Verschiedene: Die Gartenlaube (1878) | |
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Fünfzig Jahre schon begraben –
Fünfzig Jahr’, und welche Zeit!
Hörtest Du, wie von den Raben
Der Kyffhäuser ward befreit?
Grollte nicht im Todtenhaus
Friedrich Schiller’s Ruf unbändig:
„Auf! Jetzt eilen wir hinaus!“
Schlummert fort! Es strahlt in’s Leben
Und wo Männer sich erheben,
Ihre Führer seid nur Ihr.
Eure Worte, Eure Thaten –
Trotz der Zeiten neuem Lauf –
Aus der Götter Händen auf.
Deutscher Fürst, dem Dienst des Schönen
Hast Du diese Saat geweiht,
Würdig Deutschlands größten Söhnen,
Ob Du Höheren Dich beugtest,
Sahst zu ihrem Geist hinan:
In des Herzens Hoheit leuchtest
Du dem Volk als erster Mann.
Treu dem Wort und dem Beruf,
Der dem Volk zum Siegeslohne
Eine Burg des Rechtes schuf.
Selbst befreit vom Zwang der Schranken,
Hast die Hand Du ohne Wanken
In des Bürgers Hand gelegt.
Größter Herzog Du der Sachsen,
Der an seines „Freundes“ Hand
Grüß’ Dich heut’ das Vaterland!
Kleines Land und große Geister –
Mög’ es eine Mahnung sein!
Werde nie der Spruch uns Meister:
Friedrich Hofmann.
Wenn irgend Jemand Veranlassung hatte, über das seltsame Spiel des Zufalls Betrachtungen anzustellen, so war es sicher der Hofrath Moser, denn gegen ihn hatte sich der Zufall eine Malice erlaubt, wie sie ärger gar nicht gedacht werden konnte. Er, der allergetreueste Unterthan seines allergnädigsten Souverains, der Inbegriff aller Loyalität, der geschworene Feind aller revolutionären und demagogischen Elemente, er mußte es jetzt erleben, daß unter seinem Dache, in seiner Wohnung der Sohn eines Hoch- und Staatsverräthers gepflegt wurde, und was das Schlimmste war, die Unvorsichtigkeit und Uebereilung der eigenen Tochter hatte dieses Schicksal über das Haupt ihres Vaters gebracht.
Es war nicht zu leugnen, daß Agnes Moser allein die Schuld daran trug, wenn sie dabei auch zweifellos von den frömmsten Motiven geleitet wurde. Agnes hatte von jeher die kurze Zeit, die sie noch im Hause ihres Vaters zubringen sollte, ehe sie der selbstgewählten Bestimmung folgte, als eine Vorbereitung für diese betrachtet. Die kranke Frau des Copisten war nicht die Einzige, die sich ihrer Sorgfalt erfreute. Wo es im Schlosse oder in der näheren Umgebung nur irgend etwas zu trösten oder zu pflegen gab, erschien das junge Mädchen, das sonst niemals zum Vorschein kam, um seine stille, aufopfernde Thätigkeit zu beginnen, und was bei einer Andern befremdlich erschienen wäre, galt hier als selbstverständlich. Man wußte ja allgemein, daß die Tochter des Hofraths den Schleier nehmen werde; man sah in ihr bereits die künftige Nonne, und dies im Verein mit ihrer Bereitwilligkeit, überall zu helfen, wo Hülfe nothwendig war, verschaffte ihr bei sämmtlichen Bewohnern des Schlosses einen Respect, der sonst siebenzehnjährigen jungen Mädchen selten zu Theil wird. Man fand es daher sehr natürlich,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_387.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)