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Seite:Die Gartenlaube (1878) 232.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Auf der anderen Seite der Hausflur, links, wenn man das Gesicht der großen Hausthür zukehrt, führt eine weißlackirte Flügelthür in ein geräumiges Zimmer, das sich auf den Garten öffnet und darum der Gartensaal heißt. Die Tapete desselben zeigt auf ziegelrothem Grunde weiße und blaue Blumen. Der Fußboden besteht, wie beiläufig in allen Sälen und Stuben des Hauses, aus einfachen fichtenen Dielen. Die Decke aber ist hübsch mit Stuckarbeit verziert, welche wieder das Bismarcksche und Katte’sche Wappen darstellt.

In die Hausflur zurückgekehrt, stiegen wir die breite, etwas steile Treppe von braunem Eichenholz hinauf, die sich im Hintergrunde derselben befindet, und gelangten zunächst durch eine weiße Flügelthür in den großen niedrigen, weißtapezierten Mittelsaal über der Hausflur. Derselbe zeigt an der Decke und an seinen beiden weißen Kaminen Verzierungen von Stuck. Zwischen den drei Fenstern stehen birkene Kommoden. Auf der zur Rechten sehen wir eine Gypsbüste Friedrich Wilhelm’s des Vierten, auf der zur Linken eine Marmorbüste des Fürsten im Civilanzug, neben welcher wir auf einem Tischchen an der Wand eine in Kupfer getriebene Kolossalbüste desselben gewahren, die den oberen Theil des Kissinger Denkmals darstellt. Neben der Kommode auf der rechten Seite trägt ein anderer an der Wand befindlicher kleiner Tisch die Gypsbüste Friedrich Wilhelm’s des Drittem. Dann folgt an derselben Wand eine weiße Flügelthür. Weiterhin begegnen wir einem Schränkchen, hinter dessen Glasthür Tassen und Kannen von Porcellan mit dem Bismarck’schen Wappen stehen, während uns von oben her zwischen zwei Karaffen eine weibliche Büste von Gyps ansieht, welche die verstorbene Frau des Bruders des Fürsten darstellt. Ein zweiter Schrank für Geschirr, dem ersten gegenüber, eine Anzahl Stühle an den Wänden und in der Mitte zwei fichtene Tische, zu einem zusammengestellt, bilden die weitere Ausstattung des Saales.

Der Inspector öffnete die weiße Flügelthür zur Linken, und wir traten in das Visitenzimmer mit seiner stark nachgedunkelten Oeltapete, welche Landschaften zeigt, und feiner Stuckdecke. Ein altes, schwarzes Sopha erinnert an die ehemalige Bestimmung des Gemachs, ein paar Bettstellen mit darin aufgestapelten Federbetten zeigen, daß es zuletzt anderen Zwecken gedient hat. An das Visitenzimmer stößt ein zweites, dessen Tapete auf grünem Grunde große goldene Chinesen zeigt. Neben dem weißen Kamine, über dem ein Oelgemälde, das Portrait einer Frau, hängt, befindet sich ein Ofen. In der einen Ecke bemerkt man einen Abguß von Rauch’s Walpurga auf dem Hirsche, in der anderen eine Nachbildung der Kiß’schen Amazone in Gyps. Eine Nische, die mit einer rothen Portière von baumwollenem Stoffe verhangen ist, eine Kommode und zwei Sophas, das eine roth, das andere blaßgrün überzogen, vollenden die Ausstattung der ziemlich großen Stube.

Kehren wir in den weißen Saal zurück und treten wir durch die Flügelthür neben der Büste Friedrich Wilhelm’s des Dritten, so gelangen wir in die Stube, in welcher der Fürst von Bismarck wohnte und arbeitete, als er noch einfach Herr von Bismarck hieß. Die Tapete zeigt weiße Arabesken auf grünen Grunde. An der Wand rechts von der Thür steht ein grünes Sopha und davor ein Tisch mit grünbezogenen Polsterlehnstühlen. Ueber dem Sopha hängen drei Lithographien und das in Oelfarben ausgeführte Portrait der Mutter des Reichskanzlers in der Tracht der zwanziger Jahre. Weiterhin folgt an derselben Wand über dem Kamine das Medaillonbild einer Frau, über die mein Begleiter keine Auskunft zu geben wußte. In der Ecke daneben, deren Wände statt der Tapete blauglasirte Fließen mit kleinen, weißen Landschaften zeigen, befindet sich ein weißer Kachelofen, aus dem oben ein Stier von Gyps steht. Die Ecke gegenüber nimmt ein großes, braunes Uhrgehäuse ein, dessen Uhr ein zinnernes Zifferblatt und einen ungewöhnlich hellen Schlag hat. An der Wand, dem Sopha gegenüber, steht ein altmodischer Schreibsecretär und daneben hängen verschiedene Lithographien und Stahlstiche, darunter Bürgen’s Molly. An dem einen der beiden Fenster des Zimmers, zwischen denen ein Spiegel, kommen hierzu noch ein paar in die Scheibe eingefügte Lichtbilder mit bunten Glasrahmen. Aus dem Arbeitszimmer gehen wir durch die Thür rechts von den Fenstern in ein Ankleide- und Schlafzimmer. Die Tapete derselben ist grau übertüncht; von der weißen Decke hängt eine topfförmige, weiße Ampel mit einer grünen Guirlande herab; auf dem Ofen sitzt ein weißer Gypsadler. Sonst enthält die Stube einen alten röthlichen Kleiderschrank, ein mit Leder überzogenes Sopha und zwischen den beiden Fenstern eine Kommode, über welcher ein Spiegel hängt. Eine Portière von rothem Kattun theilt das Stück vom Zimmer ab, und in diesem alkovenartigen Raume befinden sich zwei Bettstellen. Dieselben bezeichnet den Ort, wo am 1. April 1815 Otto von Bismarck das Licht der Welt erblickte.

