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Seite:Die Gartenlaube (1878) 274.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


in dieser Hinsicht zurückgenommen werden, sobald die junge Baroneß ohne Einwilligung ihres Vormundes eine Verbindung eingeht.“

„Die Voraussetzung ist sehr richtig. Und Sie besitzen wirklich Egoismus genug, einem Wesen, das Sie zu lieben behaupten, Alles zu rauben, was Geburt und Verwandtschaft ihm verheißen, um es an Ihrer Seite einem Leben preiszugeben, das nur eine fortgesetzte Kette von Entsagungen wäre? Eine sehr aufopfernde Liebe in der That! Zum Glücke ist Gabriele Harder nicht geschaffen, eine solche Entsagungsidylle zu verwirklichen und ich werde dafür sorgen, daß sie nicht das Opfer einer Jugendthorheit wird, die sie bald genug mit der bittersten Reue bezahlen würde.“

Georg schwieg. Das war der wunde Punkt in seinem Innern. Er hatte es ja oft genug selbst empfunden, was der Freiherr aussprach. Gabriele war am wenigsten für eine „Entsagungsidylle“ geschaffen.

„Kommen wir zu Ende!“ sagte Raven, sich mit einer gebieterischen Bewegung emporrichtend. „Ich gestehe meiner Nichte unter keinen Umständen das Recht zu, ohne meine Einwilligung über ihre Zukunft zu entscheiden, und verweigere jedes Eingehen auf Wünsche und Hoffnungen, die für mich nicht existiren. Sie wissen, daß das Recht des Vormundes so unbeschränkt ist, wie das des Vaters, und werden sich demgemäß fügen. Ich erwarte von Ihrer Ehre, daß Sie nicht versuchen hinter meinem Rücken ein Einverständniß fortzusetzen, das ganz geeignet ist, den Ruf der jungen Dame zu schädigen wie es schon ihr Verhältniß zu den Ihrigen getrübt hat. Sie werden mir Ihr Wort darauf geben, nicht etwa heimlich eine Annäherung zu versuchen, die ich offen verbiete.“

„Wenn es mir erlaubt ist, Baroneß Harder noch einmal zu sehen und zu sprechen, sei es auch in Gegenwart der Frau Baronin.“

„Nein!“

„So kann ich das geforderte Versprechen nicht geben.“

„Besinnen Sie sich, wem Sie trotzen, Herr Assessor!“ mahnte der Freiherr; es lag eine unzweideutige Drohung in den Worten.

Das schöne, klare Auge des jungen Mannes begegnete furchtlos dem seines Chefs, und doch hätte die düstere Gluth, die sich darin malte, ihn schrecken sollen. Die beiden Männer maßen sich wie zwei Gegner, die vor dem Kampfe ihre Kräfte prüfen. Die Haltung des Jüngeren war entschlossen, aber ruhig, die des Aelteren verrieth eine furchtbare Bewegung.

Ich trotze nur einem harten und ungerechten Spruch,“ sagte Georg, die letzten Worte wieder aufnehmend. „Excellenz haben die Macht, die Trennung über uns zu verhängen, und wir fügen uns einer Nothwendigkeit, gegen die wir Beide waffenlos sind. Daß Sie uns aber eine Unterredung versagen, die vielleicht auf Jahre hinaus die letzte ist, das – ich wiederhole es – ist hart und ungerecht. Ich weiß nicht, in welcher Weise auf Fräulein von Harder eingewirkt wird, in welcher Weise man ihr mein gezwungenes Fernbleiben darstellt; ich muß ihr wenigstens sagen, daß ich mein Recht auf ihre Hand unter allen Umständen behaupte und Alles daran setzen werde, diese Hand einst zu verdienen – und das werde ich mündlich oder schriftlich versuchen, mit oder ohne den Willen Euer Excellenz.“

Er verbeugte sich und ging, ohne das übliche Zeichen der Entlassung abzuwarten. Raven warf sich in einen Sessel. Die Unterredung hatte einen ganz anderen Verlauf genommen, als er erwartete. Er hatte bisher nur amtlich mit Winterfeld verkehrt und ihn wohl für talentvoll und tüchtig in seinem Berufe gehalten, ihm jedoch nie eine hervorragende Bedeutung beigelegt; die Verschiedenheit der Stellung schloß da jedes nähere Interesse aus. Heute zum ersten Male stand nicht der Untergebene dem Vorgesetzten sondern der Mann dem Manne gegenüber, und heute entdeckte der Freiherr, daß sich hinter dieser ruhigen Bescheidenheit und dieser klaren, sanften Stirn eine Energie barg, die der seinigen nichts nachgab. Er war gewohnt, mit der bloßen Macht seiner Persönlichkeit jeden Widerstand zu brechen; hier rief er vergebens diese Macht und die ganze Ueberlegenheit seiner Stellung zu Hülfe; es gelang ihm nicht, den Gegner herabzusetzen oder einzuschüchtern; er mußte ihn in mehr als einer Hinsicht als ebenbürtig anerkennen. Gabriele hatte ihre Liebe keinem Unwürdigen geschenkt, und daß sie es nicht gethan, das eben wühlte in dem Inneren des Mannes, der in dumpfem Brüten in seinem Sessel lag. Er hätte viel darum gegeben, wenn es ihm möglich gewesen wäre, diese Neigung wirklich als eine Kinderthorheit zu verurtheilen und die Beiden mit Fug und Recht aus einander zu reißen. Jetzt blieb ihm nur der armselige Vorwand der Standes- und Vermögensunterschiede, und er selbst hatte einst gezeigt, wie leicht diese Schranken zu durchbrechen sind, sobald ein energischer Wille sich dagegen auflehnt, wenn ihn auch freilich ganz andere Beweggründe leiteten.

