Verschiedene: Die Gartenlaube (1879) | |
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welche in Goldschrift auf blauem Grunde die Inschrift trägt: „Astrometeorologisches Institut“ und darunter die Zeichen das heißt Uranus in Quadratur mit der Sonne. Es bezeichnet diese Hieroglyphe, wie es scheint, den Gründungstag des Institutes, von dessen nunmehr erloschener Wirksamkeit die Wissenschaft keine Notiz genommen hat.
Ueberblicken wir die Entwickelung der astrometeorologischen Wissenschaft von den assyrischen Zeiten bis zur Gegenwart, so sehen wir, daß die Idee derselben wohl eine sehr richtige war; man suchte eben die astronomischen Ursachen des Wetters zu ergründen und aus diesen im Voraus seinen Gang zu berechnen. Mit der genaueren Erkenntniß der Bewegungen im Planetensysteme hat man aber als die beiden Hauptfactoren, welche das Wetter bedingen, die Bewegung der Erde um die Sonne und um sich selbst erkannt, wobei die Neigung der Erdachse gegen die Erdbahn als die eigentliche Ursache der Ungleichheit des Wetters im Jahreslaufe betrachtet werden muß. Wenn die Achse nämlich senkrecht auf der Bahnebene stünde, so würden wir die Sonnenstrahlen, abgesehen von der größeren Entfernung im Sommer, unter stets gleichen Bedingungen empfangen, also weniger unter der Ausgleichung der Lufttemperaturen leiden und uns eines ewigen Frühlings erfreuen. In welcher Weise diese Ausgleichung durch die Passate in unseren Breiten vor sich geht, habe ich früher einmal den Lesern der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1874, S. 149) zu schildern gesucht und muß heute darauf verweisen.
Man könnte nun glauben, daß das von diesen Ausgleichungen abhängige Wetter alljährlich demnach denselben Verlauf nehmen müßte, da die eben genannten Hauptfactoren alljährlich in genau derselben Weise zusammenwirken. Bekanntlich ist ersteres nun keineswegs der Fall, und man hat sich deshalb gefragt: sind da dennoch ernstliche Verschiedenheiten in den Grundursachen vorhanden, die nicht mit dem Jahresumlauf zusammenfallen? Ist etwa die Sonne – so lautet die erste Frage – nicht immer gleich heiß? Wir haben über die Ursache der Sonnenwärme vorläufig nur, wenn auch zum Theil sehr gegründete, Vermuthungen, aber wir wissen allerdings, daß auf der Sonne periodisch sehr lebhafte Verbrennungsprocesse eintreten, die uns als ungeheure Eruptionen glühender Gasmassen (Protuberanzen oder Fackeln) und dadurch entstehende gewaltige Rauch- und Wolkenbildungen (Sonnenflecken) erscheinen; wir wissen ferner, daß diese Processe innerhalb etwas über elf Jahre ein Maximum und ein Minimum aufweisen.
Schon im vorigen Jahrhundert hat man nun zu bemerken geglaubt, daß das Sonnenflecken-Maximum mit Jahren größter Kühle, des Mißwachses, hoher Kornpreise, mit Hungersnoth etc. zusammenfalle, aber die genauen Untersuchungen des älteren Herschel erwiesen eher das Gegentheil, und in der That streiten sich soeben die englischen Meteorologen darüber, ob nicht umgekehrt die seit einigen Jahren andauernde Fleckenlosigkeit der Sonne vielmehr an der großen indochinesischen Hungersnoth schuld sei. Sofern man die bis jetzt noch unbekannte Thatsache der elfjährigen Sonnenfleckenperiode dem Jupiter in die Schuhe schieben möchte, dessen Umlaufszeit etwas über elf Jahre beträgt, so läuft Alles das wieder auf Astrometeorologie hinaus, allein wir haben nicht einmal zwingende Gründe, die Sonnenfleckenperiode selbst, geschweige gar den Jupiter für unsern letzten Winter verantwortlich zu machen, etwa wie man einen solchen früher den Einflüssen des alten, kalten Saturnus zuzuschreiben pflegte.