Begeben wir uns von hier ins Arbeitszimmer zurück und von da in die Bibliothek, so haben wir eine große, wie alle übrigen Gemächer des Hauses, verhältnißmäßig niedrige Stube vor uns, deren Wände rosenroth angestrichen sind und in deren Mitte ein schwerer, mit Wachstuch überzogener Tisch steht. Rechts von der Thür, durch welche wir eintreten, gewahren wir einen gelben Glasschrank mit drei Thüren, worin eine Menge Bücher und Broschüren, darunter viele in Folio und Schweinslederband, zu sehen sind. Dann folgen in der nächsten Wand zwei Fenster, zwischen denen ein Stehpult mit Schublade, aus welchem ein Schränkchen ruht. Neben dem zweiten Fenster hat ein alter, massiver Schrank aus Nußbaumholz, der vermuthlich ebenfalls Literatur beherbergt, mit seinen gewundenen Füßen Posto gefaßt. An der folgenden Wand treffen wir auf einen zweiten gelben Glasschrank, der wieder mit Büchern und Flugschriften, alten und neuen, gebundenen und ungebundenen, angefüllt ist. Die größeren Bände sind, wenn ich nach einer Musterung von einigen Minuten urtheilen darf, meist von älterem Datum, viele aus dem vorigen Jahrhundert. In dem ersterwähnten Schranke stoßen wir unter Anderem auf Zedler’s Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, auf das Theatrum Europaeum, auf Gottfried’s Chronik der vier Monarchien und Gladow’s Reichshistorien, auf Büsching’s Erdbeschreibung und Luther’s deutsche Schriften. Der andere Glasschrank enthält, wie es scheint, vorwiegend schöngeistige Literatur, darunter Werke von Voltaire und Friedrich von Schlegel. An derselben Wand wie dieser Schrank steht weiter einwärts im Zimmer ein schwarzer Divan, über dem Oel- und Pastellgemälde hängen, welche Glieder der Bismarck’schen Familie darstellen. In der letzten Wand befindet sich zunächst die Thür nach dem Arbeitszimmer. Daneben folgt ein Sopha mit gelblichem Muster auf grünem Grunde, über dem wieder ein Anzahl kleiner Bilder in Kupferstich oder Wasserfarben hängen. Beim Ofen, hinter welchem die Wand mit blau und weißen glasirten Platten belegt ist, schließt das Bild einer Dame, die mein Führer als eine Gräfin von Schulenburg bezeichnete, und welche dem Vater des Fürsten in seinen jungen Jahren zur Gemahlin bestimmt gewesen, es aber aus irgend welchen Gründen nicht geworden sein soll, die Reihe dieser Portraits, von denen ich sonst noch ein hübsches, kleines Brustbild der Großmutter des Fürsten – es ist die von mütterlicher Seite – hervorhebe.

Nachdem wir noch in die anstoßende kleine einfenstrige Stube mit ihrer blau und weißgemusterten Tapete, ihren alten Kupferstichen aus dem Leben Friedrich’s des Großen und ihrer riesigen Familienbibel einen Blick gethan, begeben wir uns in’s zweite Stock, wo sich über dem großen Saale des ersten ein gleich großer und ebenfalls von drei Fenstern erleuchteter befindet. Derselbe enthält nichts als einige Schränke und links an der Wand den Stammbaum des Geschlechts von Bismarck, der in seinem unteren Theile beschädigt ist – „durch 1813 hier einquartierte Franzosen“, berichtete mein Begleiter. Die übrigen Stuben dieser Etage scheinen gegenwärtig nur zu Rumpelkammer zu dienen oder ganz leer zu stehen. Vielleicht wohnt in einer derselben das Hausgespenst, von welchem Hesekiel als Gläubiger erzählt. Wahrscheinlicher ist, daß es verdrießlich über die neue Zeit ausgezogen und in das „alte romantische Land“ entflohen ist, wie die kleinen Puke und Kobolde, die ehedem, halb tückisch, halb drollig, bei guter Behandlung gewöhnlich hülfreich und gefällig, wie anderwärts in norddeutschen Dörfern, auch in den Ställen und Scheunen der Bauernhöfe Schönhausens gespukt haben werden. Mir beim Inspector Gewißheit über die Sache zu verschaffen, schämte ich mich. Er sah nicht aus, als ob man ihm mit solchen Schnack kommen dürfte.

Wem ich einen Rückblick auf das an diesem Morgen Gesehene werfe und mir den Gesammteindruck vergegenwärtige, den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_232.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)