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Seite:Die Gartenlaube (1878) 644.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Endzweck abgelenkt, und Professor Watson, der auf einer Station in Wyoming beobachtete, sah deutlich zwei Grade südwestlich von der Sonnenscheibe einen Stern vierter Größe, der dicht bei einem noch lichtschwächeren, aber auf den Karten verzeichneten Sterne im Thierkreisbilde des Krebses stand, und der, weil nie vorher beobachtet, nur der gesuchte Planet sein konnte. In der That erschien er im Fernrohre mit einem deutlichen Durchmesser, wie dies nur bei Planeten (und Kometen) der Fall ist, während die Fixsterne auch im stark vergrößerten Fernrohre Punkte bleiben. Er besaß übrigens nur eine Helligkeit, um in anderer Gegend des Nachthimmels einem guten Auge gerade noch ohne Fernrohr gut erkennbar zu sein, aber aus seiner Stellung geht hervor, daß er zur Zeit nur einen Theil des auf ihn fallenden Sonnenlichtes uns zuwarf. Die zwischen uns und der Sonne stehenden Planeten zeigen bekanntlich Phasen wie der Mond, das heißt der Planet erscheint bald voll, bald nur zu einem Theile beleuchtet, und Watson nimmt an, daß der neu entdeckte Planet gelegentlich wohl als Stern erster Größe erscheinen könnte. Der Director des Pariser Observatoriums Gaillot, welcher lange Jahre Leverrier in seinen Rechnungen unterstützt hat, findet, wie er soeben veröffentlicht, daß Watson’s Planet, dessen scheinbarer Durchmesser mit dem des Mercur ziemlich übereinstimmte, ganz wohl der sogenannte Vulcan Lescarbault’s sein könnte und dann bei einer Umlaufszeit von 24 Tagen und 6 Stunden ungefähr dieselbe Masse wie der Mercur besitzen möchte. Ob diese Annahme richtig ist, und ob er den einzigen Beherrscher dieser Sphäre darstellt, muß die Zukunft entscheiden. Vielleicht wird man ihn dereinst, wenn man erst seine Bahn genauer kennt, ebensowohl am hellen Mittag beobachten können, wie den Mercur, von dem Copernicus noch auf seinem Todtenbette bedauert haben soll, daß er ihn nie habe sehen können. Dann wird man wohl auch seine näheren Verhältnisse kennen lernen, von denen man vorläufig nicht viel mehr weiß, als daß ihm die Sonnenstrahlen noch stärker einheizen werden, als dem Mercur, dessen etwaige Bewohner bereits zur Classe der Salamander-Menschen gerechnet worden sind.

Carus Sterne.




Aus Robert Blum’s Leben.
9. In der Paulskirche und daheim.

Wenn man beklagen muß, daß Robert Blum seine Thätigkeit im Deutschen Parlamente nach einem von Anfang an unerreichbaren Ziele richtete, so erscheint andererseits sein Charakterbild auf diesem Höhepunkt seines politischen Wirkens in edelster Reinheit und Größe. Voll entfaltete sich hier sein hohes natürliches Talent. Er war der anerkannte Führer der Linken. Auch die Gegner waren bezaubert von der gewaltigen Macht seiner Rede. Sie ist stets getragen von tiefster, innerlichster Ueberzeugung. Sein monatelanges Wirken in Frankfurt war aber auch ein Beispiel von Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes, ein so hingebendes Opfer aller persönlichen Interessen, wie es wenige unter den sechshundert Abgeordneten der Paulskirche dargebracht haben mögen. Denn Blum zog nach Frankfurt ohne Mittel, fort von einem kaum gegründeten jungen Geschäft, das ihn und die Seinen unmöglich schon nähren konnte. Die Abgeordnetendiäten reichten nicht einmal für ihn allein, geschweige denn für die Seinen. Unter den drückendsten Sorgen um’s Dasein hat er seine Pflicht für das Vaterland gethan: denn nun waren die Tage gekommen, die er schon kommen sah, ehe er seinen Herd begründete, die ihn zu höherem Wirken beriefen, als zur Sorge für Weib und Kind und Haus. Vor Allem aber ist Eins Robert Blum zu danken: all die gefährlichen Ausbrüche mit bewaffneter Hand, welche das Jahr 1848 aufzuweisen hat, wären noch bei weitem gefährlicher und blutiger geworden, hätten viel breitere Schichten des Volkes ergriffen, wenn Blum sich mit seinem großen Einfluß und Anhang auf die Seite der bewaffneten Empörung gestellt hätte. Er hat das Gegentheil gethan, und er hat sich dadurch das Eine verscherzt, was er im vollsten Maße besaß: die Gunst der Massen.

