Verschiedene: Die Gartenlaube (1878) | |
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durch Kuntze einen unerwarteten Aufschluß gefunden. Derselbe fand nämlich sowohl in Asien wie in Amerika, daß die ungestielten rein weiblichen Blüthen, welche durch fremden Blumenstaub befruchtet werden, roh eßbar und oft wundervoll von Geschmack sind, während die gestielten Zwitterblüten Früchte reifen, die erst eßbar werden, wenn man durch Kochen den scharfen Saft entfernt; sie geben dann ein ziemlich fades Gemüse. Es ist das eine eigenthümliche Bestätigung jenes in Nr. 3 dieses Jahrg. der „Gartenlaube“ erörterten Gesetzes, daß die Natur durch Kreuzbefruchtung der Gewächse vollkommenere Früchte und Samen erzeugt, als durch Selbstbefruchtung. Die eiförmigen Samen haben einen kräftigen Geschmack, den die Einen dem Kümmel, Andere der Kresse vergleichen, sodaß sie als Gewürze dienen könnten.
In Anbetracht der ungewöhnlichen Größe dieser Baummelonen und des unermüdlichen Reifens immer neuer Früchte, ist der Ertrag eines solchen Baumes ein verhältnißmäßig bedeutender, und man begreift daher leicht, daß man ihn mit Vorliebe in Süd- und Mittelamerika bis Mexico, in West- und Ostindien zieht, und daß sich seine Cultur über Aegypten und einen großen Theil Afrikas verbreitet hat. Einer besonderen Pflege bedarf er nicht, schießt vielmehr von selbst in der Nähe der vorhandenen Anpflanzungen auf und beginnt bereits im ersten Jahre Früchte zu reifen. Aber noch in manchen andern Beziehungen erweist sich der Melonenbaum als ein Hausfreund und wahrer Schatz für die Wirtschaft, sodaß ihn die rothen, gelben, braunen und schwarzen Hausfrauen der Tropen schmerzlich entbehren würden. Ich will nicht davon reden, daß die Blätter ein ausgezeichnetes Waschmittel hergeben sollen, denn in jenen Breiten ist die Seife mit ihren Surrogaten nicht mehr ein so hoch geschätztes Gut wie bei uns, aber eine andere Eigenschaft verdient auch unsere höchste Beachtung. – Schon ältere Tropenreisende haben mit großem Erstaunen davon berichtet, daß dieser Baum in fast allen seinen Theilen die unerhörte Eigenschaft besitze, alle Jagdthiere zu verjüngen, nämlich ihr Fleisch so zart und mürbe zu machen, wie dasjenige ganz junger Thiere. Gewöhnlich schlägt man das Fleisch frisch getödteter Thiere in einige Blätter des Baumes ein, und läßt es eine gewisse Zeit darin liegen, aber nicht zu lange, weil es darin viel schneller als sonst verdirbt, oder man thut es ohne weiteres in den Kochtopf und setzt etwas von dem namentlich in den unreifen Früchten reichlich enthaltenen Milchsaft der Pflanze hinzu; wie die meisten Gurkengewächse enthält nämlich das Gewächs in allen seinen grünen Theilen einen bitteren Milchsaft, der nebenbei die gute Eigenschaft haben soll, die Bandwürmer zu vertreiben, die in manchen heißen Gegenden viel schlimmer als bei uns auftreten. Nach der Mittheilung einzelner Reisenden soll es sogar genügen, altes und zähes Wildpret oder Geflügel 24 Stunden in die Blattkrone eines jungen Stammes hineinzuhängen, um es zart und weich zu machen.
Diese anfangs von unseren Sachverständigen mit einem ungläubigen Lächeln aufgenommenen Nachrichten haben in der Neuzeit mehrere Naturforscher und Aerzte, wie z. B. die Doctoren Holder und Roy, zu Versuchen veranlaßt, durch welche dieselben vollständig bestätigt werden. In jüngster Zeit ist eine solche Untersuchung durch Dr. Wittmack in Berlin wiederholt worden, über welche wir im Nachstehenden ausführlicher berichten wollen. Derselbe hatte sich aus Gewächshäusern Blätter und unreife Früchte des Melonenbaumes verschafft, mit denen folgende Versuche angestellt wurden. Ein Stück frisches Fleisch, welches 24 Stunden bei 15 Grad Wärme in einem Papaya-Blatte eingewickelt gelegen hatte, wurde mit einem gleichen, von demselben Thiere herrührenden Fleischstücke, welches ebenso lange blos in Papier eingewickelt gewesen war, gekocht und erwies sich bald als völlig mürbe, während das zur Gegenprobe dienende Stück noch ganz hart war. Damit war die Richtigkeit der von den Reisenden gemachten Angaben festgestellt.
Dr. Wittmack verdünnte ferner einen Theil des aus der unreifen Frucht erhaltenen Milchsaftes mit mehr als der zwanzigfachen Menge Wasser und kochte darin ein kleines Stück ganz frischen, mageren Fleisches fünf Minuten lang. Es zerfiel dabei gänzlich in lauter gröbere Fetzen, während ein zur Gegenprobe in reinem Wasser gekochtes Stück desselben Fleisches immer härter wurde. Zehn Gramm hartgekochtes Eiweiß, bei zwanzig Grad Wärme mit dem stark verdünnten Milchsafte aufgestellt, war nach vierundzwanzig Stunden durchsichtig geworden und am vierten Tage beinahe völlig aufgelöst. Weizenstärke, in ähnlicher Weise mit dem verdünntem Milchsafte behandelt, blieb unverändert. Aus diesem Versuchen zieht Dr. Wittmack den Schluß, daß der Milchsaft des Melonenbaumes ein Ferment enthält, welches,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 793. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_793.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)