Ranges, so bleibt auch bei den Töchtern die schöne Abstufung des Antheils, den sie am begeisterten Vater nehmen, kaum weniger interessant. Bei der schreibenden Aeltesten ist die angestrengte Aufmerksamkeit, mit der sie keines seiner Worte zu verlieren trachtet, ebenso glücklich der Natur abgelauscht, wie das Aufblicken der Stickenden und die mit Bewunderung gemischte Zärtlichkeit der Stehenden. Außerordentlich
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 841. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_841.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)