Das schönste und heiligste Vorrecht der Jugend, eine glühende, ideale Leidenschaft, die nicht nach Schranken und Möglichkeiten fragt, hatte Arno Raven nie gelernt und nie geltend gemacht. Er hatte den Traum von Liebe und Glück nicht träumen wollen, als er dazu berechtigt war – seine ehrgeizigen Pläne ließen ihm keine Zeit dazu. Jetzt, im Herbste seines Lebens, schwebte der Traum herab, goldig und verklärend; er umgab ihn mit schmeichelndem, trügerischem Schimmer und nahm seine beste Kraft gefangen, bis er jäh daraus erwachte. Die Jugend folgte der Jugend, und der alternde Mann stand allein auf der Höhe seiner Erfolge und seiner Macht, mit der öden Einsamkeit um sich her. Vielleicht hätte er in dieser Stunde Macht und Erfolge hingegeben, um noch einmal wieder jung zu sein.

(Fortsetzung folgt.)





Bayard Taylor.

Wie man bereits aus den Zeitungen ersehen hat, ist der Amerikaner Bayard Taylor neuerdings zum Botschafter der Vereinigten Staaten beim deutschen Kaiserhofe ernannt worden. Die Nachricht hat in den Kreisen der liberalen Politiker, überhaupt der Gebildeten Deutschlands, eine ganz besondere Freude und Befriedigung erregt, da der Ernannte bei uns längst als einer der bedeutendsten und interessantesten Repräsentanten der seit längerer Zeit an hervorragenden Geistern durchaus nicht mehr armen Literatur der nordamerikanischen Union gekannt und geschätzt ist. Nicht nur als Publicist und schriftstellernder Tourist, sondern auch als Dichter und Romanschriftsteller, als Uebersetzer und öffentlicher Vorleser hat sich Taylor auf beiden Seiten des atlantischen Oceans einen höchst geachteten Namen verschafft. Aber neben der Auszeichnung im Dienste der Musen schwang er sich auch in gesellschaftlicher Hinsicht von mehr untergeordneter Lage aus zu einer vollkommen gesicherten und unabhängigen Stellung auf, während er bereits früher auch als Staatsmann und Diplomat sich die vollste Anerkennung seiner Regierung und seines Vaterlandes gewonnen hat. Als daher der jetzige Präsident Hayes Herrn Bayard Taylor, ohne daß dieser sich darum beworben hatte, bei dem Bundessenat in Washington für den wichtigen Berliner Gesandtschaftsposten in Vorschlag brachte, fand dieser Schritt, eine gewiß seltene Erscheinung, in der ganzen amerikanischen Presse den einmütigsten Beifall, sodaß bei dieser wunderbaren Harmonie der verschiedensten Parteiorgane selbst die genannte, den Amtsernennungen des Herrn Hayes sonst nicht sehr freundlich gesinnte gesetzgebende Staatsvertretung sich veranlaßt sah, am 4. März dieses Jahres einstimmig und ohne die geringste Opposition die Wahl zu bestätigen. Der greise Lieblingsdichter Amerikas, William Cullen Bryant, ließ sich in seinem stets die Sache der Freiheit und der gesunden Reform vertheidigenden Organe „Die „New-Yorker Abendpost“ also vernehmen:

Bayard Taylor ist ein Mann, der nicht nur Menschen und Dinge in seinem eigenen Vaterlande, sondern auch in anderen Ländern gründlich kennt. Wenn das Sprüchwort: ‚Wer seine Heimath nie verlassen hat, der besitzt nur einen beschränkten Gesichtskreis‘ nicht in allen Fällen wahr ist, so ist es doch unbestreitbar wahr, daß, sobald es sich um einen Gesandtschaftsposten handelt, man keinem Menschen den Vorzug geben darf, der niemals im Auslande gewesen ist. Vielleicht kennt kein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_274.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2016)