Auf eine fernere mögliche und voraussehbare Ursache der Störungen im regelmäßige Verlaufe unserer Witterungserscheinungen hat innerhalb des letzten Decenniums der österreichische Naturforscher Rudolph Falb vielfach hingewiesen, auf die Anziehungskraft nämlich, mit welcher die Masse von Sonne und Mond auf unsere Atmosphäre wirken müsse. Eben so wohl wie die Anziehungskraft dieser Weltkörper die Ebbe und Fluth unserer Meere erzeuge, so müsse sie ähnliche Erscheinungen in unserer Atmosphäre hervorrufen, besonders wenn Sonne und Mond vermöge ihrer gegenseitigen Stellung in derselben Richtung und in größter Erdnähe auf sie wirken. Zur Zeit des ersten und letzten Viertels wirken beide Weltkörper in senkrecht auf einander stehenden Richtungen und würden sich also mehr stören, als sie sich unterstützen könnten, zur Zeit des Vollmondes und Neumondes aber wirken sie in derselben Richtung und vereinigen also ihre Kräfte, ähnlich, wie es in der Gellert’schen Fabel heißt:
„Vereint wirkt jetzo dieses Paar,
Was einzeln Keinem möglich war,“
und könnten so unter Umständen eine atmosphärische Springfluth zu Stande bringen. Besonders kräftig würden sie zusammen wirken, wenn zur selben Zeit eine Sonnen- oder Mondfinsterniß stattfindet, und wenn der Mond (wie alle vier Wochen) gerade in seiner größten Erdnähe, oder (wie alle vierzehn Tage) in seinem Aequatorstande, und die Sonne in ihrer Erdnähe (1. Januar) oder in ihrem Aequatorstande (21. März und 23. September) stehen. Wenn einmal vier oder gar fünf dieser Factoren zusammenwirkten, was sich ja genau vorher berechnen läßt, so würde nicht nur eine Kaiserfluth in Aussicht stehen, sondern auch heftige Stürme und einseitige Druckverminderungen in der Atmosphäre, Entweichen gespannter Dämpfe aus dem Erdinnern, kurz Finsternisse, Orkane, Gewitter, Erdbeben und Ueberschwemmungen – alle Schrecknisse der Natur zusammen. Falb hat auf Grund dieser Voraussagungen vielfache Prophezeiungen sowohl von Erdbeben und Vulcanausbrüchen, wie von meteorologischen Processen gemacht, die auch zum Theil eingetroffen sein sollen, aber im Allgemeinen hat seine Theorie die Fachgelehrten nicht zu überzeugen vermocht, und wenn wirklich in ihr ein Factor für die Erklärung einzelner Störungen der Atmosphäre gefunden sein sollte, so bleibt die Unberechenbarkeit des gesammten übrigen Wirkungsverlaufes auf längere Zeit hinaus darum nicht weniger Thatsache.
Auch ist diese Launenhaftigkeit des Wetters unschwer zu verstehen. Wäre die Erde eine polirte oder unpolirte Kugel aus gleichmäßiger Felsenmasse, ohne Gebirge, Wälder, Wüsten und Meere von mannigfach wechselnden Umrissen, so würde das Wetter unzweifelhaft viel regelmäßiger in seiner Atmosphäre verlaufen, als es geschieht. Aber das ungleiche Vermögen der einzelnen Theile ihrer Oberfläche, sich in der Sonne zu erwärmen und diese Wärme der Luft mitzutheilen, Wasserdämpfe zu entwickeln oder zu verdichten, bringt, ebenso wie die Gebirge selbst, Ablenkungen der regelmäßigen Luftströmungen hervor, die, selbst von wechselnden Zuständen abhängig, den Proceß auf das Höchste compliciren. Dazu kommt, daß es oft nur eines kleinen Anstoßes bedarf, um ein häufig vorhandenes schwankendes Gleichgewicht in der Atmosphäre aufzuheben und Wirbelwinde zu erzeugen, die zerstörend über die Länder eilen und deren Brutstätte vielleicht eine von der Sonne stark erwärmte Felseninsel im Ocean oder eine brennende Stadt gewesen. Alle solche secundären Ursachen, die den regelmäßigen Gang der Witterung durchkreuzen, sind unberechenbar und werden es bleiben, und es bleibt dem Forscher auf diesem Gebiete nichts übrig, als der Politik berühmter Staatslenker der Gegenwart zu folgen und ihre Entscheidungen nur „von Fall zu Fall“ zu treffen. Statt einer Entzifferung des künftigen Wetters aus den Ursachen heraus und auf Jahre vorauf, werden sie sich begnügen müssen, dem Lauf desselben zu folgen und aus seiner im gegebenen Augenblicke vorherrschenden Richtung und Tendenz auf vierundzwanzig, höchstens achtundvierzig Stunden eine Prophezeiung zu wagen, höchlichst zufrieden, wenn der Erfolg ihren Voraussagungen entspricht und der über kurz oder lang sichere Umschlag nicht schon innerhalb dieser kurzen Zeitspanne eintrifft. Diese Bemühungen, aus dem erkennbaren Verlaufe, statt aus den theilweise unerkennbaren und unübersehbaren Ursachen, den Gang des Wetters vorauszusagen, bilden den wichtigsten Unterschied und Fortschritt der praktischen Meteorologie unsrer Zeit, zu der wir uns im folgenden Artikel wenden werden.
Für heute mag es dem Verfasser nur noch gestattet sein, seine Ueberzeugung auszusprechen, daß auch die Thiere, welche bei vielen Leuten als Wetterpropheten im höchsten Credit stehen, ihre Voraussagungen nur „von Fall zu Fall“ machen. Es ist ja sicher, daß viele Thiere den bevorstehenden Umschlag des Wetters vorausempfinden und durch ihr Gebahren ankündigen. Daran ist nichts Wunderbares, denn sie haben ihr besonderes Interesse an der Meteorologie, z. B. die Frösche am Regen, und die fliegenden Insecten an der Aufsuchung eines Schlupfwinkels vor dem Eintritt von Regen und Sturm. Auch viele Menschen, namentlich Krüppel und Bresthafte, haben gleichsam ein Barometer im Leibe, und kürzlich hörte ich von einem Manne, der Erdbeben und Stürme mit Kopfschmerz vorausempfinden will. Aber daß die Spinnen monatelang die Witterung vorausempfinden sollen, glaube ich trotz der schönen Geschichte von Quatremère-Disjouval,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_454.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)