In das Parlament wurde Blum so gut wie einstimmig von Leipzig gewählt. Sofort mit Eröffnung des Parlaments – an jenem unvergeßlichen 18. Mai – beginnt wieder unendliche Arbeit für den Führer der Linken. „Der Sturm hat seit vorgestern begonnen“ – schreibt er der Frau am 19. Mai – „und Tag und Nacht vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher jetzt keine Briefe! Ab und zu ein Zettelchen sollst Du haben. George[1], Schaffrath und ich – wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht; Georg ist der unerbittliche Wecker, wenn wir Morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir ein Uhr nach Hause und stehen schon um vier Uhr wieder auf. Bleibt recht gesund und munter! Wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Bedarf nicht.“ Am 30. Mai schreibt er der Frau: „Also unsere Leute kümmern sich gar nicht um Dich. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramer’s und Friese’s ausgehen, damit Du und die Kinder doch wohin kommen. Bleibe nur gesund und spare nicht etwa zu sehr, sodaß Hans sagt: ‚Wir essen nichts.‘“

Die Klagen über die schwerste Sorge des Daseins ziehen sich durch viele Briefe der Gatten. Anfang Juli hatte Advocat Haubold in Leipzig, der spätere Vormund der Waisen Blum’s, seinen Freund Robert mit 350 Thalern überrascht, welche die wohlhabenden Freunde Blum’s in Leipzig für ihn aufgebracht hatten. Blum nahm die Summe nur an „als ein Darlehen, als eine heilige Schuld, die ich dem Vaterlande abzutragen habe. Und ich kann sie nicht besser abtragen, als wenn ich dem Vaterlande, der Freiheit, der Verbesserung der politischen und socialen Zustände meine Kraft, mein Leben, mein Gut und Blut widme, wo und wie es nöthig ist.“ Dennoch hat Blum diese Summe in Wahrheit nur als ein Darlehn betrachtet, denn am 18. September schrieb er an seine Frau: „Die Diäten vom Fünfzigerausschuß nutzen mir leider nichts, denn ich muß sie, sobald sie bezahlt sind, dem Leipziger Ausschuß erstatten, welcher damals für uns gesammelt hat.“ Jedenfalls ist das Geld für seine und der Seinigen dringendste Lebensbedürfnisse schnell genug verbraucht gewesen. Denn schon am 15. bis 16. Juli schrieb er an die Gattin: „Also werde gesund und bewahre mir die lieben Kinder! Aber die entbehren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm sein, daß man dieselben gar nicht sehen kann! Leider bemerke auch ich, wie die Vierteljahre enteilen. Bereits ist der längste Tag vorüber, und ich habe vom Sommer nichts, gar nichts bemerkt, als daß die Hitze in der Paulskirche und in den Commissionslocalen unerträglich ist und mir oft nur alle acht Tage Zeit bleibt, einmal zu baden. Wir müssen wirklich große Opfer bringen an Kräften und Wohlsein, und wenn sie nur nutzten!“ „Paulskirche, den 2. August 1848: Mein Gott, schon August!“ Was Blum durch diese lange Abwesenheit von den Seinen, durch die Unmöglichkeit aus seinen Mitteln eine Reise nach Leipzig zu bestreiten, in gemüthlicher Hinsicht gelitten hat, das offenbaren uns vollständig erst die Briefe an seine Mutter und Schwester Margarethe nach Köln. Denn aus diesen erhellt mit Bestimmtheit, daß er seine Gattin schon 1846 für auszehrend hielt.[2] Gewiß, wiederholen wir, haben wenige Abgeordnete der Paulskirche ihrer patriotischen Pflicht so schwere Opfer gebracht.

In dieser monatelangen, ruhe- und beinahe freudlosen Thätigkeit bot die Pfingstreise der Linken in die Rheinpfalz (10. bis 14. Juni) eine wunderbar reiche geistige und körperliche Erfrischung. Beinahe die ganze dortige Bevölkerung harmonirte damals mit Blum’s Parteirichtung. Nun denke man sich die ganze Linke des Parlaments von der „fröhlichen Pfalz“ eingeladen und bewillkommnet, von Deidesheim und Neustadt an bis Edenkoben, Gleisweiler und zur majestätischen gewaltigen Ruine des Eschbacher Schlosses geleitet von Tausenden von Bürgern; in jedem größeren Orte zum Reden und dem landesüblichen Trinken gezwungen, beherbergt, gefeiert wie Gott in Frankreich – und man wird ermessen, welch reiche Freude hier Blum beschieden war. Alle Huldigungen wendeten sich ihm, dem Führer, zu, namentlich alle Huldigungen der patriotisch begeisterten Frauenwelt.

  1. Günther, sein Schwager, gleichfalls Parlamentsmitglied.
  2. Sie ist erst am 15. März 1874 an Altersschwäche gestorben.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_644.jpg&oldid=- (Version vom 28.9.2019)